Die elektronische AU-Bescheinigung kommt – muss ich als Arbeitnehmer nun nichts mehr tun?

  • 3 Minuten Lesezeit

Was sind die Pflichten bei der Krankmeldung bisher?

Kranke Arbeitnehmer, die nicht arbeiten können, müssen ihre Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber mitteilen, so heißt es schon bisher in § 5 Abs. 1 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes. 

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen, heißt es in Satz 2. 

Weiter heißt es im Gesetz: Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. 

Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.

Das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz ist am 28.11.2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden berichtet Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald aus Stuttgart. 

Darin wird ab dem 01.01.2022 die Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für gesetzlich Krankenversicherte beim Arbeitgeber abgeschafft. In § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes wird dazu nach Absatz 1 ein neuer Absatz 1a eingefügt, der wie folgt lautet:

„Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt nicht für Arbeitnehmer, die Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind. Diese sind verpflichtet, zu den in Abs. 1 Satz 2 bis 4 genannten Zeitpunkten das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und sich eine ärztliche Bescheinigung nach Abs. 1 Satz 2 oder 4 aushändigen zu lassen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten (§ 8a viertes Buch SGB) oder bei Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt.“

Was bedeutet die Neuregelung für künftige Krankheitsfälle?

Ab dem 01.01.2021 müssen gesetzlich Krankenversicherte keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr vom Arzt beim Arbeitgeber vorlegen. Dies gilt nicht für geringfügig Beschäftigte. Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer sind aber nicht völlig ohne Verpflichtung:

  • Die Pflicht zur unverzüglichen Meldung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz) bleibt.
  • Der gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich eine AU-Bescheinigung vom Arzt aushändigen lassen.

Was erhält der Arbeitgeber?

Der Arbeitgeber muss sich künftig bei der Krankenkasse erkundigen, ob eine Meldung nach § 109 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für ihn vorliegt. Die Krankenkasse muss diese Meldung erstellen. Darin werden Daten über den Namen des Beschäftigten, den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Ausstelldatum und die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung erfasst. 

Stellt die Krankenkasse auf Grundlage der Angaben zur Diagnose in den Meldungen des Fünften Buches und weiteren ihr vorliegenden Daten fest, dass die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten für einen Arbeitgeber ausläuft, übermittelt sie dem betroffenen Arbeitgeber eine Meldung mit den Angaben über die für ihn relevanten Vorerkrankungszeiten.

Auswirkungen auf die Praxis

Ob das nun geschaffene System tatsächlich zum Bürokratieabbau führt, wird bezweifelt. Die gesetzlichen Krankenkassen werden nunmehr zum Überbringer der Daten an den Arbeitgeber. Was aber ist, wenn der behandelnde Arzt selbst diese Meldung nicht an die Krankenkasse übermittelt? Außerdem muss sich der Arbeitgeber selbst aktiv um die Erlangung der Daten bei der Krankenkasse kümmern. Es gibt keinen Automatismus, dass die Krankenkasse Daten sendet.

Ein Vorteil für Arbeitnehmer besteht sicher darin, dass diese sich vom Arbeitgeber nicht mehr vorwerfen lassen müssen, sie hätten Bescheinigungen zu spät oder gar nicht eingereicht. Dies ist ein häufiger Anknüpfungspunkt von Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte PartmbB, Stuttgart


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Bert Howald

Beiträge zum Thema