Kündigung von älteren Arbeitnehmern – deshalb sind Sie gut geschützt

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Arbeitnehmer über 50 haben es auf dem Arbeitsmarkt meist nicht leicht. Ihre jüngeren Kollegen werden bei Stellenausschreibungen oft bevorzugt. Daher schützt das Gesetz ältere Arbeitnehmer besonders.

In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, wie Sie als älterer Arbeitnehmer vor Kündigungen geschützt sind und was Sie bei einer Kündigung sonst noch beachten müssen.

1  Sind ältere Arbeitnehmer unkündbar?

2  Haben ältere Arbeitnehmer eine längere Kündigungsfrist?

3  Werden ich bei einer betriebsbedingten Kündigung bevorzugt?

4  Bin ich auch bei anderen Kündigungsgründen bessergestellt?

5  Erhalte ich eine Abfindung?

  • Wann bekomme ich eine Abfindung?
  • Wie hoch ist die Abfindung?

6  Bekomme ich Arbeitslosengeld?

7  Was tun bei Kündigung?

8  Fazit


1  Sind ältere Arbeitnehmer unkündbar?

Die schlechte Nachricht: Kein Gesetz verbietet ausdrücklich die Kündigung von älteren Arbeitnehmern. Das heißt aber nicht, dass deren Kündigung nicht deutlich erschwert ist! Auch wenn es keine allgemeingültige Vorschrift gibt, finden sich entsprechende Regelungen häufig in Tarifverträgen.

Beispiele:

  • In § 34 Abs. 2 TVöD (Tarifertrag für den öffentlichen Dienst) steht, dass im Tarifgebiet West Arbeitnehmern ab 40 (!) Jahren, die seit mehr als 15 Jahren im Betrieb beschäftigt sind, nicht ordentlich gekündigt werden darf.
  • Viele Tarifverträge der IG Metall legen fest, dass Mitarbeiter über 53 Jahre in der Regel unkündbar sind.

Achtung: Eine außerordentliche Kündigung bleibt trotzdem möglich!

Außerdem werden ältere Arbeitnehmer vom Gesetz auf andere Weise geschützt, etwa bei Kündigungsfristen, Sozialauswahl, Abfindung und dem Arbeitslosengeld. Diese gesetzlichen Regelungen stellen wir Ihnen in den folgenden Abschnitten näher vor.


2  Haben ältere Arbeitnehmer eine längere Kündigungsfrist?

Bei der Kündigungsfrist sind ältere Arbeitnehmer klar im Vorteil. Denn gem. § 622 Abs. 2 BGB ist die Länge der Kündigungsfrist abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Und die ist bei älteren Arbeitnehmern zwar nicht immer, aber in der Regel länger als bei jüngeren Kollegen.

Beispiel: A ist 35 Jahre alt und seit einem Jahr im Betrieb beschäftigt. Seine Kündigungsfrist beträgt daher gem. § 622 Abs 2. Nr. 1 BGB einen Monat. B ist 55 und seit 21 Jahren im Betrieb tätig. Ihm kann daher gem. § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB nur mit einem Vorlauf von sieben Monaten gekündigt werden. Im Extremfall – wie hier – geht es also um einen Fristunterschied von einem halben Jahr!


3  Werde ich bei einer betriebsbedingten Kündigung bevorzugt?

Außer in Kleinbetrieben mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern und innerhalb der Wartezeit von sechs Monaten ist der Arbeitnehmer durch das Kündigungsschutzgesetz geschützt. Der Arbeitgeber muss dann einen Kündigungsgrund haben. Dieser kann betriebs-, verhaltens- oder personenbedingt sein.

Von einer betriebsbedingten Kündigung spricht man, wenn der Arbeitgeber z.B. aus wirtschaftlichen Gründen Arbeitnehmer entlässt. Ein Beispiel ist etwa ein Umsatzrückgang oder eine Betriebsumstrukturierung. Es werden vom Gesetz und von den Gerichten aber strenge Voraussetzungen an die betriebsbedingte Kündigung gestellt.

Beispiel: Der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers muss dauerhaft wegfallen und es dürfen keine anderweitigen Einsatzmöglichkeiten für ihn im Betrieb bestehen.

Zudem muss der Arbeitgeber eine korrekte Sozialauswahl treffen. Innerhalb einer Gruppe von vergleichbaren Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber (zunächst) diejenigen Mitarbeiter entlassen, die am wenigsten schutzwürdig sind. Dies bestimmt sich nach folgenden Kriterien:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit,
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

Hierbei sind ältere Arbeitnehmer im Vorteil, da sie neben einem höheren Lebensalter in der Regel auch eine längere Betriebszugehörigkeit, zusätzliche Unterhaltspflichten und mitunter leider auch gesundheitliche Einschränkungen haben.

Beispiel: Im Betrieb arbeiten A und B. A ist 26 Jahre alt und arbeitet seit 3 Jahren im Betrieb. Er ist ledig und nicht schwerbehindert. B ist hingegen 52 Jahre alt und arbeitet seit 20 Jahren in der Abteilung. Er ist verheiratet und hat 3 Kinder, von denen eines minderjährig ist. Schwerbehindert ist auch er nicht. Trotzdem würde die Kündigung den B deutlich härter treffen als den A. Daher muss der Arbeitgeber zuerst den A betriebsbedingt entlassen.

Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in seltenen Ausnahmefällen möglich, z.B. um eine ausgewogene Altersstruktur im Betrieb zu erhalten. Und auch hier kommt es im Einzelfall auf die Details an.

Insgesamt ist die Sozialauswahl für den Arbeitgeber sehr aufwendig und fehleranfällig. Daher können ältere Arbeitnehmer vor Gericht oft erfolgreich gegen ihre betriebsbedingte Kündigung vorgehen.


4 Bin ich auch bei anderen Kündigungsgründen bessergestellt? 

Neben der betriebsbedingten Kündigung kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen entlassen.

Bei der verhaltensbedingten Kündigung liegt der Kündigungsgrund in einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers.

Beispiele:

  • Der Arbeitnehmer erscheint regelmäßig nicht oder stark verspätet zur Arbeit.
  • Der Arbeitnehmer bestiehlt den Arbeitgeber.

Die personenbedingte Kündigung erfasst Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen und die er nicht (direkt) beeinflussen kann.

Beispiel: Der Arbeitnehmer erkrankt schwer und ist arbeitsunfähig.

Bei der verhaltens- und personenbedingten Kündigung findet im Unterschied zur betriebsbedingten Kündigung keine Sozialauswahl statt.

Allerdings muss bei jeder Kündigung eine Interessenabwägung erfolgen. Das Interesse des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz wird mit dem Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgewogen. Diese Abwägung berücksichtigt alle Umstände des Einzelfalls. Daher sind in diesem Rahmen auch das Alter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers für die Zulässigkeit der Kündigung relevant. Das heißt bei der verhaltensbedingten Kündigung, dass der Arbeitgeber dem unbescholtenen älteren Arbeitnehmer einen „Ausrutscher“ eher verzeihen muss als seinem jüngeren Kollegen. Auch bei der personenbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber bei einem älteren Arbeitnehmer mehr Geduld beweisen als bei jüngeren Mitarbeitern, die weniger lang für den Betrieb arbeiten und/oder bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.


5  Erhalte ich eine Abfindung?

Eine Abfindung dient dazu, die finanziellen Nachteile einer Kündigung zu verringern und dem Arbeitnehmer die Zeit bis zur nächsten Arbeitsstelle zu erleichtern.

+ Wann bekomme ich eine Abfindung?

Man bekommt bei einer Kündigung nicht automatisch eine Abfindung. Es gibt aber verschiedene Wege, trotzdem eine stattliche Summe zu erhalten:

  • In der Praxis der häufigste Fall: Sie einigen sich mit dem Arbeitgeber im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor Gericht und schließen einen sog. Vergleich, der eine Abfindungszahlung enthält.
  • Sie können mit dem Arbeitgeber aber auch vor oder nach der Kündigung einen individuellen Vertrag schließen, in welchem eine Abfindung festgelegt wird (Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag).
  • Bei einer betriebsbedingten Kündigung gibt es oft einen Sozialplan, der Abfindungen vorsieht. Achtung: Es kommt auf den Einzelfall an, ob die Sozialplanabfindung vorteilhafter ist als eine individuell ausgehandelte Abfindung.
  • Wenn Sie bei einer betriebsbedingten Kündigung nicht klagen, können Sie einen Abfindungsanspruch aus § 1 a KSchG haben. Dies gilt aber nur, wenn der Arbeitgeber sich in der Kündigungserklärung bereits zur Zahlung bereiterklärt hat.


  •  Wie hoch ist die Abfindung?

Als erste Orientierungshilfe dient in der Praxis folgende Formel:

0,5 x Monatsgehalt (brutto) x Anzahl der Beschäftigungsjahre

Bereits nach dieser Berechnungsmethode stehen ältere Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit in der Regel gut da.

Beispiel: A und B verdienen beide monatlich 5.000€. A ist 25 Jahre alt und arbeitet seit 3 Jahren im Betrieb; B ist 50 und arbeitet seit 15 Jahren im Betrieb. Die Abfindung des A beträgt (0,5 x 5.000€ x 3 =) 7.500€. Die Abfindung des B beläuft sich auf (0,5 x 5.000€ x 15 =) 37.500€.

Es handelt sich – wie bereits erwähnt – nur um eine Faustformel. Die Abfindung kann im Einzelfall deutlich höher ausfallen als nach der Formel. In den meisten Fällen hängt die Höhe der Abfindung von Ihrem Verhandlungsgeschick ab. Sie sollten daher unbedingt einen Rechtsanwalt aufsuchen, der Sie gegenüber Ihrem Arbeitgeber vertritt und Sie bei den Verhandlungen unterstützt.

Da das Prozessrisiko für den Arbeitgeber bei der Kündigung älterer Arbeitnehmer besonders hoch ist, ist er ihnen gegenüber auch häufig zu höheren Zahlungen bereit. Sie befinden sich also in einer optimalen Verhandlungsposition!


6  Bekomme ich Arbeitslosengeld?

Falls die Kündigung nicht verhindert werden kann, haben Betroffene Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Die Berechnung der Anspruchsdauer ist meist günstig für ältere Arbeitnehmer. Denn nach § 147 SGB III (3. Sozialgesetzbuch) sind die Dauer der Beschäftigung vor der Arbeitslosigkeit und das Lebensalter die relevanten Kriterien. Jüngere Arbeitnehmer können maximal 12 Monate Arbeitslosengeld beziehen, ältere hingegen bis zu 24 Monaten (also doppelt so lange!).

Beispiele:

  • A ist 51 und ist seit 3 Jahren Arbeitnehmer. Er hat nach § 147 Abs. 2 SGB III für 15 Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld.
  • B ist 60 und hat bis zur Kündigung 5 Jahre gearbeitet. Er hat Anspruch auf Arbeitslosengeld für 24 Monate.

Beachten Sie aber, dass sich eine freiwillige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag sowie eine Abfindung unter Umständen negativ auf das Arbeitslosengeld auswirken. Sie sollten sich daher im Einzelfall stets von einem Anwalt beraten lassen, welcher Ihnen die sozialversicherungsrechtlichen Folgen näher erläutern wird.


7  Was tun bei Kündigung?

Wie immer gilt bei einer Kündigung: Handeln Sie schnell! Denn eine Kündigungsschutzklage ist nur innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung möglich. Sonst gilt die Kündigung als wirksam, auch wenn sie eigentlich nicht rechtmäßig war.

Daher rate ich Ihnen, sich schnellstmöglich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu wenden. Dieser wird zusammen mit Ihnen das optimale Vorgehen festlegen und Ihren Arbeitsplatz retten oder aber zumindest eine Abfindung aushandeln.


8  Fazit

  • Arbeitnehmer über 50 sind nicht unkündbar, werden aber vom Gesetz in vielerlei Hinsicht besonders geschützt.
  • Je länger das Arbeitsverhältnis besteht, desto länger ist die Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung.
  • Bei der Sozialauswahl im Falle einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber zugunsten älterer Arbeitnehmer besonders auf Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen achten. Zudem machen Arbeitgeber hier oft Fehler.
  • Bei verhaltens- oder personenbedingten Kündigungen sind in der Interessenabwägung die besonderen Lebensumstände älterer Arbeitnehmer im Einzelfall entsprechend zu berücksichtigen.
  • Bei der Abfindung können ältere Arbeitnehmer auf eine besonders hohe Summe hoffen.
  • Ältere Arbeitnehmer können im Vergleich zu ihren jüngeren Kollegen in der Regel für einen deutlich längeren Zeitraum Arbeitslosengeld beziehen.
  • Lassen Sie bei einer Kündigung keine Zeit verstreichen und wenden Sie sich schnellstmöglich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht!
Foto(s): ©Pexels/Andrea Piacquadio

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