Eigenbedarf bei langjährigem Mieter

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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 03.02.2021, Az. VIII ZR 68/19, entschieden, dass eine langjährige Mietdauer alleine noch nicht ausreichend sei, um auf eine tiefe Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache zu schließen.  


Der Fall

Die Beklagte lebte zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens bereits über 18 Jahre in der Mietwohnung. Die Klägerin kündigte ihr wegen Eigenbedarf. Diese wollte statt weiterhin zusammen mit ihrem Sohn zur Miete alleine in der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung leben. Die beklagte Mieterin hatte der Kündigung, unter anderem mit Verweis auf ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache, widersprochen und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt (§§ 574, 574a BGB). 

Entscheidung des Bundesgerichtshofs 

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass eine langjährige Mietdauer für sich genommen noch nicht auf eine tiefe soziale Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache schließen lasse. Die Entstehung einer tiefen sozialen Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache hänge maßgeblich von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab. Gegebenheiten, die für eine tiefe soziale Verwurzelung sprechen seien unteranderem die folgenden: 

  • soziale Kontakte in der Nachbarschaft 
  • Einkäufe für den täglichen Lebensbedarf in der näheren Umgebung 
  • Teilnahme an kulturellen, sportlichen oder religiösen Veranstaltungen in der Nähe seiner Wohnung 
  • Inanspruchnahme von medizinischen oder anderen Dienstleistungen in seiner Wohnumgebung 

Ferner führe eine tiefe soziale Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache nicht automatisch zur Bejahung einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB. Könne diese festgestellt werden, seien im nächsten Schritt die konkreten Folgen, die sich aus der sozialen Verwurzelung im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels für den Mieter ergeben würden, zu ermitteln. 

Im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB durchzuführenden Abwägung der gegenläufigen Interessen seien die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls maßgeblich. Es sei unzulässig, bestimmten Belangen unabhängig vom Einzelfall grundsätzlich ein größeres Gewicht als den Belangen der anderen Partei beizumessen. 


Fazit

Der Vermieter kann grundsätzlich auch einem langjährigen Mieter noch erfolgreich wegen Eigenbedarfs kündigen. Denn eine langjährige Mietdauer bedeutet nicht zwangsläufig eine tiefe soziale Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache. Des Weiteren bedeutet selbst das Vorliegen dieses Umstands nicht, dass automatisch eine Härte vorliegt, aufgrund der Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann. Denn bei der gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.

Die Autorin ist in den Bereichen Mietrecht und Sozialrecht tätig.


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