EuGH: Was bringt das Thermofenster-Urteil im Abgasskandal?

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EuGH zum VW Thermofenster: Was bringt das Urteil im Abgasskandal?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat entschieden: Sogenannte Thermofenster in Dieselfahrzeugen sind nicht zulässig, wenn das System zur Abgasreinigung nur in einer engen Temperaturspanne voll funktionsfähig ist. Was bedeutet dieses EuGH- Urteil für Dieselkäufer im Abgasskandal und betrifft es neben VW auch andere Autohersteller wie Mercedes, BMW, Opel , u.a.?


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EuGH erklärt Thermofenster Update von VW für unzulässig

Mit Urteilen vom 14.07.2022, unter anderem in der Rechtssache C‑145/20, stellte der EuGH fest, dass das sogenannte Thermofenster eine unzulässige Abgasabschalteinrichtung darstellt. 

Neben dem VW Softwareupdate verwende auch andere Autobauer wie Mercedes, BMW und Opel die Technik, sie ist in Millionen Diesel Pkw installiert.

So führt der EuGH aus:

„Dieses Thermofenster resultiert aus einem Update der Software der fraglichen Fahrzeuge, das von Volkswagen zum Austausch einer unionsrechtswidrigen Software vorgenommen wurde. Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt hatte eine Genehmigung für dieses Update erteilt, nachdem es zum Ergebnis gekommen war, dass dieses keine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte.“ 

„Eine Software für Dieselfahrzeuge, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems bei üblichen Temperaturen und während des überwiegenden Teils des Jahres verringert, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung da“, hieß es in der Entscheidung wörtlich. Eine solche Vertragswidrigkeit sei nicht geringfügig, erklärte das Gericht. Folglich sei eine Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

und weiter:

„Mit seinen heutigen Urteilen entscheidet der Gerichtshof, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxidemissionen nur innerhalb des Thermofensters gewährleistet, eine nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 grundsätzlich unzulässige Abschalteinrichtung darstellt.“ 

Worum ging es in dem Rechtsstreit vor dem EuGH?

In dem Rechtsstreit ging es um österreichische Kunden, die zwischen 2011 und 2013 Diesel-Fahrzeuge der Marke Volkswagen gekauft hatten, die mit einer Betrugssoftware ausgestattet waren, sodass die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand funktionierte. Die Käufer der Autos – die mit einer entsprechenden Software ausgestattet sind – verlangen, dass VW die Wagen zurücknimmt und den Kaufpreis erstattet (Rechtssachen C-128/20, C-134/20, C-145/20).

Softwareupdate Thermofenster bei VW Motoren EA 189 betroffen:

Konkret geht es in dem Verfahren um Motoren des Volkswagen-Konzerns vom Typ EA 189. In diesen Motoren war im Diesel-Skandal  eine illegale Abschalteinrichtung festgestellt worden, mit der die Abgasgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand eingehalten wurden, auf der Straße aber nicht. VW hatte hierauf mit einem Softwareupdate dem sogenannten Thermofenster reagiert.

Nach Angaben des österreichischen Gerichts ist die Reinigung von Stickoxiden bei diesem verwendeten Update nur bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll funktionsfähig. Dies ist die Temperatur, die nur bei dem Abgastest in Innenräumen regelmäßig herrscht. Die Kunden wollten deshalb den Kaufvertrag rückgängig machen und gegen Anrechnung der Nutzung das Geld zurück. Mehrere österreichische Gerichte legten deshalb dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die Frage vor, ob das sogenannte Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle.

Muss der Bundesgerichtshof das Urteil des EuGH beachten?

Das EuGH-Urteil muss auch in Deutschland beachtet werden – dass es österreichische Fälle zum Ausgangspunkt hat, ist unerheblich. Der BGH will sich in einer Verhandlung im November mit Folgen der EuGH-Rechtsprechung befassen. Bisher hatte das Karlsruher Gericht Schadenersatzklagen wegen des Einbaus des Thermofensters abgelehnt.

Zum EInen, da eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Motorhersteller VW nicht nachgewiesen sei und ferner, da der “Motorschutz” eine zeitweise Abscgaltung der Abgassreinigung rechtfertigen soll.

Dem hat der EuGH nun in dem bemerkenswerten Urteil klar widersprochen:

EuGH: Schutz des Motors vor Verschmutzung oder Verschleiß rechtfertigt keine Abschalteinrichtung

Volkswagen und auch Mercedes und andere Autohersteller argumentierten in den Verfahren bislang, dass das Thermofenster notwendig und zulässig sei, weil dadurch Schaden vom Motor abgewendet werde. Der EuGH sagte dazu, dass nur bei unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall ein Thermofenster zulässig sein könne. Ob diese Voraussetzung vorliege, müssten die nationalen Gerichte prüfen. Aber der Schutz des Motors vor Verschmutzung und Verschleiß genüge hierfür nicht. 

Welche Auswirkungen hat das Urteil im Dieselskandal auch auf andere Hersteller wie Mercedes, BMW, Opel, u.a.?

Neben VW wenden auch andere Autobauer, wie Audi, Daimler, BMW, Opel, u.a. die Technik an, sie ist in Millionen Pkw installiert. 

Insbesondere in unsereren Verfahren gegen Mercedes (Daimler AG) spielt das sog Thermofenster eine wesentliche Rolle. Bislang folgten viele Gericht der bisherigen Auffassung des BGH, dass das Thermofenster keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Dies dürfte sich nun durch das bahnbrechende Urteil des EuGH ändern. 

Hierzu führt der Europäische Gerichtshof generell für alle Abgasregulierungen aus:

„Der Gerichtshof weist insoweit zum einen darauf hin, dass Umgebungstemperaturen von weniger als 15 Grad Celsius im Unionsgebiet üblich sind. Zum anderen sind die auf Unionsebene festgelegten Emissionsgrenzwerte auch dann einzuhalten, wenn die Temperaturen deutlich unter 15 Grad Celsius liegen. Daher schränkt eine Software wie die in Rede stehende die Wirkung des Emissionskontrollsystems bei normalen Nutzungsbedingungen ein.“ 

„Selbst wenn die oben beschriebene Notwendigkeit bestünde, ist eine Abschalteinrichtung, wenn sie unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, jedenfalls unzulässig. Ließe man nämlich eine solche Einrichtung zu, könnte das dazu führen, dass dies Ausnahme öfter anwendbar wäre als das Verbot, und brächte somit eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Grundsatzes der Begrenzung der Stickostoffoxidemissionen von Fahrzeugen mit sich.“ 

Der EuGH legt zutreffend den Rechtfertigungsgrund für den Einbau einer Abschalteinrichtung eng aus und begrenzt damit die Argumentationen der Hersteller.  Nahezu alle Abschalteinrichtungen der Hersteller im Dieselskandal dürten damit unzulässig sein.

Die Erfolgsaussichten für Dieselfahrer aller Hersteller zur Rückgabe des PKW gegen Kaufpreiszahlung sind durch das Urteil erheblich gestiegen. 

Rücktritt vom Kaufvertrag auch ohne Rückruf möglich:

Wichtig ist das Urteil aber jedenfalls für alle VW Fahrzeugeigentümer, die innerhalb der letzten zwei bis drei Jahre ein Fahrzeug erworben haben und somit noch Mängelrechte bzw. Gewährleistungsansprüche geltend machen können.  Hier kann der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und der Kaufpreis zurück oder Nachlieferung eines mangelfreien, neuen Fahrzeugs verlangt werden.

Nachweisprobleme bei deliktischer Haftung

In den Schadenersatzprozessen muss dem Autohersteller allerdings als Hürde immer noch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachgewiesen werden (deliktische Haftung). Dies ist bei VW nicht ganz einfach, da das Kraftfahrtbundesamt ja das Softwareupdate genehmigt hatte.

Urteil hilft im Mercedes Abgasskandal

Bei anderen Fahrzeugherstellern wir Mercedes, BMW, u.a. hilft das Urteil in jedem Fall weiter. Denn insbesondere die Daimler AG/ Mercedes hat nun nachweislich mindestens zwei unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut. Hier kann man sich nicht mehr auf bloße Unwissenheit und Fahrlässigkeit berufen.

EuGH Entscheidung zur Begründung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung kommt in Kürze:

Insoweit bleibt die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/20 abzuwarten, die ob den einschlägigen Verordnung drittschützende Wirkung zu kommt, und damit auch ein fahrlässiger Verstoß zur Begründung von Ansprüchen aus “unerlaubter Handlung” genügt. Der europäische Generalanwalt hatte am 02.06.2022 in einer anderen Angelegenheit, Rechtssache C-100/21 bereits votiert, dass Hersteller auch bei Fahrlässigkeit für den Einbau von unzulässigen Abschalteinrichtungen haften. 

Justus Rechtsanwälte ist seit Beginn des Dieselskandals auf die Geltendmachung von Schadenersatz gegen VW, Audi, Mercedes, BMW, u.a. Autohersteller spezialisiert. Wir konnten hier bundesweit in über 100 Klagen Erfolge erzielen. Lassen Sie sich vor einer der spezialisierten Kanzleien im Diesel Abgasskandal beraten.


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Foto(s): @Steffan

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