Die Sache mit der Abfindung - Was ist da eigentlich dran?

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Oft wollen sich Arbeitgeber im Trennungsszenario schnell mit dem Arbeitnehmer verständigen. Dann wird oft ein kurzfristig anberaumtes Trennungsgespräch geführt, Aufhebungsverträge werden vorgelegt, der Mitarbeiter soll am besten gleich unterschreiben. Das Überraschungsmoment soll also ausgenutzt werden. Anwaltlicher Rat ist in diesem Moment besonders wichtig. Der Mitarbeiter sollte natürlich nicht gleich ohne Wenn und Aber einem Vorschlag des Arbeitgebers folgen, nur weil dieser eine vermeintliche Eilbedürftigkeit vorgibt. Welche Risiken und Nebenwirkungen ein Aufhebungsvertrag hat, kann der Nicht-Rechtskundige eigentlich kaum in der Kürze der Zeit überblicken. Er sollte sich dringend Rat einholen. Als anwaltlicher Berater begegnen einem aber häufig falsche Vorstellungen zum Thema Abfindungen. So hört man immer wieder den Satz, man könne ja auf die Abfindung klagen, wenn man eine Kündigung bekommt.

„Die Abfindung habe ich auf jeden Fall in der Tasche“

Dies mag in anderen Ländern gelten, aber im deutschen Recht gibt es nur in den seltensten Fällen auch einen einklagbaren Anspruch auf eine Abfindung. So gibt es in Einzelfällen bei betriebsbedingten Kündigungen, also wenn das Unternehmen Stellen abbaut, eine vom Arbeitgeber versprochene Abfindung. In Betrieben mit Betriebsräten gibt es zuweilen sogenannte „Sozialpläne“, die eine Abfindung vorsehen. Das ist aber nicht immer so. Nur wenn besonders viele Arbeitnehmer entlassen werden, können solche Sozialpläne verhandelt werden. Allerdings gibt es auch viele Betriebe ohne Betriebsrat. Dann gibt es meistens keine Zusagen für eine Abfindung.

Arbeitgeber können bei einer betriebsbedingten Kündigung auch eine Abfindung für den Fall versprechen, dass der Mitarbeiter keine Kündigungsschutzklage erhebt. Dazu heißt es in § 1a des Kündigungsschutzgesetzes, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung hat, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt und der Arbeitnehmer nicht innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhoben hat. Der Anspruch besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber in dem Kündigungsschreiben darauf hinweist, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handelt und der Arbeitnehmer beim Verstreichenlassen der Drei-Wochen-Frist einen Anspruch auf eine Abfindung hat. Die Höhe der Abfindung beträgt in diesem Fall 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Aber wohlgemerkt nur in diesem Fall, nicht bei jeder betriebsbedingten Kündigung !

Der Grundfall ist aber, dass man sich mit dem Arbeitgeber über die Wirksamkeit der Kündigung streiten muss. Denn eine Kündigung ist nicht – wie in anderen Ländern – stets ein „Vertragsbruch“ oder ein Treueverstoß, nein, vielmehr kann nach deutschem Recht nahezu jedes Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis auch ordentlich gekündigt werden, wenn die Spielregeln dafür eingehalten werden. Ob die Spielregeln eingehalten wurden, muss rechtlich geprüft werden.

„Die Abfindung darf ich als Ganzes behalten“ – Richtig?

Ein weiterer Irrtum kann oft darin bestehen, dass der Arbeitnehmer denkt, er könne den gesamten Abfindungsbetrag behalten. Das ist leider falsch. Von einer Abfindung wird immer Lohnsteuer einbehalten, der Arbeitnehmer muss Einkommensteuer entrichten. Seit 2006 gibt es keine steuerlichen Freibeträge auf Abfindungen mehr. Dafür wird die Steuerprogression geglättet (sog. „Fünftelungsregelung“). Sozialversicherungsbeiträge müssen auf Abfindungen keine entrichtet werden. Wer möchte, kann im Internet in dort angebotene Abfindungsrechner seine Lohnsteuermerkmale eingeben, dann kann er sich ausrechnen lassen, was netto von der Abfindung übrig bleibt. Die Richtigkeit solcher Berechnungen ist freilich nicht garantiert.

Nun kann es auch sein, dass folgende Situation eintritt: Arbeitnehmer Fleißig verabredet mit Arbeitgeber Flink eine Abfindung, die mit Auslaufen der Kündigungsfrist fällig werden soll. Flink wird nun vor Beendigung des Anstellungsverhältnisses zahlungsunfähig und nach Stellung eines Insolvenzantrags eröffnet das Amtsgericht das Insolvenzverfahren. Dann wird es eng, denn die Insolvenzordnung verbietet dem Arbeitgeber, die Abfindung auszuzahlen. Der Anspruch besteht zwar weiter, Fleißig geht aber möglicherweise trotzdem leer aus – er muss sich in die Reihe der Gläubiger einstellen, die alle noch Forderungen haben. Wenn die Insolvenzmasse etwas hergibt, ist es gut, aber meistens kommt eben nicht mehr viel Geld in der Schlussverteilung heraus.

Ein anderes Beispiel, in dem die Abfindung trotz Vereinbarung verloren gehen kann, ist folgendes: In einem Aufhebungsvertrag vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien eine Beendigung mit langer Kündigungsfrist. Die Abfindung soll am Ende des Arbeitsverhältnisses fließen. Der Arbeitnehmer arbeitet noch mehrere Monate weiter, kriegt regelmäßig seinen Lohn, alles ist eigentlich „in Ordnung“. Kurz vor Auslaufen des Vertrags kündigt nun der Arbeitgeber fristlos, weil er meint, der Arbeitnehmer habe Betriebseigentum gestohlen. Was ist nun mit der Abfindung? Nun, nach Meinung vieler Juristen lässt die fristlose Kündigung die Geschäftsgrundlage für die Abfindung entfallen, mit anderen Worten: die Abfindung ist „perdu“.

"Die Arbeitsagentur will meine Abfindung doch sowieso haben“ – Richtig?

Der Arbeitnehmer muss eventuell nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in die Arbeitslosigkeit gehen, jedenfalls lässt sich dies meist dann nicht vermeiden, wenn eben noch kein neuer Job in Sichtweite ist. Der Aufhebungsvertrag ist aber eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer wird also von der Agentur so behandelt, als sei er zumindest „mit schuld“ an der Beendigung.

Das Verhandeln einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses wird in der Tat dazu führen, dass für zwölf Wochen und insgesamt für ein Viertel der Bezugsdauer das Arbeitslosengeld gekürzt wird ("Sperrzeit", siehe § 159 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch). Die Sperrzeit tritt aber nicht wegen der Abfindung ein, sondern wegen der Einvernehmlichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Agentur für Arbeit darf von der Abfindung auch nicht einfach immer etwas auf das Arbeitslosengeld anrechnen. Doch auch hier droht Gefahr: denn manche Arbeitnehmer lassen sich für eine kürzere Kündigungsfrist eine höhere Abfindung zahlen. Dies führt zu einem sogenannten "Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs" (§ 158 SGB III). Der Sinn des Ganzen ist klar: wer sich früher arbeitssuchend meldet als nötig, verursacht vermutlich auch höhere Kosten bei der Arbeitslosenversicherung. Dies soll nicht zulasten der Versicherten gehen.

Fazit

Wer also tatsächlich mit einer Trennungssituation am Arbeitsplatz konfrontiert ist, sollte nicht einfach sofort eine vom Arbeitgeber angebotene Abfindung annehmen, sondern auch sämtliche Auswirkungen einer freiwilligen Beendigungslösung kennen und dann eine informierte Entscheidung treffen. Möglicherweise ist auch eine Kündigungsschutzklage lohnenswert, wenn der Arbeitgeber tatsächlich kündigt. Dies sollte man mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht abklären.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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