Führerschein und Cannabis: Willkürlicher Sachverhaltsaustausch durch Gerichte / Behörden zwecks MPU/Entziehung

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Die Fahrerlaubnisbehörden, Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte nehmen es mit der Wissenschaft nicht so genau in Sachen THC und THC COOH - der Sachverhalt wird passend zur gewünschten Maßnahme (MPU oder Entziehung der Fahrerlaubnis) gemacht!

Die Gutachterstellen machen das sowieso - es fehlt dort häufig offenbar besonders an wissenschaftlichen Basics und Reflexionsvermögen. 

Hier soll es also (mal wieder) das Thema gehen, wie THC und THC-COOH Werte zu beurteilen sind und ob es aus wissenschaftlicher Perspektive überhaupt möglich ist, Konsummuster aus dem THC COOH Wert abzuleiten und eine wissenschaftlich bewiesene Antwort auf die Frage zu geben, wie lange sich THC nach dem letzten Konsum in Blut und Urin nachweisen lässt.

Thesen:

Würden die Gerichte und die Führerscheinstellen wissenschaftlich streng objektiv bei der Deutung von THC und THC COOH Werten arbeiten, gäbe es nur eine Möglichkeit, den gelegentlichen Konsum bei erstmalig mit Trennungsversagen auffälligen Cannabis-Konsumenten nachzuweisen und zwar die, dass der Betroffene dies selber eingeräumt hat. 

Schweigt der Betroffene zur Tat, dann ist es aus wissenschaftlichen Gesichtspunkten idR nicht möglich, den gelegentlichen Konsum anhand von THC und THC COOH Werten zu bestimmen, da es keine allgemeingültige Studien gibt und geben kann, die das beweisen können.

Bei erstmaligen Trennungsversagen (Führen eines KFZ mit mindestens 1,0 ng/ml THC) kommt beim zur Tat schweigenden Betroffenen nur die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens in Betracht.

Der gelegentliche Konsum ist wissenschaftlich regelmäßig nur dann bewiesen, wenn der Betroffene ein zweites mal ein KFZ unter der Wirkung geführt hat und eine entsprechende Blutprobe das beweist. Die Anordnung einer MPU kann deshalb erst dann erfolgen. 

Eine erstmaliges Trennungsversagen rechtfertigt die Anordnung einer MPU regelmäßig nicht, wenn der Betroffene die Aussage verweigert.

Die Bestimmung des gelegentlichen Konsums mittels des THC Wertes in Abhängigkeit zum letzten Konsumzeitpunkt bzw. über den THC COOH Wert ist im Regelfall als unwissenschaftlich und damit grundrechtswidrig abzulehnen. 

Die Bestimmung des gelegentlichen / regelmäßigen Konsums anhand des Verweises auf Aussagen in den Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung ist abzulehnen, da diese Aussagen im Regelfall nicht auf die zu beurteilenden Einzelfälle passen. 

Die dort getroffenen Aussagen, wie lange THC und THC COOH nachweisbar sind, können keine Gültigkeit für den zu beurteilenden Einzelfall haben, wenn nicht bewiesen ist, dass der Betroffene vergleichbare Mengen an THC zu sich genommen hat wie die Studienteilnehmer. 

Die direkte oder konkludente Erklärung, diese seien anwendbar, ist eine wissenschaftliche Lüge, wenn man nicht genau weiß, dass der im Einzelfall betroffene Führer eines KFZ genauso viel THC konsumiert hat, wie die Studienteilnehmer (und auch sonst deren "Mittel" entspricht).

Die Gerichte/Führerscheinstellen/Gutachterstellen missachten elementare Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens im Bereich der Deutung von THC / THC COOH Werten und handeln grundrechtswidrig / unverhältnismäßig.

Die Anordnung einer MPU für den schweigenden Ersttäter ist regelmäßig darauf zurückzuführen, dass Führerscheinstellen und Gerichte nicht allgemeingültige Studien für den jeweilgen Einzelfall für anwendbar erklären ohne zu wissen und wissen zu können, ob die Fälle überhaupt ansatzweise vergleichbar sind. Die Anordnung einer MPU für den schweigenden Ersttäter ist somit regelmäßig willkürlich. 

Der Austausch des richtigen Sachverhalts (=man weiß nicht,  wieviel THC im Einzelfall konsumiert wurde und weiß damit auch nicht um die Vergleichbarkeit Einzelfall / Studie) durch einen rechtswidrig  ausgedachten/unterstellten Sachverhalt (=Unterstellung, ein Betroffener habe die gleiche THC Menge zu sich genommen wie die Teilnehmer der Studien, auf die sich das Gericht oder die Führerscheinstelle beruft) statt des richtigen Sachverhalts (=man weiß nicht,  wieviel THC konsumiert wurde und weiß damit nicht um die Vergleichbarkeit Einzelfall / Studie) bedeutet, dass hier Recht gesprochen wird nicht auf Einzelfallbasis, sondern auf Basis eines unterstellten Sachverhalts.
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Im Regelfall wird bei der Deutung von THC Abbauzeiten und THC COOH Werten also durch Gerichte und Fahrerlaubnisbehörden der jeweilige Einzelfall ersetzt durch einen allgemeinen Fall, der zur Studie passt, die die Anordnung der MPU stützen soll (oder die Annahme des regelmäßigen Konsums zur Entziehung der Fahrerlaubnis). 

Kurzum: Es wird einfach der Sachverhalt so ausgetauscht bzw. so angepasst, dass er zu  der Studie passt, die zu einem tieferen Grundrechtseingriff führen soll als wissenschaftlich angezeigt. 

Nun besteht im grundrechtlich geschützten Bereichen aber keine Freizeichung von wissenschaftlich peinlichst genauer Arbeit gerade auch was interdisziplinäre Fragestellungen angeht. 

Nicht erst seit der die Wissenschaft entwürdigenden und die Grundrechte entweihenden Arbeit staatlicher "Würdeträger" in den letzten Jahren sei auf den vom BVerfG postulierten (BVerfGE, 51, 97, 110 - Entscheidung aus besseren Tagen dieses hohen Hauses) Grundsatz hinzuweisen, dass derjenigen Grundrechtsauslegung einer Grundrechtsnorm der Vorzug zu geben ist, die die Wirkungskraft dieses Grundrechts am stärksten entfaltet. 

Statt "stärksten" lesen Führerscheinstellen und Gerichte immer öfter "schwächsten".

Im Bereich der Grundrechte geht es immer um tiefe Eingriffe in Art 2 Abs. I GG und regelmäßig auch um solche in Art. 12 GG (da für viele Betroffene die Entziehung der Fahrerlaubnis identisch mit dem Verlust der Arbeit ist).

Der Grundsatz, man solle die bei der Auslegung des Grundrechts die Variante bevorzugen, die für den Betroffenen die geringste Eingriffstiefe bedeutet, wird in den letzten Jahren offenbar missverstanden (auch vom BVerfG) und ad absurdum geführt.

Im Bereich von Cannabis ist es einfach zu erklären: 

Stellt man nach einer Verkehrskontrolle bei einem Betroffenen eine Blutprobe zB 3,0 ng/ml THC und 80 ng/ml THC COOH fest (mit dieser Feststellung der Werte endet idR die wissenschaflich plausible und nachvollziehbar (dh. beweisbare) Arbeit und Argumentation der Behörden/Gerichte/Gutachterstellen) und sagte der Betroffene aus, er habe vor 12 Stunden erstmalig Cannabis konsumiert, so müsste man (weil sich wissenschaftlich der gelegentliche Konsum nicht nachweisen lässt), ein ärztliches Gutachten anordnen und nicht eine MPU (bzw nicht die direkte Entziehung der FE). Ein ärztliches Gutachten ist ein geringerer Eingriff in die Grundrechte in die MPU, die MPU ein geringerer als die Entziehung. 

Daraus folgt zwingend, dass man die Studie von THC und THC COOH Abbauzeiten wählen muss, die für den Betroffenen am günstigsten sind. Logisch, wenn man die Rspr des BVerfG ernst nimmt (und das konnte man früher!).

Fun Fact: Es gibt aber keine Studien, die auf den typischen Konsum von heute passen.

Überhaupt darf die Frage gestattet sein, wie im Bereich von Cannabis eine solche allgemeingültige Studie überhaupt denkbar ist. Das Konsumverhalten ist doch hoch variabel.  Man weiß nicht einmal in Ansatz, wie oft sich der Durchschnittskonsument wieviel zu Gemüte führt. Wie kann es da eine Studie geben, die auch nach annäherungsweise zur Verallgemeinerung dienen kann?

Karlsruhe ist aber weit weg und Papier geduldig. Die Verwaltungsgerichte interessiert diese Fragen nicht. Warum an solche Grundsätze halten, wenn man doch eine eigene Meinung hat?

Was bleibt einem übrig? Man setzt sich auf die Kanonenkugel und macht einen  auf Baron Münchhausen. Denn man braucht wie der berühmte Baron schon einiges an Phantasie und auch ein kreatives Verständnis hinsichtlich der Wahrheit, um einen wissenschaftlichen Studienmangel dadurch zu ersetzen, dass man sich alle auftretenden Fälle zu den idR nicht übertragbaren vorhandenen Studien passend denkt bzw. lügt bzw einfach den Sachverhalt austauscht.

Man liest so zB folgendes aus Sachsen vom OVG (Beschluss vom 20.12.2021, 6 A 772 / 19):

"Unter Zugrundelegung aktueller (sic!) Erkenntnisse zur Nachweisbarkeit von THC im Blutserum beträgt die Nachweisbarkeitsdauer von THC oberhalb einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC seit dem letzten Konsum sechs, bei Hochkonsum bis 12 Stunden und nur in Fällen täglichen Konsums gegebenfalls auch deutlich über 24 Stunden".

Hier wurde auf die Erkenntnisse der Beurteilungskriterien (2. Auflage v. 2005, S. 178) zurückgriffen, es wurde durch das OVG also konkludent erklärt, der Sachverhalt passe -trotz Unkenntnis der aufgenommenen THC Menge des Betroffenen- zu den Weisheiten aus den Beurteilungskriterien (ein Problematisierung der Frage, was die Studienteilnehmer und der Betroffene an THC eingenommen haben, führte das Gericht wie alle anderen Gerichte, Behörden und Begutachtungsstellen) nicht durch.

Der Klassiker in Fahrerlaubnisverfahren wegen Führen eines KFZ unter Wirkung von THC ist die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der zumindest gelegentliche Konsum angenommen werden kann.

Immer wieder wird dann Rückgriff auf die "Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung" genommen. Da stehen Behauptungen für die Fragestellung drin, wie lange sich THC nachweisen lässt und welche Ableitungen aus dem THC COOH Wert zu ziehen sind. 

Gerichte berufen sich darauf, Gutachterstellen berufen sich darauf und die Autoren des Buches scheinen keine Scham zu empfinden für ihr zutiefst abzulehnendes, wissenschaftsfeindliches Gehabe. Wir haben es mit den Begutachtungsleitlinien mit einem Werk zu tun, auf welches immer wieder zurückgegriffen wird, um aus prozessökonomischen Gründen die Schutzspähren der Grundrechte nach Gusto zu beschneiden  und den Sachverhalt für das Ergebnis passend zu  machen.

Fakt ist: Es gibt keine Studien, die belegen, welcher THC / THC COOH Wert etwa nach dem Konsum von 0,5 - 1 Gramm Cannabis mit 15 - 25 % THC Gehalt zu erwarten sind im zeitlichen Ablauf. 

Was machen Gerichte, Behörden und die von mir so innig geliebten Gutachterstellen?

Geben keinen Pfifferling drauf und übergehen die -naheliegende- Möglichkeit, dass heutzutage Mengen von Cannabis in guter bis sehr guter Qualität konsumiert und damit Mengen an THC konsumiert werden können, die nicht zu den Studien passen, auf die die Beteiligten (außer der Betroffene und sein Anwalt) sich berufen.

Ceteris Paribus Grundsatz? Nie gehört!

Bei diesem Grundsatz wissenschaflichen Arbeitens geht es darum, den Effekt von einer Variable auf das Model zu evaluieren, ohne dabei die anderen Variablen zu verändern.

Verändert man nunmehr einfach die Variable "Menge an verabreichten THC" und lässt die anderen Variablen (Anzahl der Studienteilnehmer, deren körperliche Beschaffenheit usw) gleich, dann müsste man prüfen, wie sich relativ dazu der THC COOH Wert entwickelt.

Dann müsste man prüfen, ob die bisherigen Annahmen (Werte zwischen 10 und 100 ng/ml THC für Einmalkonsum, 150 ng/ml THC COOH für regelmäßigen Konsum, Nachweisbarkeit von mindestens 1,0 ng/ml THC nur für 6 Stunden nach Konsumende und bei "Hochkonsum" für 12 Stunden usw)  noch haltbar sind. 

Das mit den 6 Stunden ist den "Maastricht Studien" zu entnehmen. Dort wurden den Teilnehmern der Studien 17 - 34 mg THC verabreicht. Was aber, wenn ein Gelegenheitskonsument, der alle 2 Wochen am Freitag und oder Samstag 1 Gramm an hochwertigen Cannabis raucht (oder noch besser: Oral konsumiert im Kakao) und dabei 250 mg oder an zwei Tagen 500 mg THC zu sich nimmt? 

Was ist dann mit den 6 Stunden? Die sollen dann weswegen genau noch gelten? Weil das in einem Buch steht, dass Studienergebnisse da für verallgemeinerungsfähig erklärt, wo es keine Verallgemeinerung geben kann? Ist dann der Konsum alle 2 Wochen täglicher oder beinahe täglicher Konsum, nur weil der THC COOH Wert mindestens 150 ng/ml beträgt? 

Das Gesetz bin  ich!

Aber diese Studien gibt es nicht. Was passiert stattdessen?

Man zieht stattdessen nicht übertragbare Begutachtungsleitlinien heran, um dem eigenen wissenschaftlichen Hasadeurentum ein wissenschafliches Gepräge zu geben. 

Oder wie will man es sonst nennen, wenn man Studien zur Bewertung heranzieht, wo Betroffene die o.g. Menge an Qualitätsweed geraucht haben könnten und damit 10 - 12 x mehr THC konsumiert haben (wenn nicht noch mehr) als bei den Studien den Probanden verabreicht wurde, auf welche in dieser Frage Machwerk die Beurteilungsleitlinien Rückgriff nehmen?

In der Regel wissen weder die Gerichte, noch die Behörden noch die Gutachterstellen noch der Betroffene von der absoluten Menge an aufgenommenen THC. Woher auch?

Aus dem legalen Cannabis Geschäft mit verlässlicher Angabe zu Sorte und THC Gehalt?

In welchem Anflug von wissenschaftlicher Anmassung kommt man also dazu, den Konsum des Betroffenen als passend zur Studie zu unterstellen, also passend zu lügen?

Man unterstellt doch durch Anwendung der Aussagen der "Begutachtungsleitlinien" konkludent, der Betroffene müsse genau so wenig THC konsumiert haben wie die Studienteilnehmer der Studie, auf die dieses Machwerk zurückgreift.

Die Sachverhaltslüge

Man biegt sich den Sachverhalt zurecht in dieser Hinsicht. Man macht ihn passend. Leider gibt es das Äquivalent "Sachverhaltsbeugung" zur Rechtsbeugung nach § 339 StGB nicht.

Man weiß nicht, wieviel THC eine Person konsumiert hat und wendet "Erkenntnisse" aus einem Buch an, bei denen um den Faktor 10 oder mehr weniger THC verabreicht wurde, als der Betroffene hätte konsumieren können

Was nicht passt, wird passend gemacht!

Was machen Behörden, Gerichte und Gutachterstellen? Sie unterstellen einfach, dass ein Betroffener nicht mehr THC konsumiert hat, als bei den Studien, die einfach deutlich zu niedrig angesetzt sind.

Und was anderes macht man als es  mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen, wenn man einen Sachverhalt für eine Studie als passend unterstellt, obwohl man nicht weiß und in der Regel nicht wissen kann, ob die Studie überhaupt übertragbar ist - ergo die Rahmenbedingungen also vergleichbar bzw identisch sind?

Es dürfte doch wohl zu unterstellen sein, dass die wissenschaftliche Trivialität der Entscheidungsträger nicht soweit ausgeprägt ist, dass man es unterlässt,  Studien in hinsichtlich der Menge des verabreichten THC zu hinterfragen und dann selbstständig überlegt, ob hier vielleicht ein Problem mit der Übertragbarkeit vorliegen könnte, weil die Studien nicht auf das heutige Konsumverhalten und heutige Cannabis Sorten passen?

Man verlässt sich also auf Autoren der Begutachtungsleitlinien, die diesen Studienmangel kennen und diesen Studienmangel durch herrschaftliche Bestimmung von irgendwelchen Studien ersetzen, die sie für allgemein anwendbar erklären, obwohl sie das in der Regel nicht sind.

Das ist ein massiv unredliches Verhalten. Man kann es als wissenschaftliche Schande bezeichnen ohne zu übertreiben.

Oder wie sonst will man es nennen, wenn man sagt oder konkludent zu verstehen gibt: 

Jeder Fall jedes Betroffenen passt zu dem, was in unserem Buch steht. Egal ob wir wissen, wie viel THC vom Betroffenen konsumiert wurde. Es passt immer. Es passt auch, wenn der Betroffene zehnmal mehr THC hat als die Teilnehmer der Studie (die sehr wenig THC konsumiert haben). Es passt deshalb, weil wir uns einfach denken, dass jeder Betroffene nicht mehr konsumiert haben kann als in unserer Studie. Deshalb passt unsere Studie ja auch so gut. Wir stehen über der Wissenschaft, wir brauchen diese nicht mehr.

Und wer sich so verhält, dem sind Grundrechte weitgehend egal. Für den, der sich auf so ein Buch bezieht, anstatt selber zu denken, gilt dasselbe. Wer Sachverhalte so pauschalisiert und "anpasst", dass sie für den maximalen Grundrechtseingriff passen, der kann es wohl kaum mit den Grundrechten ernst nehmen oder das Erfordernis eigener Denkleistung im grundrechtsrelevanten Bereich nicht verstanden zu haben.

Würde man selber denken, würde man die Begutachtungsleitlinien nicht für anwendbar erklären hinsichtlich der Frage, wie lange THC nach dem Konsum nachweisbar ist und welcher THC COOH Wert welches Konsummuster belegen soll. 

Der gemeinsame Nenner der Beteiligten scheint nicht die Wissenschaft zu sein.

 Vielmehr gilt scheinbar der Leitsatz:

 "Ich bin die Wissenschaft und ihr Verkünder" 

Das hat was sakrales. Aber im Bereich der Grundrecht sollte man vielleicht weniger auf das geschriebene Wort hören und mehr auf die Wissenschaft vertrauen bzw sich auf diese einlassen. Auch und gerade dann, wenn es dann sehr schwierig wird, überhaupt eine MPU anordnen zu können oder Kohle mit der Begutachtung verdienen zu können. Das ganze Kartenhaus würde bei Anwendung der Wissenschaft zusammenfallen.

Aber was ist wichtiger? Das Grundrecht und in dessen Auslegung der Schutzbereiche präziseste, neutralste objektive Methodik oder Sachverhaltsanpassung und maximal befremdliche Negierung grundlegendster wissenschaftlicher Prinzipien wie dem Grundsatz, dass man eine Behauptung beweisen muss.

Man muss den gelegentlichen Konsum beweisen. Das geht in aller Regel nicht aus Mangel an Studien bzw weil man nicht weiß, wieviel der Betroffene konsumiert hat und ob die Studien deshalb anwendbar sind oder nicht.

Stattdessen erklärt man die Sachverhalte für allgemein passend zur veralteten Studienlage. Um die Anordnungsmöglichkeit der MPU als solche zu retten. Das wissen die Beteiligten und berufen sich auf die Begutachtungsleitlinien. Also ein Buch, dass zum Thema hat, wie man auch und gerade eine MPU durchzuführen hat. Und stünde da die Wahrheit drin, dass es gar keine Studien gibt, die den gelegentlichen (oder regelmäßigen) Konsum von Cannabis beweisen bei bestimmten THC COOH Werten, dann gäbe es die MPU nicht. Monetär nicht eben vorteilhaft für die Begutachtungsstellen.

Will heißen: Die Autoren der  Begutachtungsleitlinien vertreten wissenschaftlich unredlichen Aussagen und v.a. die  Gutachterstellen verdienen daran. Und die Grundrechte verlieren ihre Schutzsphären und die Betroffenen nicht selten ihre Existenz. 

So liest man in § 4a S. 1 FeV:

"Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (VkBl. S. 110) in der Fassung vom 17. Februar 2021 (VkBl. S. 198)." 

Somit wird die Handhabe der Sachverhaltslüge und der Behauptung, man hätte den heiligen Gral der THC COOH Studien in den Begutachtungsleitlinien gefunden, die offizielle Legitimation erklärt. Eine Verordnung, die somit direkt den grundrechtswidrigen Eingriff durch den Verzicht auf Wissenschaft legitimiert. Harte Nummer.

Ungewollt komisch gibt sich dann der Verordnungsgeber, wenn er dann in § 4 a Abs. I Nr. C zu verstehen gibt:

"Die Untersuchung darf nur nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen vorgenommen werden."

Man verweist also auf die in Teilen wissenschaftlich nicht haltbare respektive übertragbare Aussagen aus Begutachtungsleitlinien und fordert gleichzeitig auf, dass die Untersuchung nur nach wissenschaftlichen Grundsätzen vorgenommen werden dürfe. Schon ein spezieller Humor, wie  ich finde...

Es ist kein Wunder, wenn irgendwann zeitnah die Grundrechte das Papier nicht mehr wert sind, auf dem sie stehen. Niemand scheint erkennen zu wollen, dass der Hang zur unwissenschaftlichen Arbeit die Grundrechte wie ein immer größer werdender Tumor zerfrisst. 

Das gilt im Fahrerlaubnisrecht bei den Gutachterstellen, Behörden und Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten und frisst sich bis in die  Spruchkammern der höchsten Gerichte durch: Mangelnde Methodik. Über die Hintergründe kann sich jeder selbst seine Meinung bilden.

Nochmal der Leitsatz des OVG Sachsen (wie OVG NRW u.a.):

"Unter Zugrundelegung aktueller (sic!) Erkenntnisse zur Nachweisbarkeit von THC im Blutserum beträgt die Nachweisbarkeitsdauer von THC oberhalb einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC seit dem letzten Konsum sechs, bei Hochkonsum bis 12 Stunden  und nur in Fällen täglichen Konsums gegebenfalls auch deutlich über 24 Stunden".

Das stimmt. Jedenfalls dann, wenn der Betroffene genau so viel THC konsumiert hat, wie in den Studien, auf die das Gericht und die Beurteilungskriterien sich berufen. Müsste schon ein kurioser Zufall sein, oder?

Man hat sich diesen Umstand der identischen Bedingungen -weil er nicht zu beweisen ist- einfach dazu gedacht, um den Sachverhalt zu den Beurteilungskriterien anzupassen und etwas zu beweisen, was nicht zu beweisen war. 

Der Leser darf selbst entscheiden: Recht oder Unrecht? Redlich oder unredlich die Nummer?

Ob das eine Ausnahme ist? 

Nein. Das ist bei so ziemlich allen Gerichten, Behörden und Gutachterstellen so herrschende Praxis. Ziemlich bitter für die Grundrechte. Die sind -wenn das so weiter geht- auf Abschiedstournee.

Ihnen wurde als Ersttäter eine MPU angeordnet, obwohl  Sie zum Konsumverhalten eisern geschwiegen haben? Dann hat man Ihnen und den Grundrechten damit gewohnt übel mitgespielt. 

Ob in diesen Fällen ein Fall des § 339 StGB (Rechtsbeugung) vorliegt, wird jedenfalls in den Fällen zu prüfen sein, in denen man die Gerichte und Führerscheinstellen möglichst unverzüglich auf den Mangel in der Methodik und dann Sachverhaltsaustausch hinweist, um hier jedenfalls dem zu erwartetenden Einwand zu begegnen, man habe nicht vorsätzlich gehandelt.

Die Betroffenen und die Grundrechte werden hier in komplett inakzeptabler Weise behandelt und auch strafrechtliche Überprüfung liegen in diesen Fällen nahe.

Wenn Sie Fragen haben, schreiben Sie mir gerne. Gerne kümmere ich mich -streng wissenschaftlich- um Ihren Fall.


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