Fahren gegen die Fahrtrichtung auf einem Radweg kann zu Mithaftung (1/3) führen

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Haftungsquote von 1/3 für Radfahrer bei Fahren gegen die Fahrtrichtung

Einen Radfahrer, der einen Radweg einer bevorrechtigten Straße entgegen der Fahrtrichtung befährt und mit einem aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg einfahrenden Radfahrer kollidiert, kann eine Haftungsquote von 1/3 treffen.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin fuhr 2010 mit ihrem Fahrrad auf einem Fahrradweg neben der Straße entgegen der Fahrtrichtung. In diese Richtung war der Radweg für sie nicht freigegeben. Der zum Unfallzeitpunkt 14 Jahre alte, inzwischen jedoch volljährige Beklagte kam ebenfalls mit dem Fahrrad, aus Sicht der Klägerin von links, aus einem verkehrsberuhigten Bereich und wollte nach rechts auf den Fahrradweg abbiegen. Die Sicht im Einmündungsbereich, in dem sich ein Kind aufhielt, war durch Sträucher eingeschränkt. Dort stießen die Parteien sodann zusammen, wodurch die Klägerin zu Fall kam und verletzt wurde. Sie verlangte Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz.

Zur Entscheidung:

Das Gericht nahm zunächst einen Verursachungsbeitrag des 14-jährigen Radfahrers an, der aus dem verkehrsberuhigten Bereich eingefahren ist. Der Beklagte habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dabei außer Acht gelassen und gegen die Vorschrift des § 10 StVO verstoßen, die von demjenigen, der aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße einfahren will, verlangt, dass er eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließt. Angesichts der Schwere dieses Verkehrsverstoßes komme es nicht darauf an, ob der Beklagte zugleich der Regelung des § 3 Abs. 1 S. 2 StVO zuwidergehandelt hat, weil er im Einmündungsbereich mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist. Er hat sich jedenfalls nicht so verhalten, dass er eine Gefährdung der Klägerin ausgeschlossen hat.

Die Radfahrerin (Klägerin) treffe jedoch ein Mitverschulden, das mit 1/3 zu bewerten sei. Sie habe sich verkehrswidrig verhalten, indem sie den für sie nicht freigegebenen Radweg in entgegengesetzter Fahrtrichtung benutzt hat. Dadurch habe die Klägerin gegen § 2 Abs. 4 StVO verstoßen, der eine Benutzung des für sie linken Radweges nur erlaubt, wenn dies durch Zusatzzeichen zugelassen wird.

Die überwiegende Haftung des Beklagten sei gerechtfertigt, weil ihn ein besonders schwerer Sorgfaltspflichtverstoß trifft. Er hätte gem. § 10 StVO nicht nur eine Verletzung der Klägerin verhindern, sondern schon ihre Gefährdung ausschließen müssen, indem er besonders vorsichtig auf den Radweg hätte einbiegen müssen. Er war verpflichtet, auf den bevorrechtigten Verkehr auf dem Radweg zu achten und hätte sich dementsprechend umsichtig verhalten müssen. Dabei komme es nicht darauf an, aus welcher Richtung der bevorrechtigte Querverkehr kam. Der Schutz des § 10 StVO entfiel nicht, weil die Klägerin den Radweg in falscher Richtung befahren hat. Ihr Verstoß gegen § 2 Abs. 4 StVO sei für ihr Vorfahrtsrecht unerheblich. Der Vorrang des fließenden Verkehrs stehe in den Fällen des § 10 StVO grundsätzlich den Benutzern der gesamten Fahrbahn zu. Selbst der einen Radweg in verkehrter Richtung benutzende Radfahrer habe deshalb Vorrang (KG, DAR 1993, 257; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 22. Auflage 2012, § 10 Rn. 2; Jagusch-König, StVR, 42. Aufl., § 10 Rn. 14).

(OLG Hamm, Urteil vom 06.06.2014 – 26 U 60/13)



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