Dieselabgasskandal rund um Vierzylinder-Dieselmotor EA288: Interessantes Schadenersatzurteil gegen die Volkswagen AG

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Das Landgericht Stuttgart hat die Volkswagen AG zu Schadensersatz für einen manipulierten Golf 1.6 TDI mit der Dieselmotor EA288 und der Abgasnorm Euro 6 verurteilt. Dabei bezog sich das Gericht auf das Schutzgesetz nach § 823 BGB.

Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart (Urteil vom 20.05.2021, Az.: 20 O 553/20) muss die Volkswagen AG im Dieselabgasskandal Schadenersatz in Höhe von 14.106,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2020 zahlen. Der Autohersteller wurde weiterhin verurteilt, an den Kläger die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 513,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2020 zu zahlen.

Dafür erhält die Volkswagen AG einen Golf 1.6 TDI zurück. Das Fahrzeug, welches der Euro-6-Norm unterliegt, ist mit einem Motor des Typs EA288 ausgestattet. Der geschädigte Verbraucher hat das streitgegenständliche Fahrzeug am 20. Dezember 2016 für 17.890 Euro mit einem Kilometerstand von 10.700 erworben. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2021 betrug die Laufleistung 61.310 Kilometer. Der Kläger finanzierte den Kaufpreis über ein Darlehen.

„Der Kläger behauptet, die Beklagte habe beim streitgegenständlichen Motor EA288 wie beim Vorgängermodell EA189 illegale Abschalteinrichtungen verbaut, um allein auf dem Prüfstand die für die Schadstoffklasse Euro 6 gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte einhalten zu können, Die Beklagte habe eine dafür notwendige Zykluserkennung und ein Thermofenster verwendet. lm Realbetrieb könne das Fahrzeug die Abgasgrenzwerte nicht einhalten. Der geltende Grenzwert für Stickoxide von 80 Milligramm pro Kilometer werde im realen Fahrbetrieb deutlich überschritten. Die Abgasreinigungssysteme würden, um deren Nachteile wie die Verrußung des Motors zu umgehen, im normalen Fahrbetrieb komplett abgeschaltet oder zumindest stark reduziert“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.

Konkret werde durch die Abschalteinrichtungen im Abgasrückführungssystem im Prüfstandmodus ein Teil der Verbrennungsgase mit Frischluft vermengt und in den Zylinder des Motors zurückgeführt und durch Kraftstoff neu gezündet beziehungsweise im Prüfstandmodus mehr Harnstoff (AdBlue) eingespritzt und/oder die Funktion des NOx-Speicherkatalysators aktiviert oder deaktiviert. Dadurch würden im Prüfstandmodus die NOx-Emissionen reduziert. Die Organe der Beklagten hätten Kenntnis von Entwicklung, Weiterentwicklung und lnverkehrbringen der illegalen Abschalteinrichtung und dem Einbau in die Fahrzeuge der Beklagten sowie ihrer Töchter Audi, Seat und Skoda gehabt, heißt es im Urteil.

„Die Volkswagen AG wollte diese Argumente nicht gelten lassen und hob hervor, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug kein von der Diesel-Thematik betroffener Motor des Typs EA189 verbaut sei, sondern ein Motor des Typs EA288. Es gebe keine im Prüfstandsbetrieb optimierende Funktion, die erforderlich wäre, um die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Das hat dem Gericht aber nicht ausgereicht“, betont Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung.

Das Landgericht Stuttgart stellt heraus, dass Schadenersatzansprüche nach § 823 BGB bestünde. Der Kläger habe einen Schaden in Form der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung erlitten. Dieser Schaden sei durch fahrlässiges Verhalten der Volkswagen AG entstanden. Bei den genannten Bestimmungen handele es sich um Schutzgesetze. „Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt nicht nur die Allgemeinheit schützt, sondern zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Das ist eine interessante weitere Entwicklung im Dieselabgasskandal und bringt gegebenenfalls neue Argumente für geschädigte Verbraucher“, sagt Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung.

Die Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft hat eine spezielle Website zur neuen EA288-Thematik eingerichtet und listet dort alle Modelle von Audi, VW, Seat und Skoda auf, die sehr wahrscheinlich vom VW-EA288-Abgasskandal betroffen sind. Die Liste ist unter www.hartung-rechtsanwaelte.de/vw-dieselskandal-ea288 frei zugänglich. „Beim Dieselgate 2.0 sprechen wir von vielen Millionen Fahrzeugen. Motoren mit dem Kürzel EA 288 finden sich in zahlreichen Baureihen aller Marken des Volkswagen-Konzerns. Die Dieselmotoren sind nahezu in jedem Dieselfahrzeug als 1.4 TDI, 1.6 TDI oder 2.0 TDI seit dem Jahr 2015 flächendeckend verbaut worden. Der Schaden geht in die Milliarden und kann die Ausmaße, die wir vom ersten Skandalmotor EA189 kennen, noch weit in den Schatten stellen“, stellt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung heraus.

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH


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