Ein Einschreiben aus Polen – wie soll ich mich verhalten?

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Sehr viele Anfragen an meine Kanzlei folgen einer Zustellung von einem amtlichen oder gerichtlichen Einschreiben aus Polen. Der eingeschriebene Brief wird nicht selten überraschend – man erfährt plötzlich von einem Gerichtsverfahren, etwa von einem Erbfall einer längst vergessenen, im Ausland lebenden Tante oder oder sogar von einer vorläufigen Entscheidung wegen Sachmängel, die nach Deutschem Recht längst verjährt wären. Wie soll ich mich dann verhalten?

Der erste und wichtigste Ratschlag ist solche Sendung keinesfalls ignorieren. Denn im polnischen Justizsystem werden die Fristen sehr stark gehandhabt – wer z. B. keine Klageerwiderung binnen eines vorgeschriebenen Zeitraumes einreicht, muss mit negativen Konsequenzen, inklusive mit einem sofort-vollstreckbaren Säumnis Urteil, rechnen. Dies scheint zwar selbstverständlich zu sein, aber ca. 30 % der Mandanten haben den ersten Brief des polnischen Gerichts ignoriert. 

Zweitens, lesen Sie den Inhalt der Sendung um festzustellen worum es geht oder gehen mag. Selbst wenn es mit einer potenziellen emotionalen Belastung verbunden ist, wie etwa bei einer Unterhaltserhöhungsklage einmaliger Partnerin und von Ihrem in Polen lebenden Kind.

Was ist jedoch zu tun wenn die Sendung nur auf Polnisch verfasst ist? Hier, solange es um eine zivil oder handelsrechtliche Angelegenheit geht und Sie nachweisen können, dass Sie kein Polnisch verstehen, steht Ihnen ein im EU-Recht verankertes Recht zu, die Annahme solcher Sendung zu verweigern, bzw. binnen zwei Wochen ab der Zustellung diese Annahmeverweigerung gegenüber der s.g. Empfangsstelle[1] in Deutschland schriftlich zu erklären. Solche Empfangsstelle (also meistens Amtsgericht in Deutschland) soll Sie schriftlich unter Verwendung des „Formblatts L“ darüber klar belehren[2].

Bei strafrechtlichen Angelegenheiten dagegen - solange Sie ein Beschuldiger in Polen sind - steht Ihnen ein Recht auf einen Dolmetscher sowie auf Übersetzung zu. Dies ist schon direkt in polnischer Strafprozessordnung festgelegt[3]. Wird dies missachtet, sollten Sie sofort schriftlich (nicht per Email oder Fax!) dagegen Einspruch erheben. 

Drittens, nehmen Sie zu diesem Einschreiben innerhalb der vorgeschriebenen Frist Stellung. In einigen Fällen werden die es wohl selbst schaffen können, in anderen steht Ihnen unsere Kanzlei zur Verfügung. Oft wird dann eine Akteneinsicht ratsam. Daher warten Sie bitte nicht bis zum letzten oder vorletzten Tage ehe Sie sich entscheiden einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, denn so etwas wie „Fristverlängerung“, verbreitet als formloser Antrag bei Deutschen Rechtsanwälten oder Steuerberater kennen die Polnische Rechtsordnung leider kaum…

[1] Als Empfangsstellen werden im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/1784 sind laut § 1069 ZPO zuständig:

1. für gerichtliche Schriftstücke das die Zustellung betreibende Gericht und

2. für außergerichtliche Schriftstücke dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk die Person, welche die Zustellung betreibt, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; bei notariellen Urkunden auch dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk der beurkundende Notar seinen Amtssitz hat; bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts der Sitz; die Landesregierungen können die Aufgaben der Übermittlungsstelle einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zuweisen.

[2] Vgl. Art. 12 Abs. 3 der EU Verordnung 2020/1784 vom 25. November 2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken).

[3] Vgl. Art. 72 Abs. 1 polnischer Prozessordnung. Wenn Sie als Nebenkläger tätig werden, sollen Ihnen bestimmte Unterlangen samt vereidigten Übersetzung zugestellt werden, etwa die Begrünung des Endurteils – Vgl. Art. 60a polnischer Strafprozessordnung.

Foto(s): Marcin Byczyk


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