EuGH klärt Fragen zur Vorsteuerabzugsberechtigung beim Kapitalanlagenbetrug

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Im Jahre 2010 machte die Nürnberger Unternehmensgruppe Gesellschaft für erneuerbare Energien „GFE“ von sich Reden. Damals wurden zahlreiche Führungskräfte inhaftiert und später Anklage gegen den inneren Führungszirkel wegen Betruges erhoben wurde. Der Großteil der Täter ist rechtskräftig zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die (Verantwortlichen) verkauften vermeintlich hocheffiziente Blockheizkraftwerke und als die Ermittlungsbehörden den Verantwortlichen im November 2010 auf die Schliche kamen, war noch nicht einmal ein Prototyp eines Blockheizkraftwerkes fertiggestellt. Knapp über 1.400 Kunden wurden so um mehr als 62 Millionen Euro betrogen. Sie hatten den Kaufpreis inklusive der darauf entfallenen Umsatzsteuer vorfinanziert, aber nichts erhalten. Nachdem dieser Schock verdaut war, tauchte neuer Ungemach vom Finanzamt auf. Viele der arglosen Käufer wollten die laufenden Pachteinnahmen als eine unternehmerische Tätigkeit verbuchen. Neben der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer auf die laufenden Einnahmen, die abzuführen gewesen wären, sollte umgekehrt die auf den Kaufpreis entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer zugunsten der Käufer angesetzt werden. Die jeweils zuständigen Finanzämter, gut koordiniert durch die Oberfinanzdirektionen, setzten nach dem Auffliegen des Betrugsmodells jedoch die Umsatzsteuersonderprüfung an und forderten flächendeckend die Vorsteuer wieder zurück bzw. zahlten diese gar nicht erst aus. ilex Rechtsanwälte hat allen Geschädigten damals den Ratschlag erteilt, gegen die Bescheide per Einspruch vorzugehen. Nunmehr wurde ein GFE-Fall höchstrichterlich aufgrund einer Vorlage des Bundesfinanzhofes sogar vom Europäischen Gerichtshof mustergültig entschieden. Die Vorlageentscheidung ging weitgehend zugunsten der geschädigten Anleger aus. In seinem Urteil vom 31.05.2018 (C-660/16 und C-661/16, DStR 2018,1171) gab der Gerichtshof den geschädigten Investoren/Anleger Recht.

Welche Auswirkungen hat diese höchstrichterliche Entscheidung auf die noch laufenden GFE-Steuerfälle?

Soweit die Vorsteuerabzugsberechtigung weiterhin im Rahmen von Einspruchsverfahren oder streitigen Gerichtsverfahren zu prüfen ist, hat diese höchstrichterliche Entscheidung erhebliche Auswirkungen zugunsten der geschädigten Anleger. Ganz regelmäßig wussten die Geschädigten nämlich nichts von dem Betrugsfall und besaßen auch keine objektiven Anhaltspunkte, dass die Bewirkung ihrer Leistung unsicher sein könnte. Aufgrund dieser Argumentation kann die Vorsteuerabzugsberechtigung auch heute noch erfolgreich geltend gemacht werden, wenn die darauf beruhenden Bescheide noch nicht bestandskräftig sind. Diejenigen Anleger also, die gegen den Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes vorgegangen sind und Einspruch eingelegt haben, können mit einer Erstattung der Vorsteuer rechnen.

Wann sind Steuerverfahren aus dem Jahre 2010 auch heute noch offen?

Hat der Anleger vor Jahren die Vorsteuererstattung beim Finanzamt beantragt und wurde ihm diese zeitnah mit dem Kauf der gar nicht vorhandenen Blockheizkraftwerke erstattet, dürfte möglicherweise im Rahmen der späteren Umsatzsteuersonderprüfungen ein Rückforderungsbescheid des Finanzamtes existieren. Gegen diesen Rückforderungsbescheid müsste der Anleger Einspruch eingelegt haben (innerhalb bestimmter Fristen), damit das Verfahren auch heute noch offen ist. In manchen Fällen wurde die Umsatzsteuervoranmeldung gar nicht erst an die Anleger ausgezahlt. Dann müsste es einen ablehnenden Bescheid zur Erstattung der Umsatzsteuervoranmeldung geben. Spätestens müsste dieser Bescheid im Rahmen der Umsatzsteuermeldung für das Jahr 2010 existieren. Gegen diesen Bescheid muss der Anleger, wenn er heute noch einen Vorteil erfahren will, rechtzeitig Einspruch eingelegt haben.

Viele Finanzämter haben dann, während die gerichtlichen Verfahren zur Klärung der umsatzsteuerrechtlichen Fragen liefen, angeregt, das Verfahren bis zur höchstrichterlichen Klärung ruhen zu lassen. Hier macht es nun Sinn diese Ruhend-Erklärungen nunmehr zu beenden und das Verfahren zum Abschluss zu führen. Hierbei handelt es sich entweder um ein Einspruchsverfahren oder ggf. um ein laufendes Klageverfahren vor den zuständigen Finanzgerichten.

ilex Rechtsanwälte gewinnt das erste Verfahren vor dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt

In einem laufenden Klageverfahren vor dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt zum dortigen Aktenzeichen 3 K4/14 hat das beklagte Finanzamt höchstrichterlich vorliegende Entscheidung nunmehr anerkannt und ausdrücklich den dortigen Anleger als Kläger klaglos gestellt, indem es mitteilte, die Vorsteuer nunmehr erstatten zu wollen. Auch in diesem Fall gab es ein ruhendes Verfahren vor dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt, da die steuerrechtlichen Fragen zum Betrugsfall „GFE“ zur Entscheidung ausstanden. Durch die beiden existenten Urteile des Europäischen Gerichtshofes konnte dieses Verfahren nunmehr wieder aufgegriffen werden. Bei entsprechender Argumentation durch ilex Rechtsanwälte erkannte das Finanzamt den Anspruch des geschädigten Klägers an. Er darf nunmehr mit der Erstattung eines vierstelligen Geldbetrages und damit mit einer Schadenskompensation in Höhe von 19% seines auf den Kaufpreis entfallenden Schadens rechnen.

Welche Anleger haben Aussicht auf Erfolg?

Anleger, deren umsatzsteuerrechtliche Fragen gemäß dem seinerzeitigen Ratschlag von ilex Rechtsanwälte noch offen sind, haben nunmehr Aussichten, ihre Vorsteuer erstattet zu bekommen. Im Rahmen von ruhenden Verfahren ist ein aktives Tätigwerden sinnvoll.






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