Dieselskandal-Kehrtwende des Bundesgerichtshofs: Schadenersatzanspruch auch für Thermofenster!

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Ein riesiger Erfolg für betroffene PKW-Eigentümer - eine neue Klagewelle dürfte auf Hersteller manipulierter PKW anrollen.                                                             

Mit heutigem Urteil vom 26.06.2023 wird ein weiteres Kapitel im Diesel-Abgas-Skandal geöffnet: Der Bundesgerichtshof hat die Hürden für Schadenersatzansprüche stark gesenkt!  

Bislang hatte der Bundesgerichtshof über das sogenannte „Thermofenster“, eine von vielen Abschalteinrichtungen, noch nicht konkret entschieden. Dies hat sich heute geändert: nunmehr reicht für den Fall, dass eine solche Abschalteinrichtung im Auto verbaut ist, bereits ein fahrlässiges Handeln des Autoherstellers aus.

Zugrunde liegen dieser Entscheidung die Klagen von drei Autokäufern gegen die Hersteller Mercedes-Benz, Audi AG und Volkswagen AG.

Es muss, um eine Geldentschädigung zu erhalten, nun nicht mehr vorsätzlich und in sittenwidriger Weise geschädigt worden sein im Zusammenhang mit Abschalteinrichtungen, die den Schadstoffausstoß gezielt herunterregeln können, wenn der Prüfsteinbetrieb erkannt wird.

Es reicht bereits Fahrlässigkeit beim Verbauen einer solchen Abschalteinrichtung aus.

EuGH wegweisend: 

Hintergrund dieses nunmehr sehr PKW-Eigentümer-freundlichen Urteils ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von März 2023. Nach diesem Urteil dürfen die Rechtsvorschriften der einzelnen EU-Länder, also das nationale Recht, es nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, für den dem Käufer entstandenen Schaden durch Abgasmanipulationen einen angemessenen Ersatz zu erhalten. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof die EU-Regeln zur Typengenehmigung – also die Voraussetzungen zur Zulassung von PKW innerhalb der EU -als sogenanntes Schutzgesetz zugunsten der PKW-Käufer eingestuft. Es sind also nicht lediglich allgemeine Regeln, welche nur die Voraussetzungen zur Typengenehmigung beschreiben. Sondern bei Verletzung dieser Regeln kann ein betroffener Käufer eines manipulierten PKW Schadenersatz aus diesen Regeln für sich selbst herleiten.

Und nach deutschem Recht genügt bei der Verletzung von solchen Schutzgesetzen bereits das fahrlässige Handeln des Pkw-Herstellers, um Schadenersatz verlangen zu können.

Involvierte Motoren und Hersteller:

Thermofenster in verschiedenen technischen Ausführungen sind verbaut unter anderem in den neueren, dem 1. VW-Skandal folgenden, VW-Motoren des Typs EA 288 und in modernen Audi - und Mercedes-Motoren auch mit der Abgasnorm Euro6.

Geheime Papiere der Robert Bosch GmbH, Ende letzten Jahres veröffentlicht, belegen Übrigens, dass ca. 40 Abschalteinrichtungen mit verschiedensten Funktionen unter anderem zur Erkennung des Abgas-Prüfstands und zur entsprechenden Anpassung der Abgas-Werte, vielen großen Autokonzernen zur Verfügung gestellt wurden.

Abschalteinrichtung illegal?:

Auch unter den Begriff des Thermofensters fällt eine Vielzahl technischer Varianten. Welche dieser Varianten tatsächlich eine illegale Abschalteinrichtung ist, muss jeweils individuell und gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigen in einem Klageverfahren entschieden werden. Jedenfalls hat der Europäische Gerichtshof auch hierzu Ende des Jahres 2022 PKW-Käuferfreundlich geurteilt: Grundsätzlich sind alle Abschalteinrichtungen illegal, die dafür sorgen, dass sich die Emissionen auf dem Prüfstand anders darstellen als im Straßenbetrieb. Dies gilt insbesondere für solche Thermofenster, welche die Abgasrückführung bereits bei Temperaturen von unter 15 °C herunterregeln - was zu mehr Schadstoffausstoß führt. Denn 15 °C und weniger ist ein Temperaturbereich, welcher in Europa üblich ist. Nur dann, wenn ein solches Thermofenster ausschließlich zur Vermeidung gravierender Motorschäden oder Unfallgefahren dienen würde, könnte es zulässig sein, so der Europäische Gerichtshof. Der Nachweis hierfür liegt beim Hersteller.

Höhe der Geldentschädigung:

Anders als bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung steht bei fahrlässigem Handeln den PKW-Eigentümern nicht das Recht zu, den Pkw dem Hersteller zu übergeben und den bezahlten Kaufpreis zu erhalten abzüglich Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer. Vielmehr besteht hier ein Anspruch auf Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5 % und höchstens 15 % des Kaufpreises, so das Urteil des Bundesgerichtshofs. Auch hier muss sich der Pkw-Eigentümer die Nutzungsvorteile für von ihm gefahrenen Kilometern anrechnen lassen.


Fazit und Empfehlung:

Diese neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eröffnet völlig neue Ansprüche für hunderttausende von Fällen, in welchen ein Nachweis, dass der Hersteller bewusst unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut hat, nicht gelingen könnte.

Grundsätzlich, so zeigt die Erfahrung, darf vermutet werden, dass ein entsprechendes Bewusstsein bei den Herstellern vorliegt.

Die Zielrichtung bei Schadenersatzansprüchen sollte deshalb nicht von Beginn an sein, "nur" eine Geldentschädigung zwischen 5 % und 15 % des Kaufpreises zu fordern. Nach wie vor ist die  Durchsetzung von Ansprüchen, welche auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises an den Käufer gegen Übergabe des PKW an den Hersteller ausgerichtet sind, erfolgversprechend.

Mit neuem Rückenwind des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesgerichtshofs und unter Berücksichtigung der geheimen Dokumente der Robert Bosch GmbH über Ausgestaltung von Abschalteinrichtungen und die Kunden dieser Abschalteinrichtungen stehen vom Abgas-Betrug betroffenen PKW-Eigentümern heute beste Chancen zu, zu ihrem Recht und ihrem Geld zu kommen.

Wer also seinen alten Diesel-PKW loswerden möchte, ohne erhebliche finanzielle Einbußen bei einem Verkauf zu erleiden, dem wird empfohlen, seine Ansprüche gegen den Hersteller prüfen zu lassen. Und seine Ansprüche durchzusetzen, wenn die Voraussetzungen vorliegen.   

    

Die Anwaltskanzlei Fehrenbach, in Bürogemeinschaft mit Sozietät Dölle & Kollegen und mit den Standorten Waldshut-Tiengen am Hochrhein, Freiburg im Breisgau und Todtnau im Schwarzwald, prüft Ihre Ansprüche individuell und vertritt Sie außergerichtlich und vor Gericht, nicht nur im südbadischen Raum, auch deutschlandweit.


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