Flug verpasst wegen Verzögerungen bei der Sicherheitskontrolle. Bestehen Ansprüche auf Schadenersatz?

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Der Fluggast erscheint pünktlich zum Check in, begibt sich danach zur Sicherheitskontrolle und stellt fest, dass sich dort eine sehr große Anzahl wartender Fluggäste befindet und die Abfertigung nur schleppend vorangeht, mit der Folge, dass der gebuchte Flug verpasst wird.  Welche Rechte haben dann betroffene  Fluggäste?

Die Sicherheitskontrolle an Flughäfen in der Bundesrepublik Deutschland

Die Sicherheitskontrolle an den Flughäfen ist grundsätzlich Aufgabe der Bundespolizei. Die Bundespolizei kann die Aufgaben der Sicherheitskontrolle an „zivile“ Luftsicherheitsassistenten übertragen. Von dieser Befugnis wird am Flughafen in Frankfurt am Main Gebrauch gemacht.

Es gehört zu den Amtspflichten der Bundespolizei, die Organisation der Sicherheitskontrollen so zu gestalten, dass diese der Anzahl der zu erwartenden Passagiere gerecht wird. Allerdings führt nicht jedes Verpassen eines Fluges eines einzelnen Fluggastes zur Annahme eines solchen Organisationsmangels.

Die Bundespolizeibehörden an den Flughäfen erhalten von dem Betreiber des Flughafens Angaben über die zu erwartenden Passagiere und hat danach die Besetzung der Kontrollstellen zu organisieren. Sind alle Kontrollstellen besetzt und kommt es dennoch zu einem Rückstau wartender Passagiere, kann daraus nicht unmittelbar ein Organisationsverschulden der Bundespolizei hergeleitet werden. Dieser Rückstau kann sich z. B. auch deshalb bilden, weil eine große Menge Passagiere, die für spätere Flüge gebucht sind, sich frühzeitig zur Sicherheitskontrolle begeben und diese daher temporär überlasten.

Verpasst ein Fluggast wegen überlanger Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle seinen Flug, können sich dennoch Ansprüche ergeben. Das Staatshaftungsrecht sieht eine Entschädigung vor, wenn eine rechtmäßige behördliche Maßnahme (die die Sicherheitskontrolle ohne Zweifel darstellt) auf eine Rechtsposition des Eigentümers einwirkt und zu einem sogenannten Sonderopfer führt, wie im Fall eines Fluggastes, der seinen Flug verpasst, und deswegen ein neues Flugticket kaufen muss. Voraussetzung ist aber, dass der betroffene Bürger nicht durch eigenes Verhalten, auch wenn dieses rechtlich erlaubt ist, an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (1 U 220/20)

Mit dem oben genannten Urteil vom 28. Januar 2022 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den klagenden Fluggästen Recht gegeben, aber darauf hingewiesen, dass derjenige Fluggast, der seinen Flug versäumt, weil er nicht rechtzeitig zum Check in bzw. zur Sicherheitskontrolle erscheint und diese Kontrolle nicht mehr vor Abschluss des Boarding passieren kann, keinen besonderen Nachteil im Sinne des Staatshaftungsrechts erleidet. 

Die Klägerinnen sind aber nach Ansicht des Gerichts rechtzeitig zum Check in und danach zur Sicherheitskontrolle erschienen. Sie sind der Empfehlung des Betreibers des Flughafens gefolgt und haben sich mehr als 2 Stunden vor dem Abflug zum Check in eingefunden. Danach haben sie sich unmittelbar zur Sicherheitskontrolle begeben und sich dort in die befindliche Warteschlange eingereiht. Das war 90 Minuten vor angegebenem Schluss des Boarding und somit aus der Sicht der Richter rechtzeitig. Der Senat hat betont, dass Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht ausreicht und Passagiere deswegen einen größeren Zeitpuffer einplanen müssen, nicht vorlagen. Den Klägerinnen konnte daher kein Vorwurf gemacht werden, dass sie nach dem Check in zu viel Zeit verschwendet haben, bevor sie sich zur Sicherheitskontrolle begaben. Zwar hat die Bundespolizei behauptet, die Klägerinnen haben sich erst um 11:00 Uhr, somit 30 Minuten vor geplantem Ende des Boarding an die Sicherheitskontrolle angestellt, diese Behauptung wurde allerdings durch Zeugenaussagen widerlegt.

Die von Advocatur Wiesbaden vertretenen Klägerinnen haben bei der Reiseplanung die erforderliche Sorgfalt walten lassen, sind rechtzeitig zum Check in erschienen und haben sich danach zügig zur Sicherheitskontrolle begeben. Die lange Abfertigungsdauer und das Verpassen des gebuchten Fluges führte schlussendlich nach dem Ende des gerichtlichen Verfahrens nicht zu einem Schaden. Vorteilhaft hat sich ausgewirkt, dass die Klägerinnen sich gegenseitig als Zeugin zur Verfügung stehen konnten und dass sie vor allem die Einzelheiten wie Zeitpunkt des Erreichens des Check in Schalters, Beendigung des Check in und Ankunft vor der Sicherheitskontrolle dokumentiert haben. Im Prozess kommt es auf solche Details an, die vom Kläger dann idealerweise benannt werden, um einen möglichst präzisen Geschehensablauf schildern zu können. Hilfreich kann es auch sein, einige Fotos von der Situation vor Ort anzufertigen, um in einem möglichen Rechtsstreit dem Gericht einen Eindruck von der Menge wartender Passagiere vermitteln zu können.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es bei Normalbetrieb an den Flughäfen notwendig, aber auch ausreichend ist, den Empfehlungen über die Präsenzzeit vor dem Abflug Folge zu leisten.

Gibt es allerdings Anhaltspunkte dafür (wie zum Ferienbeginn 2022) dass es zur Überlastung der Flughafeninfrastruktur kommen kann, muss unter Berücksichtigung des Urteils des Oberlandesgerichts eine deutlich frühere Ankunft am Flughafen bzw. an der Sicherheitskontrolle eingeplant werden, um Nachteilen, die aus einem Verpassen des Fluges entstehen können, vorzubeugen.

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