EC-Kartenmissbrauch: darf die PIN jetzt doch ins Portemonnaie?

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Inzwischen dürften es wirklich alle wissen: EC-Karte und PIN gehören nicht zusammen ins Portemonnaie. Denn wird die EC-Karte gestohlen und mit der PIN verwendet, ist das Geld ersatzlos weg. Wer aber die PIN verschlüsselt notiert und den Zettel im Portemonnaie aufbewahrt, handelt nicht zwingend grob fahrlässig. Dann muss die Bank das missbräuchlich abgehobene Geld ggf. doch erstatten. Das hat zumindest das Amtsgericht München entschieden (AG München, Urteil v. 02.06.2023, Az.: 142 C 19233/19).

Muss die Bank abgehobenes Geld erstatten?

Im Fall, der vor dem AG München verhandelt wurde, wurde dem Karteninhaber im Italienurlaub seine Geldbörse entwendet. In der Geldbörse befand sich auch seine EC-Karte – sowie ein Notizzettel, auf dem mehrere Telefonnummern vermerkt waren. Außerdem stand auf dem Zettel die PIN der EC-Karte – allerdings in verschlüsselter Form. Zwanzig Minuten nach dem Diebstahl hatten die Diebe bereits 1.000 € vom Konto des Karteninhabers abgehoben. Wenig später ließ dieser die Karte auch schon sperren. Die Bank belastete sein Konto mit den abgehobenen 1.000,00 € sowie Gebühren in Höhe von 11,00 € für die Abhebungen im Ausland.

Der Karteninhaber forderte die Bank zur Erstattung der 1011,00 € auf. Er habe die PIN lediglich in verschlüsselter Form bei sich geführt. Die Verschlüsselung hatte er vorgenommen, indem er die PIN in Primzahlen zerlegt und zusammenhanglos zu den Telefonnummern geschrieben habe. Aus 4438 wurde so 27317. Der Karteninhaber geht davon aus, dass die Diebe nicht mithilfe der PIN, sondern mittels anderer Technik das Geld abheben konnten. Es habe sich bestimmt um Bandenkriminalität gehandelt.

AG München: Bank muss zahlen!

Nach Ansicht des AG München ist die Bank zur Erstattung von 861,00 € verpflichtet. Das ergebe sich aus § 675u Satz 2 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Vom Gesamtbetrag in Höhe von 1011,00 € könne sie lediglich 150,00 € abziehen, da ihr in dieser Höhe ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Schadensersatz gegen den Karteninhaber zustehe (§ 675v Abs. 1 S. 1 BGB alte Fassung – nach neuer Fassung wären es sogar nur noch 50,00 €). Den Rest müsse die Bank erstatten, da der Karteninhaber den Schaden nicht durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung verursacht habe (§ 675v Abs. 2 BGB a. F.).

Anscheinsbeweis zugunsten der Bank?

Die Bank könne sich auch nicht auf den Anscheinsbeweis berufen, dass der Kläger seine EC-Karte zusammen mit der PIN aufbewahrt habe. Dieser Anscheinsbeweis gelte nur in solchen Fällen, in denen die PIN bei missbräuchlichen Abhebungen tatsächlich eingegeben worden wäre. Weil der Karteninhaber das aber bestritten hatte, hätte die Bank wiederum beweisen müssen, dass die Täter die richtige Geheimzahl eingegeben hatten. Das gelang ihr allerdings nicht.

Verschlüsselte PIN darf in die Geldbörse

Das AG München kam zu dem Ergebnis, dass der Karteninhaber seine Pflichten nicht grob verletzt habe. Er habe die PIN derart komplex verschlüsselt, dass es für Dritte unmöglich gewesen sei, auf die echte Zahlenfolge zu kommen. Ohne Kenntnis der Verschlüsselungsmethode sei es geradezu unmöglich, die PIN zu entschlüsseln. Selbst der zum Fall befragte Sachverständige sei beinahe an der Entschlüsselung gescheitert – obwohl ihm die Verschlüsselungsmethode sogar bekannt war. Und schließlich sei noch nicht einmal zu erkennen gewesen, dass die Zahlen auf dem Notizzettel überhaupt eine PIN darstellen sollten.

Was bedeutet das Urteil für die Praxis?

Das Urteil ist weiterhin kein Freibrief dafür, PIN und EC-Karte gemeinsam zu verwahren. Nur für Rechen- und Verschlüsselungskünstler gilt unter Umständen etwas anderes. Auch das ist aber noch nicht abschließend entschieden: die Bank hat gegen das Urteil Berufung beim LG München I eingelegt (Az.: 13 T 817/22).

Haben Sie Fragen zum EC-Kartenmissbrauch oder einen möglichen Erstattungsanspruch? Sprechen Sie mich gerne an! Ich berate Sie rund um das Bank- und Kapitalmarktrecht und vertrete Sie außergerichtlich und vor Gericht. Sie erreichen mich unter der 040/ 413 46 98 97 oder per E-Mail info@cs-ra.de.


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