Drohung mit Krankschreibung – fristlose Kündigung gerechtfertigt?

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Die Schichteinteilung kann leicht einen Anlass für Konflikte im Betrieb bieten. Dies gilt insbesondere, wenn Arbeitnehmer Beruf und Familie unter einen Hut bringen müssen. Darf man aber als Arbeitnehmer mit einer Krankschreibung drohen, wenn man nicht zu den gewünschten Schichten eingeteilt wird? Und ist es eine angemessene Reaktion des Arbeitgebers, wenn er aufgrund einer solchen Drohung fristlos kündigt? Mit diesen Fragen musste sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern beschäftigen.

Darum ging es in dem Verfahren

Die Klägerin arbeitete seit ca. 10 Jahren als Verkäuferin bei einer Bäckerei. In der Filiale der Bäckerei, wo sie eingesetzt war, kam es zu Spannungen zwischen den Mitarbeiterinnen. Der Konflikt eskalierte schließlich aufgrund eines Schichtplans. Die Verkäuferin hatte angegeben, in der betreffenden Woche nur die Frühschicht übernehmen zu wollen. Denn nach der Spätschicht hätte sie keine Zeit mehr, ihr Kind von der KiTa abzuholen. Die Filialleiterin erfüllte diesen Wunsch nicht; sie teilte die Verkäuferin vielmehr die ganze Woche zur Spätschicht ein. Daraufhin teilte ihr die Verkäuferin über WhatsApp mit, sie werde definitiv keine Spätschicht übernehmen und in der betreffenden Woche krankgeschrieben sein. Etwa eine Woche später legte sie ein Attest über eine nicht näher beschriebene depressive Episode in der betreffenden Woche vor. Am selben Tag kündigte sie fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. Daraufhin kündigte der Geschäftsführer ihr ebenfalls am selben Tag – allerdings fristlos. Dagegen klagte die Verkäuferin.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts 

Das LAG sah den Fall genauso wie das Arbeitsgericht Schwerin in der Vorinstanz: Die Verkäuferin hätte nicht mit der Krankschreibung drohen dürfen. Sie war als Arbeitnehmerin zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers verpflichtet. Insbesondere durfte sie nicht damit drohen, ihre Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu missbrauchen. Dadurch wurde das Vertrauen des Arbeitgebers in ihre Redlichkeit und Loyalität erheblich erschüttert. Diese schwere Pflichtverletzung stellt grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB dar.

Allerdings war es dem Arbeitgeber im konkreten Fall ausnahmsweise zuzumuten, das Arbeitsverhältnis mit der Verkäuferin bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist der Eigenkündigung weiterlaufen zu lassen. Denn der Arbeitsvertrag der Verkäuferin bestand schon seit vielen Jahren; es hatte bisher nie Probleme gegeben. Darüber hinaus betrug die Differenz zwischen fristloser Kündigung und Ende der Kündigungsfrist nur ca. einen Monat. Es handelte sich also um einen überschaubaren Zeitraum. Im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen sofortiger Beendigung und Abwarten der Kündigungsfrist überwog daher das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung nicht. Somit war die außerordentliche Kündigung unwirksam. Das Arbeitsverhältnis endete stattdessen wenig später mit der Eigenkündigung der Verkäuferin.

Fazit

  • Die Drohung mit einer Krankschreibung stellt einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB dar.
  • Trotzdem muss stets eine Abwägung im Einzelfall erfolgen. Diese kann unter Umständen ergeben, dass das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin aufgrund einer Eigenkündigung bald endet.

Zum Hintergrund

Die fristlose Kündigung ist an besonders hohe Voraussetzungen geknüpft:

Es müssen wie bei jeder Kündigung bestimmte allgemeine Standards eingehalten werden, z.B. muss die Kündigung schriftlich erfolgen. Auch hat der Arbeitgeber den Betriebsrat anzuhören.

Die Besonderheit bei der fristlosen Kündigung: Es muss ein sog. wichtiger Grund bestehen. Diesen prüft das Gericht in Teilschritten:

  • Liegt ein wichtiger Grund an sich vor? Wichtige Gründe an sich sind z.B. Straftaten zulasten des Arbeitgebers.
  • Ergibt die Interessenabwägung im Einzelfall, dass das Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse an dessen Fortsetzung überwiegt? Dabei werden alle Umstände der konkreten Situation berücksichtigt, etwa das Gewicht und die Auswirkungen der konkreten Handlung, der Grad der Vorwerfbarkeit, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen bisheriger Verlauf. Hier bieten sich Arbeitnehmern oft gute Verteidigungschancen.

Sobald der Arbeitgeber von dem wichtigen Grund erfährt, hat er zwei Wochen Zeit, um die Kündigung zu erklären. Anschließend kommt allenfalls noch eine fristgerechte Kündigung in Betracht.

Bei einer fristlosen Kündigung endet das Arbeitsverhältnis grundsätzlich sofort. Der Arbeitnehmer kann gegen die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage vorgehen. Achtung: Dies kann er nur innerhalb von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung tun!

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 04.05.2021, Az.: 5 Sa 319/20


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