Die betriebliche Übung – so können Arbeitnehmer ihre Ansprüche durchsetzen!

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Juristen sprechen bei der Betriebsübung von einem arbeitsrechtlichen Phänomen. Das liegt unter anderem daran, dass die betriebliche Übung keine schriftliche Grundlage im Arbeitsvertrag hat. Sie entsteht vielmehr im Laufe der Zeit und ist von der betrieblichen Praxis des Arbeitgebers geprägt. Dennoch bietet sie dem Arbeitnehmer eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Ansprüche auf Vergünstigungen geltend zu machen.

In diesem Rechtstipp beleuchten wir die betriebliche Übung genauer. Dabei gehen wir vor allem auf ihre Voraussetzung ein. Auch für den Arbeitgeber liefern wir einige wertvolle Hinweise, wie mit der Betriebsübung umzugehen ist.

1. Die Voraussetzungen der betrieblichen Übung

Will der Arbeitnehmer eine bestimmte Leistung von seinem Arbeitgeber verlangen, ist an erster Stelle ein Blick in den Arbeitsvertrag oder den geltenden Tarifvertrag zu werfen. Enthält der Arbeitsvertrag keine Klausel zur begehrten Vergünstigung, gestaltet es sich mit der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen schwieriger. Unter Juristen besteht jedoch Einigkeit darüber, dass Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auch dann infrage kommen, wenn es an einer schriftlichen Grundlage fehlt. Das arbeitsrechtliche Phänomen der Betriebsübung ist hierfür ein Paradebeispiel. 

Kann der Arbeitnehmer sich auf das Bestehen einer betrieblichen Übung berufen, kann er häufig Ansprüche auf Vergünstigungen oder Sonderzahlungen geltend machen.

Die Betriebsübung bezieht sich unter anderem auf folgende Bereiche:

  • Weihnachtsgeld
  • Urlaubsgeld
  • Betriebsrente
  • Übernahme der Fortbildungskosten
  • dienstfreie Tage anlässlich von Feierlichkeiten

Voraussetzung für einen Anspruch aufgrund der betrieblichen Übung ist jedoch, dass der Arbeitgeber eine konkrete „gleichförmige“ Verhaltensweise pflegt, die sich regelmäßig wiederholt. Schöpft der Arbeitnehmer aufgrund dieser Praxis das Vertrauen auf den Bestand der Vergünstigung, liegt die Annahme einer Betriebsübung nahe. Wird also mindestens dreimalig eine Sonderzuwendung geleistet, kann der Arbeitnehmer von einer verbindlichen Zusage ausgehen. Denn der Arbeitgeber hat dann das Vertrauen auf den Bestand und die Wiederholung der Gratifikation erweckt. Dieses Vertrauen darf nach Ansicht der Arbeitsgerichte nicht ohne Weiteres enttäuscht werden.

2. Die Möglichkeiten des Arbeitgebers bei der betrieblichen Übung

Der Arbeitgeber wird sich regelmäßig absichern wollen, dass es erst gar nicht zu einer Betriebsübung kommt. Dabei hat er insbesondere die Möglichkeit seine Sonderleistungen mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu versehen. Bringt er nämlich unmissverständlich zum Ausdruck, dass er keinen Willen hat, sich rechtlich zu binden, kann der Arbeitgeber die Entstehung der betrieblichen Übung verhindern. Dabei kann er etwa folgende Formulierungen wählen:

„Die Zahlung erfolgt freiwillig und ohne Rechtsbindung für die Zukunft.“

Ob der Freiwilligkeitsvorbehalt noch Sinn macht, hängt vom Einzelfall ab. Als Arbeitgeber sollten Sie kein rechtliches Risiko eingehen. Klären Sie vorher mit einem Rechtsanwalt im Arbeitsrecht, ob der Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam ist. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt kann übrigens bereits im Arbeitsvertrag enthalten sein. 

In diesen Fällen muss der Arbeitgeber also die Freiwilligkeit der geleisteten Vergünstigung nicht jedes Mal erneut betonen. Die Kanzlei Senol schaut hier auf eine Bandbreite an Erfahrungen zurück. Kontaktieren Sie uns!

Übrigens: Ein sogenannter Widerrufsvorbehalt hat nicht die gleiche Wirkung wie ein Freiwilligkeitsvorbehalt. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine Vergünstigung leistet und sich vorbehält, die Vergünstigung zu widerrufen, hindert das die Entstehung der betrieblichen Übung nicht. Wenn also über mehrere Jahre hinweg, Sonderzahlungen mit Widerrufsvorbehalt getätigt wurden, kann dennoch eine Betriebsübung vorliegen. 

Der Unterschied zur schlichten Auszahlung ohne Widerrufsvorbehalt liegt darin, dass der Arbeitgeber sich einseitig von der Leistungspflicht lösen kann. Hier sind jedoch die Einzelfallumstände entscheidend.

3. Beispiel zur betrieblichen Übung

Der Arbeitgeber zahlt mindestens seit 2010 zum Jahresende an alle Beschäftigten ohne Vorbehalt ein zusätzliches Weihnachtsgeld. Die Höhe dieser Sonderzahlung ist regelmäßig ein Monatsbruttogehalt. Die wirtschaftliche Situation hat sich jedoch im aktuellen Jahr verschlechtert. Unter Hinweis auf die miserable Geschäftsentwicklung verzichtet der Arbeitgeber auf die Sonderzahlung.

Die Arbeitnehmer haben in der Zwischenzeit darauf vertraut, dass das Weihnachtsgeld jährlich in der gleichen Höhe ausgezahlt wird. Das sollte ihrer Ansicht nach auch dann gelten, wenn der Arbeitsvertrag keine geschriebene Klausel zu diesem Thema enthält. Und damit liegen die Arbeitnehmer richtig!

Die Arbeitnehmer haben in einer solchen Situation einen rechtlichen Anspruch auf das Weihnachtsgeld. Das gilt übrigens trotz der wirtschaftlichen Schieflage des Betriebes. Da die betriebliche Übung nach Ansicht der Arbeitsgerichte zu einer Änderung des Arbeitsvertrages führt, ist die Geschäftssituation zweitrangig. Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens hat auf die Betriebsübung grundsätzlich keinen Einfluss.

Will der Arbeitgeber dennoch nicht zahlen, kann der Anspruch vor Gericht mit Hilfe eines Rechtsanwaltes durchgesetzt werden.

4. Fazit

Will der Arbeitnehmer Ansprüche geltend machen, die sich nicht unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ergeben, ist Vorsicht geboten. Hier ist anwaltliche Hilfe unumgänglich. Die Situation gestaltet sich häufig kompliziert, wenn vertragliche Grundlagen fehlen. Es kommt auf fachliche Kompetenz und Rechtskenntnis an! Nehmen Sie Kontakt zu einem Rechtsanwalt im Arbeitsrecht auf, um vor Gericht durchzusetzen, was Ihnen zusteht.

Die Kanzlei Senol berät Sie gerne zur Betriebsübung und ist Ihr kompetenter Rechtsbeistand im Arbeitsrecht.


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