Ehemann tötet Ehefrau aus Mitleid: Ist das Mordmerkmal der Heimtücke trotzdem erfüllt?

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Das Mordmerkmal der Heimtücke 

Ein Beschuldigter macht sich wegen Mordes strafbar, wenn er einen anderen Menschen heimtückisch tötet. Heimtückisch i. S. d. § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer die auf der Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit einer anderen Person in feindseliger Willensrichtung bewusst zur Begehung der Tat ausnutzt. Arglosigkeit ist dabei gegeben, wenn sich eine Person zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs nicht versieht, also die Vorstellung hat, vor einem Angriff sicher zu sein. Wehrlos ist, wer aufgrund der Arglosigkeit in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und -fähigkeit gänzlich oder stark eingeschränkt ist.

Der Fall 

In seiner aktuellen Entscheidung vom 19. Juni 2019 musste sich der der Bundesgerichtshof mit der Frage beschäftigen, ob bei einer heimtückischen Tötung die erforderliche feindselige Willensrichtung auch dann gegeben ist, wenn der Täter sein Opfer aus Mitleid tötet.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, der sich im Jahr 2018 in Dresden abspielte. 

Vorliegend stand der Angeklagte finanziell vor dem Ruin, da er Spielschulden hatte und seine Miete und den Strom nicht mehr bezahlen konnte. Auch von anderen Unternehmen gingen mehrfach Mahnungen ein. Zudem erwartete er jederzeit die fristlose Kündigung und eine Strafanzeige, da er seine Bareinnahmen als Taxifahrer wiederholt einbehalten hatte, anstatt sie ordnungsgemäß an seinen Arbeitgeber abzuführen. 

Seine 16 Jahre ältere Ehefrau, die physisch sowie psychisch krank war, hatte zuletzt eine Hirnblutung erlitten, weshalb ihr der Pflegegrad zwei zuerkannt worden war. Sie war in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt und war wegen einer Blasenschwäche zudem inkontinent. Aufgrund ihrer physischen Einschränkungen war sie ebenfalls oft deprimiert und niedergeschlagen und nahm Psychopharmaka ein. Sie wusste zwar von den finanziellen Schwierigkeiten, hatte von dem existenzbedrohenden Ausmaß jedoch keine Kenntnis. 

Der Angeklagte wollte seine Ehefrau einer solchen Existenzbedrohung nicht aussetzen, weshalb er den Entschluss fasste, zuerst sie und dann sich selbst zu töten. Er hatte jedoch zu keinem Zeitpunkt mit ihr darüber gesprochen, ob man gemeinsam aus dem Leben scheiden wolle. 

Nachdem seine Ehefrau sich schlafen gelegt hatte, nahm er dann einen Hammer und versetzte ihr neun tödliche Schläge gegen den Kopf. Der darauffolgende eigene Suizidversuch mittels Schlafmitteln blieb jedoch ohne Erfolg.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Das Landgericht Dresden hatte das Mordmerkmal der Heimtücke als nicht verwirklicht angesehen. Der Angeklagte habe seine Ehefrau zwar unter bewusster Ausnutzung ihrer Arg- und Wehrlosigkeit erschlagen, da ihm bei der Ausführung der Schläge klar war, dass sie sich in dem Bewusstsein schlagen gelegt hatte, dass ihr keinerlei Gefahr drohe. Auch habe er bewusst den Umstand ausgenutzt, dass sie aufgrund des Schlafes in ihren Abwehrmöglichkeiten eingeschränkt war. 

Jedoch fehle es an der feindseligen Willensrichtung des Vorgehens, da der Angeklagte im Glauben getötet habe, zum Besten seines Opfers zu handeln. Er habe seiner Ehefrau ein Leben im finanziellen Ruin ersparen wollen und sie vor einem von ihm befürchteten psychischen Zusammenbruch durch die Offenbarung der Wahrheit bewahren wollen.

Dem schloss sich der Bundesgerichtshof jedoch nicht an.

An der erforderlichen feindseligen Willensrichtung könne es bei einem heimtückischen Mord grundsätzlich nur dann mangeln, wenn die Tötung dem ausdrücklichen Wunsch des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht. 

Dafür, dass die Ehefrau der grausamen Tötung vorher zugestimmt hatte, gebe es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Auch habe der Angeklagte bewusst davon abgesehen, seine Ehefrau zu fragen, obwohl diese trotz ihrer körperlichen und seelischen Gebrechen nicht derart beeinträchtigt gewesen war, dass sie zu einer autonomen Willensbildung und -äußerung nicht mehr in der Lage gewesen wäre.

Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs habe im Ergebnis mithin ein Schuldspruch wegen heimtückischen Mordes zu erfolgen, der eine lebenslange Freiheitsstrafe nach sich zieht.

Dies führe in den Fällen des sog. Mitleitmordes in Anbetracht der besonderen Umstände jedoch häufig zu unverhältnismäßig harten Ergebnissen. Der Bundesgerichtshof vertritt daher die Ansicht, dass anschließend zu prüfen sei, ob aufgrund besonderer schuldmindernder Gesichtspunkte ausnahmsweise eine Berücksichtigung des Tatmotivs auf der Rechtsfolgenseite und eine Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB analog geboten sind.

Das Urteil des Dresdener Landgerichts wurde daher aufgehoben und die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Rechtsanwalt Steffen Dietrich, Fachanwalt für Strafrecht in Berlin


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