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Flug gestrichen – welche Rechte haben die Passagiere?

  • 4 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Mitten in der Urlaubssaison droht Ryanair der größte Streik seiner Piloten in der Geschichte. Während sich Streikaktionen bisher auf Irland beschränkten, kündigte die Gewerkschaft Cockpit einen 24-stündigen Streik in verschiedenen Ländern an. Auch alle festangestellten Piloten, die an Ryanair-Stationen in Deutschland beschäftigt sind, wurden zum Streik aufgerufen. 250 Flüge wurden bereits gestrichen. 

Aber auch bei anderen Fluggesellschaften könnten weitere Flüge in Anbetracht der drohenden Unwetter gestrichen werden. Betroffene Passagiere haben aber eine Vielzahl unterschiedlicher Rechte, die sie kennen sollten:

  • Flugpassagiere müssen über die Streichung ihres Flugs informiert werden
  • Flugreisende können zwischen Rückerstattung des Ticketpreises und kostenloser Umbuchung wählen
  • Unter bestimmten Voraussetzungen haben Fluggäste Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung zwischen 250 Euro und 600 Euro 

Recht auf Information 

Streicht eine europäische Fluggesellschaft wie Ryanair einen Flug, ist sie nach der europäischen Fluggastrechteverordnung verpflichtet, die auf den Flieger gebuchten Passagiere über die Annullierung ihres Flugs zu informieren. Die europäische Verordnung stellt in ihren Erwägungsgründen explizit klar, dass Fluggäste im Fall von gecancelten Flügen umfassend über die Annullierung sowie ihre Rechte informiert werden müssen, damit sie diese wirksam wahrnehmen können. 

Es ist dabei Aufgabe der Airline, die den Flug gestrichen hat, sicherzustellen, dass betroffene Passagiere entsprechend informiert werden. Sie muss die Flugreisenden zwar nicht persönlich informieren, sondern kann auch Reiseportale oder Reisebüros in Kenntnis setzen. Das Risiko, dass die Information über die Flugannullierung nicht rechtzeitig beim Reisenden ankommt, muss sie dann aber selbst tragen. Dies hat der Europäische Gerichtshof in einer jüngeren Entscheidung (EuGH, Urteil v. 11.05.2017, Az.: C‑302/16) ausdrücklich klargestellt. Mehr zu dieser Entscheidung lesen Sie in unserem Rechtstipp „Dauerbrenner Fluggastrechte – EuGH stärkt mal wieder die Rechte der Fluggäste“. https://www.anwalt.de/rechtstipps/dauerbrenner-fluggastrechte-eugh-staerkt-mal-wieder-die-rechte-der-fluggaeste_106160.html 

Wahl zwischen Rückerstattung oder Flugumbuchung 

Fällt der Flug aus, kann der Fluggast selbst entscheiden, ob er einen anderen Flieger nehmen will oder auf die Reise verzichtet. Er kann deshalb von der Airline entweder verlangen, dass sie ihn auf einen anderen Flug bucht oder ihm den bereits gezahlten Flugpreis zurückerstattet. 

Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung 

Zusätzlich zum Anspruch auf Rückerstattung des Flugpreises oder zur Umbuchung auf einen Ersatzflug können Flugreisende bei Streichung ihres Flugs Anspruch auf Zahlung einer entfernungsabhängigen Entschädigung zwischen 250 Euro und 600 Euro haben. Entscheidend dafür ist einerseits, wann sie von der Annullierung ihres Flugs erfahren haben und andererseits, wann der Ersatzflieger landet. 

Fluggäste müssen 14 Tage vor geplanten Abflug informiert sein

Ein Anspruch auf die Ausgleichszahlung kommt immer dann in Betracht, wenn die Airline den Fluggast nicht rechtzeitig über die Flugannullierung informiert hat. Rechtzeitig bedeutet mindestens 14 Tage vor dem geplanten Abflug. Da die geplanten Streiks erst diese Woche bekannt wurden bzw. noch nicht klar ist, ob und welche Flüge bei Sturm und Tornado am Boden bleiben müssen, haben Passagiere, deren Flug ausfallen wird, prinzipiell einen Anspruch auf Zahlung der zusätzlichen Entschädigung. Die entsprechende Vorschrift ist so ausgestaltet, dass Flugreisende die Zahlung der Entschädigung immer verlangen können. Nur wenn die Airline nachweist, dass der Fluggast rechtzeitig über die Streichung des Flugs informiert war, entfällt der Anspruch.

Wann landet der Alternativflug? 

Aber selbst wenn die Airline zu spät über die Streichung des Flugs informiert hat, ist die Entschädigung nicht in jedem Fall zu zahlen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei unter anderem die Landung des Alternativflugs. Erfährt der Flugreisende 7 bis 14 Tage vor dem geplanten Abflug von der Annullierung und landet der angebotene Alternativflug über zwei Stunden vor bzw. vier Stunden nach dem annullierten Flug, steht dem Fluggast die Zahlung der Entschädigung zu. Erfährt der Fluggast weniger als 7 Tage vor dem geplanten Abflug von der Flugannullierung – was aktuell bei vielen betroffenen Ryanair-Kunden der Fall ist –, gibt es die Entschädigung schon, wenn der Alternativflug über eine Stunde eher bzw. über zwei Stunden später landet. Es spielt hierbei keine Rolle, ob er den Alternativflug annimmt oder den Flug storniert, denn bei der Ausgleichszahlung handelt es sich um einen zusätzlichen Anspruch. 

Knock-out-Kriterium „außergewöhnliche Umstände“

Häufig versuchen Fluggesellschaften geltend gemachte Entschädigungsforderungen mit der Begründung abzulehnen, dass ein „außergewöhnlicher Umstand“ Grund für die Annullierung gewesen wäre. Streikmaßnahmen und unerwartete Wetterlagen fallen grundsätzlich in diese Kategorie. Fehlplanungen beim Personal oder zu wenig Frostschutzmittel im Winter zählen jedoch nicht als außergewöhnlicher Umstand.

Die europäische Fluggastrechteverordnung schützt die Airlines bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes und die Zahlung der Entschädigungszahlung für solche Ausnahmefälle ausschließt. Die Gerichte sind aber bei der Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes sehr streng und lehnen den Einwand der Fluggesellschaften häufig ab. Es kann sich daher durchaus lohnen, seinen Entschädigungsanspruch mit anwaltlicher Hilfe einzufordern. 

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Foto(s): fotolia.com

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