Faktische Geschäftsführung

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Das unterschätzte Haftungsrisiko in Familienunternehmen  

Regelmäßig sind wir mit Fallgestaltungen betraut, in denen Gesellschafter wegen vermeintlicher Geschäftsführung belangt werden. Die Angriffe kommen dann immer aus der Richtung Insolvenzverwalter, Finanzverwaltung und Staatsanwaltschaft. Die Folgen für die betroffenen Gesellschafter sind sehr weitreichend. Das Haftungsrisiko eines faktischen Geschäftsführers wird meines Erachtens im Mittelstand unterschätzt. 


Die Haftungsfalle des faktischen Geschäftsführers 

Jeder Geschäftsführer einer GmbH muss mit einer Haftung für Schäden im Unternehmen rechnen, wenn er seine Pflichten verletzt. Was aber viele nicht wissen. Das gilt nicht nur für den offiziell bestellten, im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer, sondern auch für Gesellschafter ohne Geschäftsführerstellung, die ins operative hineinwirken. 

Familienunternehmen, die auf Stabilität, Tradition und Generationsnachfolge setzen, haben gewöhnliche unternehmerische Risiken und besondere rechtliche Herausforderung zu meistern. 

Fachkräftemangel, Technologiewandel, Digitalisierung und vorausschauende Finanz- und Ertragsplanungen sind Themenfelder, mit denen Geschäftsführer und Gesellschafter im Mittelstand täglich konfrontiert werden. Mein Eindruck ist, dass der Fokus auf das Alltagsgeschäft in Familienunternehmen den Blick für ein besonderes Risiko versperrt, das sich oft in den familiären Beteiligungsstrukturen realisieren kann. 


Was bedeutet genau "faktische Geschäftsführung"?  

Wenn eine Person ohne eine formelle Geschäftsführerposition die Geschicke des Unternehmens leitet, gilt von Rechts wegen als faktischer Geschäftsführer. Dem faktischen Geschäftsführer werden dann konsequenterweise die Verantwortlichkeiten eines formellen Geschäftsführers zugeschrieben, was auch für die Geschäftsführerhaftung gilt. 

Für den faktischen Geschäftsführer gilt die erhöhte Haftungsgefahr in der GmbH und auch im Außenverhältnis, z.B. gegenüber der Finanzverwaltung. Das bedeutet, dass das Finanzamt bei einer Unternehmensinsolvenz die Steuerschulden des Unternehmens beim faktischen Geschäftsführer versucht geltend zu machen. 


Familienunternehmen sind anfällig für die faktische Geschäftsführung 

Man fragt sich, was das Phänomen der faktischen Geschäftsführung mit dem Familienunternehmen zu tun hat. Die besonderen familiären Beteiligungsstrukturen, die wir in Familienunternehmen finden, sind besonders risikoaffin beim Thema faktische Geschäftsführung. Das sind die spezifischen Gründe: 

  • In Familienunternehmen erhalten Kinder und Enkel sukzessiv wachsende Unternehmensbeteiligungen. Die in Stellung gebrachten Nachfolger sind oft im Aufsichtsrat und Ausschüssen aktiv.  

  • Nicht selten nehmen die designierten Nachfolger aber auch unmittelbaren Einfluss auf das operative Firmengeschäft. Ab einem gewissen Punkt überschreiten Sie dann die Grenze zum faktischen Geschäftsführer. 

  • Die Risiken des faktischen Geschäftsführers verschärfen sich beträchtlich in der Krise des Unternehmens. 


Pleite der Drogeriekette Schlecker – einer der bekanntesten Beispielsfälle 

Einer der spektakulärsten Fälle, bei denen die Gerichte faktische Geschäftsführer verurteilt haben, ist die Insolvenz der Schlecker Drogeriekette. Die Kinder des Unternehmensinhabers Meike und Lars Schlecker sind als faktische Geschäftsführer in die Mühlen der Justiz geraten. Das Ergebnis war eine mehrjährige Haftstrafe. Obwohl die Kinder nie Geschäftsführer in der betroffenen Schlecker-Tochtergesellschaft waren, galten sie nach der Ansicht der Gerichte wegen ihres Zugriffs auf die Geschäftsführungsebene als faktische Geschäftsführer. 


Die besten Haftungsvermeidungsstrategien 

Insbesondere in der Unternehmenskrise erfolgen oft Vermögensverschiebungen. Natürlich hat die Unternehmerfamilie vor allem in Krisenzeiten ein Interesse ihr Vermögen zu sichern. Dabei dürfen aber Gesetze nicht gebrochen werden. Nachfolgend ein kurzer Maßnahmenkatalog zur Haftungsvermeidung: 

  • Vermögensverschiebungen dürfen nicht kurz vor der Insolvenz erfolgen, da dies strafbar sein kann. Asset Protection-Maßnahmen sind wichtig. Sie müssen in Familienunternehmen aber eine Daueraufgabe sein und keine Krisenmaßnahme. 

  • Die Beteiligten dürfen nicht unterstellen, dass Krisen dem Familienunternehmen nichts anhaben können, weil das Unternehmen im Markt gut positioniert ist. Erfahrungsgemäß besteht eine falsche Haltung insbesondere bei vielen Nachfolgern, die mit dem Unternehmen aufgewachsen sind. Auch gesunde Mittelstandsunternehmen tragen unternehmerische Risiken, die sich realisieren können. 

  • Ein Investment in juristische Bildung ist die beste Haftungsvermeidungsstrategie. Ein gewisser Bildungsstand ist unabkömmlich. Jeder Nachfolger, der im Familienunternehmen aufgebaut wird, sollte einen juristischen Mindeststandard vermittelt erhalten und die Grundsätzen der Geschäftsführerhaftung im Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrecht kennen.

Einen wichtigen Hinweis gilt es für den Fall zu beachten, dass die faktische Geschäftsführung bei einem Gesellschafter feststeht. Wenn es keinen Zweifel gibt, dass ein Nichtgeschäftsführer die faktische Geschäftsführung übernommen hat, dann muss er auch alle Pflichten eines Geschäftsführers sowie alle Haftungsvermeidungsstrategien eines formellen Geschäftsführers beachten.

In dem Nachfolgendem Video finden Sie hierzu weitere Informationen:

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Dr. Boris Jan Schiemzik, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht 

Der Verfasser dieses Artikels, Dr. Boris Jan Schiemzik ist mit seinem Team auf das Gesellschaftsrecht und Corporate Litigation spezialisiert. 

Weitere Informationen zum Gesellschaftsrecht und Streitigkeiten mit Geschäftsführern finden Sie hier: Gesellschaftsrecht



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