Die Unsicherheit mit der Scheinselbstständigkeit und der Strafbarkeit nach § 266a StGB

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Viele Menschen sind heutzutage „ihr eigener Chef“ oder sollen es sein. Das wird so „verkauft“ – aber ist es tatsächlich so?

Bei einer Fluggesellschaft werden den Piloten die Arbeitsmittel (die Flugzeuge) zur Verfügung gestellt. Die Piloten sollen selbstständige Unternehmer sein und nicht Angestellte. Ob dieses Modell über dem Himmel des Staatsgebiets Deutschlands funktioniert, muss sich noch zeigen.

Zusteller von Paketen sollen Ihre eigenen Fahrzeuge nutzen und sollen selbstständig sein. So hoffen die Arbeitgeber. Das könnte bei einer Überprüfung teuer werden aufgrund von rückwirkender Verpflichtung zur Zahlung von Sozialabgaben und Zuschlägen. Hier ist gute anwaltliche Beratung wichtig, denn es gibt Möglichkeiten, wie man das ohne Clearingstelle in Erfahrung bringen kann.

In beiden Beispielsfällen besteht statt einem Arbeitsvertrag nur ein Werkvertrag oder freier Mitarbeitervertrag.

Unabhängig davon, wie man das Vertragsverhältnis bezeichnet, kommt es im Ergebnis auf eine Abgrenzung von unselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit nach bestimmten Voraussetzungen an.

Abgrenzungskriterien zur Prüfung von Scheinselbstständigkeit

Die Arbeitnehmerschutzgesetze führen zu dem Wunsch, kein Arbeitsverhältnis entstehen zu lassen. Dieses ist für den Arbeitgeber immer verbunden mit erheblichen Kosten, Bindungen und Verpflichtungen.

Liegt jedoch eine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber vor, dann ist der freie Mitarbeiter entgegen seiner Bezeichnung ein Arbeitnehmer.

Weisungsabhängigkeit

Erste Voraussetzung für die Feststellung der persönlichen Abhängigkeit des Mitarbeiters ist die Weisungsabhängigkeit. Weisungsabhängigkeit des Mitarbeiters liegt vor, wenn er nach Inhalt, Zeit, Ort und Art seiner Tätigkeit von Weisungen des Arbeitgebers abhängig ist.

Das LSG Berlin Brandenburg hat in einer neueren Entscheidung sogar ausgeführt, dass keine Vorgaben zur Abgabezeit einer Arbeit gemacht werden durften. Hat ein freier Mitarbeiter Termine einzuhalten, ist er nicht selbstständig tätig.

Nicht entscheidend ist die fachliche Weisungsgebundenheit.

Wenn ein Rechtsanwalt, ein Arzt, ein Steuerberater oder eine Hebamme auch nach der Art ihrer Tätigkeit und aufgrund von Berufsregeln meistens selbstständig arbeiten, dann werden sie doch häufig als Arbeitnehmer beschäftigt, auch wenn auf dem Vertrag „Freier Mitarbeiter“ steht.

Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers

Zweite Voraussetzung ist die Frage nach der Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers. Dabei unterscheidet man die sachliche und die persönliche Eingliederung.

Sachliche Eingliederung liegt vor, wenn der Mitarbeiter die Betriebsmittel des Arbeitgebers nutzt, wie z. B. Visitenkarten, Kraftfahrzeuge, Bankkarten, Räume, PC, Laptop, Smartphone etc.).

Die persönliche Eingliederung beurteilt sich nach der Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter. Ein echter freier Mitarbeiter wird demnach Miete für die von ihm beim Arbeitgeber benutzten Räume zahlen, wird nicht an Meetings teilnehmen und auch nicht an Weihnachtsfeiern, er wird an einen Ansprechpartner berichten, eine Besucherkarte für den Zugang zu seinen Räumen erhalten bzw. sich jedes Mal, wenn er kommt, als Besucher anmelden und seine eigenen Versicherungen abschließen.

Behördliche Prüfung und Strafbarkeit nach § 266a StGB

Immer stärker im Fokus steht eine Strafnorm, die kaum einer kennt: § 266a StGB. Ist die persönliche Abhängigkeit aufgedeckt worden nach behördlicher Überprüfung des Arbeitsverhältnisses, ist die Zahlungsbelastung des Unternehmens hoch. Der Ärger geht aber weiter mit einem Strafverfahren, welches wegen der Nichtabführung von Sozialversicherungsabgaben eingeleitet wird. Hier müssen häufig Arbeitsrechtler und Strafrechtler zusammenarbeiten, um eine wirkungsvolle Verteidigung aufzubauen.

(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.11.1994, 9 AZR 4/93)

(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.04.1980, 9 AZR 426/79)

Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg 07.07.2017 – L 1 KR 41/14)

Bei Fragen:

Rechtsanwalt Dirk Wittstock


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