Geld zurück vom Online-Casino – OLG Stuttgart: Tipico muss Spieler alle Verluste erstatten

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In einem weiteren von unserer Kanzlei geführten Verfahren hat der 13. Zivilsenat des OLG Stuttgart mit Urteil vom 09.11.2023 den Online-Glücksspiel-Anbieter Tipico Games Ltd. aus Malta zur Rückzahlung aller Verluste eines Spielers verurteilt, welche dieser im Online-Casino bei "Tipico" verloren und auch eingeklagt hatte. 

Im Zeitraum vom 21.05.2019 bis zum 06.04.2021 setzte der Kläger auf der Internetseite der Beklagten insgesamt 37.930,80 € für Online-Glücksspiele in Form virtueller Spielautomaten ein. Abzüglich eines Gewinns von 16.349,10 € machte er in dem Zeitraum einen Verlust von 21.581,70 €.

Auf die Klage des Spielers hatte das LG Ravensburg die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Berufung wurde nun vom 13. Zivilsenat des OLG Stuttgart mit Urteil vom 09.11.2023 zurückgewiesen.

Zunächst wies der Senat die Behauptung der Beklagten zurück, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei. Da der Kläger die Ansprüche unstreitig nicht abgetreten hatte, wäre es nach Auffassung des Senats Aufgabe der Beklagten gewesen, substantiiert eine Abtretung und damit ein nachträgliches Entfallen der Aktivlegitimation des Klägers darzulegen. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen.

Des Weiteren habe die Beklagte die Zahlungen der Spieler ohne Grund erhalten, weil die Spielverträge wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des Veranstaltens und Vermittelns von Online-Glücksspielen im Internet verstoßen hätten. Die streitentscheidenen Normen, gegen die verstoßen worden sei, würden auch nicht gegen Europarecht verstoßen. Dem stünde auch der Umlaufbeschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 08.09.2020 nicht entgegen. Durch diesen Umlaufbeschluss seien die bis dahin unerlaubt gewesenen Online-Angebote von Casino- und Automatenspielen nicht im Wege eines Verwaltungsakts legalisiert worden.

Der Rückforderungsanspruch des Klägers sei auch nicht nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe dem Kläger bereits keine positive Kenntnis des Verbots der streitgegenständlichen Online-Glücksspiele nachweisen können. Im Gegenteil habe der Kläger überzeugend dargelegt, dass er von der Legalität des Angebots der Beklagten ausgegangen sei. Anders als die Beklagte meint, sei auch nicht von einer allgemeinen Bekanntheit der Unzulässigkeit solcher Glücksspiele auszugehen. Eine andere Beurteilung wäre auch dann nicht geboten, wenn man in der vorliegenden Fallkonstellation ein leichtfertiges Sich-Verschließen ausreichen lassen würde. Auch dies könne nämlich vorliegend nicht angenommen werden. Auch wenn der Kläger schon mal darauf gestoßen sein sollte, dass Zweifel an der Legalität von Online-Glücksspielen geäußert worden seien, folge daraus keine Obliegenheit zu einer Recherche, ob die Beklagte über eine entsprechende Lizenz verfügte. Dies zumal die Beklagte, die sich bezogen auf Deutschland selbst als „Branchenprimus“ bezeichnet, stark (auch werbemäßig und mit zahlreichen Wettshops) vertreten ist und ihr Internetangebot vollständig in deutscher Sprache gestaltet hatte. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass es leichtfertig gewesen sei, dass sich der Kläger nicht einmal im Internet informiert habe, könnte nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass er ggf. eine korrekte rechtliche Einschätzung erhalten hätte.

Gleichwohl spreche viel für einen Ausschluss der Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB. Nach dessen gebotener einschränkender Auslegung greift die Kondiktionssperre nämlich nicht ein, wenn die Aufrechterhaltung des verbotswidrig getroffenen Zustands mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar ist, und dies deshalb von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann und der Zweck von § 4 Abs. 4 GlüStV (2012) untergraben werden würde, wenn die von den Spielern geleisteten Einsätze gemäß dauerhaft beim Anbieter des verbotenen Glücksspiels verblieben. Ferner würden in einem solchen Fall die in § 1 GlüStV (2012) postulierten Ziele konterkariert, der verhindernde gesetzeswidrige Zustand perpetuiert und weiterem verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet.

Es möge zwar ggf. unbillig erscheinen, wenn ein Spieler einerseits die eingeräumten Gewinnchancen realisieren und andererseits Verluste zurückfordern, mithin gleichsam risikolos spielen kann. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten könne aber schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden.

"Der 13. Zivilsenat hat sich erstaunlich deutlich der bisher herrschenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen. Soweit ersichtlich war es aber die erste Entscheidung des OLG Stuttgart. An dieser Entscheidung werden sich zukünftig die Landgerichte in Stuttgart, Heilbronn, Rottweil, Ellwangen, Tübingen, Ulm, Hechingen und Ravensburg zu orientieren haben. Dies ist ein großer Erfolg für betroffene Verbraucher.", sagt Rechtsanwalt Dr. Patrick Redell, der dem Spieler in dem vorgenannten Verfahren rechtlichen Beistand leistete.  

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: https://www.redell.com/blog

Sollten Sie auch Verluste beim Online-Glücksspiel erlitten haben, melden Sie sich gerne unverbindlich bei uns über rechtsanwalt@redell.com. Ihre Anfrage wird selbstverständlich vertraulich und diskret behandelt.



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