Digitales Erbe durchsetzen - Der Erbe und Tinder

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Zum Nachlass gehört der vollständige Zugriff auf die Benutzerkonten der üblichen als "Social Media" bezeichneten digitalen Konten.

Diese Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof in 2020 (BGH) getroffen und eine Art "lex Facebook" geschaffen. (Beschl. v. 27.08.2020, Az. III ZB30/20).

Der Hintergrund: Die Eltern eines verstorbenen Mädchens forderten von Facebook den Zugang zu dessen Konto, um mögliche Hinweise auf einen Suizid zu finden. Facebook übermittelte den Eltern daraufhin einen USB-Stick mit einem PDF-Dokument, auf dem sich die Kommunikationsinhalte der Tochter befanden. Doch das genügte den Eltern nicht. Sie forderten einen "richtigen" Zugang zum Konto und verhängten eine Klage. Das Landgericht Berlin gab den Eltern Recht und verhängte ein Zwangsgeld gegen Facebook, doch das Kammergericht hob den Beschluss wieder auf. Schließlich musste der BGH eine praxisorientierte Entscheidung treffen.

Der BGH stellte klar, dass die Übergabe des USB-Sticks mit dem PDF-Dokument nicht seinen Anforderungen entspricht. Facebook müsse den Erben nicht nur Zugang zu den Kommunikationsinhalten gewähren, sondern noch mehr. Die Erben müssten auch die Möglichkeit haben, vom Benutzerkonto selbst und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis zu nehmen, wie es die ursprüngliche Kontoberechtigte konnte.

Denn zwischen dem verstorbenen Mädchen und Facebook bestünde ein Vertragsverhältnis, dessen Nutzungsvertrag mit seinen Rechten und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangen sei. Daher bestünde ein Primärleistungsanspruch der Eltern auf Zugang zu dem Benutzerkonto ihrer Tochter. Gesetzliche Grundlage dafür ist § 1922 I BGB.

Diese Entscheidung des BGH ist wegweisend für den digitalen Nachlass und zeigt, dass der digitale Nachlass den Erben gehört und dass diese einen Anspruch auf Zugang und Einblick in digitale Konten und Daten haben.

Achtung: Folgt man der BGH-Rechtsprechung haben die Erben Zugang zu allen Konten, die der Erblasser eröffnet hat. Dies betrifft auch Dating Apps, Videoplattformen wie Youtube und Streamingdienste. 

Der Erblasser ist daher gut beraten, wenn er den Zugang zu den Plattformen selbst regelt. Dies entweder, weil er sich den Zugang bei diesen wünscht oder, weil er vermeiden möchte, dass nach seinem Versterben die sich die Erben ein Bild über das meist höchstpersönliche Surfverhalten machen. 

Denkbar wäre, dass man im Testament Anordnungen trifft, welche Zugänge vererbt werden, ob es Zugangsbeschränkungen geben soll, oder wie sonst mit dem digitalen Nachlass verfahren werden soll.        

Foto(s): ASRA

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