Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Fußgängerin mit 1,75 Promille: Alleinschuld am Verkehrsunfall

  • 2 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Autofahrer sind nicht nur schnelle, sondern auch verhältnismäßig gut geschützte Teilnehmer am Straßenverkehr. Fußgänger oder Fahrradfahrer haben dagegen keine schützende Blechschicht um sich herum. Kommt es daher zu einem Unfall, haften Autofahrer sogar ohne eigenes Verschulden. Diese sogenannte Betriebsgefahr ist aber nicht in allen Fällen zu berücksichtigen, sagt das Oberlandesgericht (OLG) Celle.

Schadenersatz und Schmerzensgeld

Eine Fußgängerin hatte bei Dunkelheit und Regen innerhalb einer Ortschaft versucht, die Straße zu überqueren. Auf der Fahrbahn wurde sie allerdings von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt. Zuvor hatte die Dame wohl so einiges getrunken, denn bei ihr wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,75 Promille festgestellt.

Auch wenn sie an das Unfallgeschehen selbst keine Erinnerung hatte, gestand sie einen Verschuldensanteil in Höhe von 75 Prozent ein. Für das übrige Viertel verlangte sie aber 20.000 Euro Schmerzensgeld. Außerdem sollte das Gericht feststellen, dass ihr zukünftig noch auftretende unfallbedingte Schäden zu 25 Prozent von der Fahrerin und deren Haftpflichtversicherung als Gesamtschuldner ersetzt werden.

Nachdem ein Verschulden der Autofahrerin an dem Verkehrsunfall nicht nachgewiesen werden konnte, begründete sie ihre Forderung vor allem mit der Betriebsgefahr des Automobils.

Betriebsgefahr meist 20 oder 25 Prozent

Tatsächlich ist die Annahme einer verschuldensunabhängigen Betriebsgefahr – im Bereich von etwa 20 bis 25 Prozent – keine Seltenheit. Insoweit haften Autofahrer bzw. die Haftpflichtversicherung für die generelle Gefährlichkeit, die vom Betrieb eines Automobils ausgeht – unabhängig davon, ob der Fahrer tatsächlich einen Fehler gemacht hat oder nicht.

Hat der andere Verkehrsteilnehmer allerdings durch sein Fehlverhalten den Verkehrsunfall quasi allein versuracht und hätte der Autofahrer diesen gar nicht verhindern können, fällt die Betriebsgefahr gegebenenfalls geringer aus oder tritt sogar vollständig zurück.

Unfall für Autofahrerin nicht zu verhindern

Laut dem vom Gericht in diesem Fall eingeholten Sachverständigengutachten war die Fahrerin des Autos zum Unfallzeitpunkt mit 40 bis 50 km/h unterwegs. Das ließ sich anhand der Unfallspuren am Fahrzeug eindeutig feststellen.

Ferner hatte die Autofahrerin angegeben, dass ihr die Betrunkene vor das Auto gelaufen sei und sie trotz sofortigen Bremsens den Zusammenstoß nicht verhindern konnte. Der Sachverständige hat auch das im Ergebnis bestätigt: Nachts, bei Regen und unter den gegebenen Beleuchtungsbedingungen am Unfallort war es der Autofahrerin maximal 1 bis 1,5 Sekunden vor dem Zusammenstoß möglich, die betrunkene Fußgängerin auf der Fahrbahn zu erkennen.

Die 1 bis 1,5 Sekunden entsprechen in der gegebenen Situation in etwa der Reaktionszeit, der Bremsweg ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Auch bei einer unverzüglich eingeleiteten Vollbremsung war der Unfall damit für die Fahrerin des Automobils nicht zu verhindern.

Vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr

Das OLG Celle kam daher hier zu der Entscheidung, dass das Verschulden der Fußgängerin so erheblich war, dass eine Betriebsgefahr des Kfz nicht mehr zur berücksichtigen war. Sie hatte immerhin bei Dunkelheit und Regen ganz erheblich betrunken und wohl ohne auf etwaige Autos zu achten die Straße betreten.

Im Ergebnis musste die Fahrerin bzw. deren Versicherung damit weder für die Krankenbehandlung der Fußgängerin aufkommen noch ein Schmerzensgeld zahlen. Es bleibt aber immer eine Frage des Einzelfalls, ob die Betriebsgefahr hinter einem Verschulden des Unfallgegners teilweise, vollständig oder eben gar nicht zurücktritt.

(OLG Celle, Urteil v. 19.03.2015, Az.: 5 U 185/11)

(ADS)

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen:


Beiträge zum Thema