Filesharing-Abmahnung: Providerauskunft rechtens?

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Ein Beitrag von Fachanwältin für IT-Recht Nina Hiddemann aus Köln zur Rechtmäßigkeit von Providerauskünften in Filesharing-Verfahren:

Zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet über sog. Tauschbörsen benötigen Rechteinhaber neben der ermittelten IP-Adresse des jeweiligen Internetanschlusses u.a. auch Name und Anschrift des Anschlussinhabers (sog. Bestandsdaten) sowie bestimmte Verbindungsdaten (sog. Verkehrsdaten). Der ermittelten IP-Adresse ist zunächst nur der jeweilige Netzbetreiber zu entnehmen. Wem die IP-Adresse jedoch zu Tatzeitpunkt zugeordnet war, ist für den Rechteinhaber nicht ersichtlich. Aus diesem Grund benötigen Rechteinhaber weitere Auskünfte vom Netzbetreiber, bzw. vom Accessprovider. Das Urheberrechtsgesetz räumt Rechteinhabern zur Verfolgung ihrer Rechte daher unter bestimmten Umständen einen Auskunftsanspruch ein. Im Hinblick auf Verkehrsdaten steht die Auskunft allerdings unter dem Vorbehalt der richterlichen Gestattung, d.h. Rechteinhaber benötigen einen richterlichen Beschluss um Auskunft bei Telekommunikationsunternehmen einzuholen.

Wörtlich heißt es in § 101 Abs. 9 UrhG:

„Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. (...)“

Der Rechteinhaber benötigt folglich einen richterlichen Gestattungsbeschluss, um die Verkehrsdaten zu erfragen.

Da den Rechteinhabern jedoch nur der jeweilige Netzbetreiber bekannt ist, beziehen sich die sog. Gestattungsbeschlüsse ausschließlich auf die netzbetreibenden Unternehmen, nicht aber auf den eigentlichen Vertragspartner des Anschlussinhabers, den sog. Reseller. Reseller sind in der Regel eigenständige juristische Personen, die mit dem Anschlussinhaber einen Telekommunikationsvertrag abgeschlossen haben. Ein Vertragsverhältnis zwischen Netzbetreiber und Anschlussinhaber ist hingegen die Ausnahme. Damit einher geht das Problem, dass der in Anspruch genommene Netzbetreiber mangels Vertragsverhältnisses selbst keine Auskunft über den eigentlichen Anschlussinhaber erteilen kann. Er muss sich vielmehr an den Reseller wenden, der über sämtliche Vertragsdaten wie Name, Anschrift usw. des Anschlussinhabers verfügt. Bereitwillig erteilten diese in der Vergangenheit Auskunft, obwohl im Gestattungsbeschluss ausschließlich der Netzbetreiber genannt war.

Zusammengefasst stellt sich damit die Frage, ob die Auskunft eines Resellers auf Grundlage eines Gestattungsbeschlusses, in dem der Reseller nicht ausdrücklich genannt wird, überhaupt rechtmäßig ist. Dem Wortlaut des Gesetzes sowie dem Gestattungsbeschluss nach muss die Antwort unzweifelhaft „Nein“ lauten. Die Gestattungsbeschlüsse beziehen sich ausdrücklich auf eine bestimmte im Beschluss genannte juristische Person. Dritte unbeteiligte Unternehmen dürfen daher keinesfalls aufgrund dieses Beschlusses Verkehrsdaten an Rechteinhaber herausgeben.

Doch was passiert, wenn Provider bereits Auskunft erteilt haben. Sind die beauskunfteten Daten im Rahmen eines Prozesses überhaupt verwertbar?

Nach Auffassung der Autorin des Beitrags besteht ein Beweisverwertungsverbot, so dass die rechtswidrig erhobenen Daten nicht verwertbar sind. Gerade im Bereich der Telekommunikation ist anerkannt, dass Verletzungen gegen Richtervorbehalte stets ein Verbot der Verwertung nach sich ziehen, es sei denn es liegen „besonders schwere“ Rechtsverletzungen vor. Angesichts der vorgesehenen Strafrahmen von Urheberrechtsverletzungen im Bereich Filesharing scheidet eine schwere Rechtsverletzung wohl im Regelfall aus. Auch eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Rechteinhabers und des Anschlussinhabers kann zu einem anderen Ergebnis führen. Dem Rechteinhaber steht es frei einen neuerlichen Gestattungsbeschluss im Hinblick auf den Reseller zu erwirken.

Zeitdruck besteht insoweit nicht, da es sich bei den weiteren Daten um dauerhafte Vertragsdaten handelt, deren Untergang nicht zu befürchten ist. Im Übrigen kommen dem Rechteinhaber mehrjährige Verjährungsfristen zugute, so dass auch hier keine Dringlichkeit im Hinblick auf die Auskunft zu erkennen ist.

Erfreulicherweise regt sich mittlerweile auch bei einigen Gerichten Widerstand gegen den laxen Umgang mit Verkehrsdaten trotz Richtervorbehalts. Sowohl das Amtsgericht Koblenz (Hinweisbeschluss v. 14.11.2014, Az. 411 C 250/14) als auch das Landgericht Frankenthal (Hinweisbeschluss v. 01.06.2015, Az. 6 S 23/15) äußerten in der Vergangenheit starke Bedenken gegen die Verwertung der Auskünfte des nicht am dem Gestattungsverfahren beteiligten Providers.

Das Landgericht Frankenthal wies im Rahmen seines Beschlusses vom 01.06.2015 wörtlich darauf hin:

„Soweit Netzbetreiber und Endkundenanbieter nicht identisch sind, ist am Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG der allein als Vertragspartner des Anschlussinhabers in Erscheinung getretene Accessprovider zu beteiligen; ohne ein solches Verfahren erlangte Daten unterliegen in einem späteren Verfahren gegen den Anschlussinhaber regelmäßig einem Beweisverwertungsverbot (...)“.

Es bleibt abzuwarten, wie höhere Instanzen urteilen. Paradoxerweise hält gerade der Bundesbeauftragte für den Datenschutz einen zweiten Gestattungsbeschluss für nicht notwendig. Als Begründung wird angeführt, es handle sich lediglich um Bestands- und nicht um Verkehrsdaten. Die Begründung überzeugt jedoch bereits aus dem Grund nicht, da die Beauskunftung der Bestandsdaten (Name / Anschrift) nur durch Verknüpfung mit Verkehrsdaten (Internetverbindung, Datum, Uhrzeit) erfolgen kann.

Fazit:

Im Rahmen von Klageverfahren sollte die Thematik unbedingt von der Beklagtenseite problematisiert werden. Ratsam ist insoweit auch darzulegen und ggfs. unter Beweis zu stellen, dass Vertragspartner gerade nicht der im Gestattungsbeschluss genannte Netzbetreiber ist.

Sind Sie wegen Filesharing verklagt worden oder benötigen Sie außergerichtliche Beratung zu diesem Thema? Dann wenden Sie sich unverbindlich an Rechtsanwältin und Fachanwältin für IT-Recht Nina Hiddemann.


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