Ende des Gießkannenprinzips bei Kontakt- und Umgangsregelungen durch Betreuer! – Neue Regelung seit 1. Januar 2023

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Im Rahmen der Betreuungsrechtsreform, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, wurde ein neuer § 1834 BGB eingeführt, der die Befugnis des Betreuers, Kontakt und Umgang zu bestimmen deutlicher regelt.

Die Regelung ist neu im Betreuungsrecht und ersetzt die bisherige Verweisung über § 1908 Abs. 1 Satz 1 auf § 1632 BGB, welche die Herausgabeansprüche von Sorgeberechtigten bei Kindern und Jugendlichen regelte. Die neue Vorschrift greift viele Aspekte auf, die in Literatur und Rechtsprechung bereits im Rahmen des alten Rechtszustands entwickelt wurden.

Allerdings gab es schon in der Vergangenheit Unterschiede zwischen den grundlegenden Ideen des Betreuungsrechts und der Art, wie es in der Praxis von Betreuern und Beteiligten umgesetzt wurde.

Seit dem 1.1.2023 gibt es ein klares Stoppsignal vom Gesetzgeber für Kontakt- und Umgangsregeln nach dem Gießkannenprinzip.

Die Begrenzung von Umgangskontakten stellt einen erheblichen Eingriff in die Beziehungen und den Lebensalltag der betroffenen Person dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn die betroffene Person diese Kontakte nicht von sich aus begrenzen oder ausschließen möchte.

Die neue Regelung des § 1834 BGB ermöglicht es Betreuern nur noch bei konkreten Gefahren die Kontakte und den Umgang des Betreuten zu bestimmen. Auf die Sympathien oder eine Arbeitserleichterung für den Betreuer kommt es nicht an.

Dabei geht es sowohl um die persönlichen Kontakte und Kommunikation, als auch um Telefonate, Messanger oder jede andere Kommunikation.

Die Grundlage: Umgang und Kontakte darf der Betreuer nur regeln, wenn das Gericht ihm den Aufgabenbereich ausdrücklich zugewiesen hat. Und nach dem heutigen Verständnis des Rechts ist es nicht vertretbar, den Aufgabenkreis der Kontaktregelung oder der Umgangsbestimmung pauschal mit aufzunehmen oder diesen für einen Teil eines Aufenthaltsbestimmungsrechts zu halten.

Aber: Wenn ein Richter dem Betreuer den Aufgabenbereich zugewiesen hat, braucht der Betreuer nicht bei jeder Maßnahme die Genehmigung des Richters. Lediglich nachträglich, soll der Rechtspfleger die Pflichtausübung dann kontrollieren – wenn sich denn jemand beschwert.

Aber auch, wenn der Betreuer den Aufgabenkreis „Umgangsregelung“ hat, kann er nicht nach eigenem Ermessen Verbote oder regeln verhängen. Gut gemeinte therapeutische Maßnahmen oder sogar Versuche zur Erziehung gegen den Willen der betreuten Person – wie sie in der Praxis vorkommen können – sind daher nicht erlaubt, es sei denn, es liegt eine Gefährdung vor.

Die persönlichen Überzeugungen des Betreuers sind nicht ausschlaggebend. Was zählt, ist das Wohl und die Selbstbestimmung der betreuten Person.

Vielmehr steht an erster Stelle der Wunsch des Betroffenen, der sich wünscht, dass der Betreuer seine Wünsche umsetzt und unliebsame Personen fernhält. Die Crux besteht darin, dass der Betreuer auch auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen zurückgreifen darf und soll – etwa bei an Demenz erkrankten Patienten oder Patienten auf der Intensivstation.

An zweiter Stelle steht für den Betreuer die Abwendung von Gefahren für den Betroffenen durch die Anordnung von Kontaktverboten oder Umgangsregelungen.

Aber dabei gilt: Nur erhebliche Gefährdungen können eine Anordnung des Betreuers rechtfertigen und die Gefahr muss ausreichend konkret sein:

 - wenn die betreute Person keinen Wunsch äußert oder

- wenn ein Wunsch nicht feststellbar ist oder

- wenn die betreute Person einen entgegengesetzten Wunsch hat oder

- wenn die betreute Person ihren Wunsch ändert und dadurch ein Konflikt zwischen ihr und dem Betreuer entsteht.

Es genügt aber ausdrücklich nicht mehr, dass einfach "irgendeine" Gefahr vorhanden ist und, die Gefährdung muss aufgrund der Erkrankung der betroffenen Person entstehen.

Beispiele für riskante Kontakte: die Entscheidung über Umgangskontakte ist immer individuell und erfordert eine gründliche Prüfung der konkreten Situation, um festzustellen, ob sie angemessen und rechtlich zulässig sind. Im Folgenden werden einige Beispiele skizziert, die in der Praxis häufig auftreten oder auftreten können:

Gewaltanwendung gegen den Betroffenen: offensichtliche Situation, in der möglicherweise auch eine Schutzanordnung oder ähnliche Maßnahmen erforderlich sind.

Kontakte im Zusammenhang mit Drogen: wenn der Betroffene nach jedem Kontakt Schwierigkeiten zeigt, kann dies auf eine Verbindung mit Drogen hindeuten. Der Nachweis ist jedoch nicht immer einfach.

Manipulation und finanzielle Ausbeutung des Betroffenen: hier ist eine genaue Prüfung erforderlich. Es muss herausgefunden werden, was der Betroffene wirklich möchte und ob er sich leisten kann, was von ihm verlangt wird. Möglicherweise kann ein Teilentscheidungsrecht weniger einschränkend sein. Die Anwesenheit einer dritten Person während der Kontakte könnte ausreichend Schutz bieten. Dabei ist Artikel 12 Absatz 4 der UN-Behindertenrechtskonvention immer im Blick zu behalten.

Zusammenfassend ist herauszustellen, dass es sowohl positiv als auch unerlässlich ist, dass die Bestimmungen zur Kontakt- und Umgangsregelung jetzt fest im Betreuungsrecht verankert sind. Die Vorlieben und Entscheidungen der betreuten Personen stehen auch hier im Mittelpunkt: Der Betreuer kann nur in speziellen Fällen gegen die Wünsche und Äußerungen des Betreuten handeln, und zwar nur, wenn konkrete und ernsthafte Gefahren vorliegen.

Artikel 12 UN-BRK garantiert die gleiche Anerkennung vor dem Recht. Es ist selbstverständlich, dass rechtlich betreute Menschen in die Lage versetzt werden, ihre Selbstbestimmungsrechte ausüben zu können und selbst über ihre Kontakte zu bestimmen.     

Foto(s): ASRA

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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