Dumm gelaufen: Kündigungsschutzklage gewonnen und beim Annahmeverzugslohn in die Röhre geschaut

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Das BAG hatte am 27. 05.2015 (5 AZR 88/14) über einen Fall entschieden, der alles in allem 7,5 Jahre dauerte.

Der Kläger war ein Mann, der seit 1990 bei einer Bundesbehörde tätig war. Er war ordentlich aufgrund seines Lebensalters und der langen Betriebszugehörigkeit unkündbar. Zum einen unterlag er dem TVöD und war zum anderen schwerbehindert. Da er beim Verfassungsschutz tätig war, benötigte er zur Ausübung seines Jobs die Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen nach dem SÜG. Diese Ermächtigung wurde ihm aus hier nicht weiter zu erwähnenden Gründen im Jahr 2003 rechtskräftig entzogen. Ihm wurde am 30.06. 2006 außerordentlich zum 31.03. 2007 gekündigt. Er klagte sich durch die Instanzen bis zum BAG und zurück. 2012 gab ihm das LAG recht. Man befand, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet sei und verurteilte den Arbeitgeber

„den Kläger über den 31.03.2007 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsvertrag als Angestellten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen“ (Quelle:Urteil des BAG vom 27.5.2015)

Der Arbeitgeber musste reagieren und der Mann wurde mit Datum 01.08.2013 in der Bundespolizeiabteilung eingesetzt. Nun verlange der Annahmeverzugslohn ersatzweise Schadenersatz für die Zeit von Februar 2006 bis Juli 2013 in Höhe von 400.000 €. Zieht man Zwischenverdienst und ALG ab, bleiben immer noch 200.000 € stehen.

Er machte geltend, dass er nicht auf die Tätigkeit beim Verfassungsschutz, für die ihm ja die Ermächtigung entzogen worden war, beschränkt war. Sein Arbeitgeber hätte ihm auch jede andere Stelle zuweisen können. Der Tarifvertrag enthielt dazu eine entsprechend weit reichende Versetzungsklausel. Auch habe er deutlich gemacht, dass er weiterarbeiten wollte. Der Kläger verlor diesen Prozess in allen drei Instanzen. Das BAG begründete das wie folgt:

  • der Arbeitgeber muss nur dann zahlen, wenn der Arbeitnehmer auch im Stande gewesen wäre, die Arbeitsleitung zu erbringen. War er aber nicht, da ihm die für die Tätigkeit notwendige Ermächtigung nach SÜG entzogen wurde.

  • Wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, die Tätigkeit nicht mehr ausüben kann, besteht kein Anspruch auf Schadenersatz.

  • Die Bereitschaft des Klägers, jegliche andere Tätigkeit zu verrichten, betraf nicht die zu bewirkende Arbeitsleitung. Die zu bewirkende Arbeitsleistung ist das, was der Arbeitgeber dem Kläger einst per Weisung zugewiesen hatte. Dies war vorliegend geschehen und ganz eng umrissen. Der Arbeitnehmer kann aber nicht die Weisung des Arbeitgebers erweitern, indem er selbst andere Tätigkeiten anbietet.

  • Der Arbeitgeber ist dann gehalten, dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen hin eine andere Arbeit zuzuweisen. Der Arbeitgeber muss also auf Verlangen sein Direktionsrecht neu ausüben. Jedoch ist der Arbeitnehmer dafür darlegungs- und beweispflichtig. Diesen Beweis konnte der Mann nicht antreten. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast verhält es sich hier umgekehrt zum Kündigungsschutzprozess. Dort muss der Arbeitgeber das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit beweisen.

  • Der Arbeitnehmer hätte in der internen Stellenausschreibung ganz konkrete und von dem Versetzungsrecht in seinem Arbeitsvertrag umfasste Stellen bezeichnen und seinen Einsatz auf diesen Stellen vom Arbeitgeber fordern müssen. Das hätte er dann zur Überzeugung des Gerichts auch in den Prozess einführen müssen. Hat er aber nicht. Der Kläger blieb pauschal dabei, es gäbe genug Stellen im gesamten Bundesgebiet.

  • Der Sieg im Kündigungsschutzprozess half dem Kläger hier auch nicht. Er hatte ja nur gewonnen, weil sein Arbeitgeber die Beweislast getragen hatte und das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht nachweisen konnte, nicht etwa deshalb weil das LAG festgestellt hatte, dass es und wenn ja welche konkrete Beschäftigungsmöglichkeit es beim Arbeitgeber gab.

  • Der oben zitierte Weiterbeschäftigungsanspruch „zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsvertrag ...“ ist leider auch nicht vollstreckbar, weil er nicht bestimmt genug ist. Unter anderem sei der Inhalt der Beschäftigungspflicht nicht klar. Wenigstens die Art der Beschäftigung hätte aus dem Urteil ersichtlich sein müssen. Im Urteil hätte stehen müssen, wie denn die Bedingungen des Arbeitsvertrages lauteten, wenn schon im Tenor nur auf den Arbeitsvertrag Bezug genommen wurde. Im vorliegenden Fall stand sogar noch „zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages“ im Tenor und in den Entscheidungsgründen war dann zu lesen, dass gerade das nicht möglich war, weil dem Mann die erforderliche Ermächtigung entzogen werden musste.

Was verdeutlicht dieser Fall?

Beide Seiten müssen sich bereits im Kündigungsschutzprozess überlegen, was Annahmeverzugslohn- und Schadenersatzansprüche bedeuten können. Hat der Arbeitnehmer den Kündigungsschutzprozess gewonnen, wird er im Schadensersatz- bzw. Annahmeverzugslohn-Prozess konkret ausführen müssen, wohin er im Unternehmen oder der Behörde versetzt werden kann.


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