Filesharing und Deckelung der Abmahnkosten bei Computerspielen unbillig

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Die „neue“ Deckelung der Abmahnkosten ist seit dem 9.10.2013 in Kraft. Der Gesetzgeber wollte damit der in der Vergangenheit vorherrschenden Praxis der lukrativen Massenabmahnungen entgegenwirken (BT Drucksache 17/13057 S. 119). Bei den Gerichten scheint sich jedoch die Auffassung durchzusetzen, dass diese Deckelung von Anwaltsgebühren in Filesharing-Fällen unbillig ist.

Beim Landgericht Berlin gilt dies jedenfalls für Computerspiele in 4 Fällen innerhalb eines Tages. So haben wir in einem Verfahren vor dem Landgericht Berlin den Beklagten vertreten, in dem der Klägerin gemäß 97 a Abs. 1 und 3 UrhG gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten – 1,3-Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 15.000,-- € – zugesprochen wurde.

Denn das Landgericht Berlin, so die 15. Zivilkammer in ihrer Begründung– vertrete in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 6.11.2018 – 16 S 3/18 -, vom 29.01.2019 – 15 S 17/18 -, vom 02.04.2019 – 16 S 34/18 -, vom 12.06.2019 – 15 S 38/18 -, vom 25.06.2019 – 15 O 302/18 -) die Auffassung, dass die zu erstattenden Abmahnkosten nicht nach § 97 a Abs. 3 Satz 2 UrhG zu decken sind. Eine Deckelung käme dann nicht in Betracht, so das Gericht, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls die Erstattung des Anspruchs aus einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR € unbillig ist.

Der Begriff der Unbilligkeit in 97 a Abs. 3 Satz 4 UrhG sei im Hinblick auf Artikel 14 der Richtlinie 2004/48 EG (Enforcement-Richtlinie) europarechtskonform auszulegen, da Abmahnkosten als „sonstige Kosten“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen sind (so auch das LG Stuttgart, GRUR-RR 2019, 99/101). Hierunter fielen Kosten, die unmittelbar und eng mit dem betreffenden Gerichtsverfahren zusammenhängen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016 – C-57/15, Rn. 36).

Die Abmahnung diene der Streitbeilegung ohne Inanspruchnahme der Gerichte. Mit ihr verfolge der Rechteinhaber das weitere Ziel, dem Schuldner die Möglichkeit zu verwehren, den gerichtlich geltend gemachten Anspruch mit der Kostenfolge des § 93 ZPO anzuerkennen (LG Stuttgart a. a. O.). § 97 Abs. 3 UrhG könne daher dazu führen, dass dem Rechteinhaber wenigstens ein erheblicher und angemessener Teil der ihm tatsächlich entstandenen zumutbaren Kosten zu ersetzen wäre, wenn deswegen eine richtlinienkonforme Auslegung geboten ist (LG Stuttgart, a. a. O.). 

Diese liege darin begründet, so das Gericht, dass § 97 a Abs. 3 Satz 2 UrhG nicht den tatsächlichen Gegenstandswert bestimme. Dem Rechteinhaber stünden daher ungedeckelte Kosten nach dem RVG zu, die er jedoch wegen der Ausnahmevorschrift des § 97 a Abs. 3 Satz 2 UrhG nur zu einem geringen Teil erstattet bekommt. Dem stünde jedoch die EG-Richtlinie entgegen, da Pauschaltarife weit niedriger sind als die tatsächlich für Anwaltsleistungen in diesem Mitgliedstaat durchschnittlichen Tarife (EuGH, a. a. O). Es sei demnach von einer Unüblichkeit auszugehen, da die Begrenzung des Gegenstandswertes auf lediglich 1.000,00 € dazu führen würde, dass der Verletzer nur zur Erstattung eines geringen Teils der zumutbaren Anwaltskosten verpflichtet wäre, die dem Inhaber des verletzten Rechts entstanden sind, obwohl Billigkeitsgründe nicht entgegenstünden.

Kurzum: Die vom Gesetzgeber eingeführte Deckelung der Abmahnkosten kann im Wege der versteckten richterlichen Rechtsfortbildung dazu führen, dass der Wille des Gesetzgebers, die Abmahnkosten zu deckeln, untergraben wird.

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Ihr Rechtsanwalt Jüdemann


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