Geltendmachen und Vergütung von Überstunden

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Ende 2018 konnte man in den Medien lesen, dass Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2017 eine Milliarde unbezahlte Überstunden leisteten. Das ist eine wirklich enorme Zahl. Da stellt sich die Frage: Müssen Arbeitnehmer überhaupt Überstunden leisten bzw. in welchen Fällen müssen sie das tun? Wenn Überstunden geleistet werden, muss der Arbeitgeber die Überstunden bezahlen und wie muss er ggfs. die Überstunden bezahlen? Schließlich mindestens genauso wichtig ist die Frage, wie können die Arbeitnehmer die Bezahlung der Überstunden ggfs. durchsetzen.

Müssen Arbeitnehmer Überstunden leisten? 

Was sind überhaupt Überstunden? Arbeiten Sie mehr als die individuelle Arbeitszeit, dann leisten Sie Überstunden. Ist also z. B. in Ihrem Arbeitsvertrag vereinbart, dass Sie von Montag bis Freitag jeweils 6 Stunden arbeiten müssen, daher in der Woche 30 Stunden und arbeiten Sie darüber hinaus z. B. an einem Samstag noch zusätzlich 4 Stunden, dann sind diese vier Stunden Überstunden, denn Sie arbeiten mehr als Sie gemäß Ihrer individuell arbeitsvertraglich vereinbarten Zeit arbeiten müssten.

Eine gesetzliche Pflicht zur Leistung von Überstunden gibt es allerdings nicht. Nur wenn in Ihrem Arbeitsvertrag eine Klausel enthalten ist, die Sie zur Leistung von Überstunden verpflichtet oder ein entsprechender Tarifvertrag auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet, müssen Sie Überstunden leisten. Selbst dann dürfen Sie laut Gesetz maximal 48 Stunden pro Woche arbeiten – kurzfristig auch 60 Stunden, aber nur bei entsprechender Ausgleichszeit. Ist aber keine vertragliche und/oder tarifvertragliche Grundlage zur Leistung von Überstunden vorhanden, kann der Arbeitgeber keine Überstunden von Ihnen verlangen. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber von Ihnen die Ableistung von Überstunden nur in absoluten Notfällen verlangen, zu denen jedoch nicht z. B. krankheitsbedingte Ausfälle anderer Arbeitnehmer oder der plötzliche Großauftrag zählen.

Müssen Überstunden vergütet werden? 

Generell müssen zusätzliche Arbeitsstunden vergütet werden. Wäre es anders, würde der Arbeitnehmer ja mehr Arbeit leisten, als ihm bezahlt wird. Und das ist mit dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags (Arbeit gegen Lohn) nicht zu vereinbaren. Eine andere Frage ist, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für die Überstunden erhalten kann. Hier ist die Zahlung einer Vergütung oder der Ausgleich durch bezahlte Freizeit denkbar. Für welche Variante der Arbeitgeber sich entscheidet, steht jedoch nicht allein in seinem Ermessen. Denn da der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Beschäftigung hat, kann der Arbeitgeber ihn nicht einfach freistellen und so die Überstunden ausgleichen. Sie können nur dann durch Freizeitausgleich (abbummeln) ausgeglichen werden, wenn der Arbeitnehmer damit im konkreten Einzelfall einverstanden ist oder wenn sich der Arbeitgeber diese Möglichkeit des Überstundenabbaus im Arbeitsvertrag vorbehalten hat bzw. sich im Tarifvertrag eine Regelung dieses Inhalts findet. Andernfalls sind Überstunden zu vergüten, und zwar mit der für die regelmäßige Arbeitszeit vereinbarten Vergütung. Einen Zuschlag für Überstunden gibt es allerdings nicht, es sei denn, es besteht eine einzelvertragliche Vereinbarung dahingehend bzw. ein tarifvertraglicher Anspruch.

In Arbeitsverträgen finden sich oftmals Klauseln, wonach eine gewisse Anzahl von Überstunden bereits mit der vereinbarten Regelvergütung abgegolten sind, wie z. B. dass Überstunden nur dann zu bezahlen sind, wenn sie einen bestimmten Umfang von z. B. zehn pro Monat überschreiten. Je nach Formulierung und Inhalt einer solchen Klausel, besteht dann tatsächlich kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung der Überstunden. Solche Überstundenklauseln sind in vielen Fällen rechtlich unwirksam. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedenfalls eine Klausel im Arbeitsvertrag unwirksam, wenn darin pauschal geregelt ist, dass Überstunden mit der vereinbarten Vergütung abgegolten sind. Letzteres gilt aber dann nicht, wenn es sich um „Besserverdiener“ handelt. Das kann z. B. der Fall bei einem angestellten Geschäftsführer sein. Dieser arbeitet in der Regel in einer herausgehobenen Position im Unternehmer, damit geht die Erwartung des Arbeitgebers einher, dass er mehr Zeit dem Betrieb aufopfert. Ist seine Arbeit entsprechend höher vergütet, kann von ihm erwartet werden, dass er Überstunden unentgeltlich erbringt, d. h., nicht zusätzlich hierfür noch eine Vergütung beanspruchen kann. In anderen Fällen dürften die Klauseln unwirksam sein. 

Wie kann die Bezahlung von Überstunden durchgesetzt werden?

Leider ist die Durchsetzung der Bezahlung für Überstunden nicht ganz so einfach, wie Arbeitnehmer das landläufig glauben. Oft wird angenommen, dass ein Zettel mit einer selbst erstellten Notiz über die Anzahl der Überstunden oder Aussagen, wie „Wir haben immer eine Stunde pro Tag mehr gearbeitet.” ausreichend sind. Der Arbeitnehmer muss vortragen, dass er ganz konkret nach dem Arbeitsvertrag zur Leistung von z. B. 8 Stunden täglich oder 40 Stunden wöchentlich verpflichtet ist und über diese Stunden hinaus, an einem ganz bestimmten Tag von z. B. 17:00 Uhr bis 19:00 Uhr über diese arbeitsvertraglich bezahlte Arbeitszeit gearbeitet hat. Dafür muss er Arbeitnehmer in der Regel auch einen Beweis anbieten. Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer im Rahmen eines zweiten Prüfungsschritts vortragen, inwiefern der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder diese ihm zumindest zuzurechnen sind (BAG vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12). Üblicherweise wird hier verlangt, dass die geleisteten Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren. Denn der Arbeitgeber muss sich keine Überstunden aufdrängen lassen, die Leistung der Überstunden muss auf seine Veranlassung erfolgt sein. Das nachzuweisen, kann für den Arbeitnehmer durchaus sehr schwierig sein, sodass die Durchsetzung der Überstunden hieran oft scheitert.

Hier kommt jedoch neuerdings dem Arbeitnehmer die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte entgegen. Das Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg (Teilurteil vom 28.6.2017 – 15 Sa 66/17) z. B. zweifelt an der sachlichen Richtigkeit der strengen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Überstundenvergütung, insbesondere der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer darlegen und beweisen muss, dass der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet hat.

Tipp: Schreiben Sie Ihre Überstunden nach Datum und Zeit auf, möchten Sie das „wasserdicht“ machen, schreiben Sie zusätzlich auf, welche Tätigkeiten Sie in der Zeit ausgeübt haben. Das kostet Sie nicht so viel Aufwand. Wollen Sie später, vielleicht sogar ein, zwei Jahre nach Ableistung der Überstunden diese durchsetzen, haben Sie zumindest das Problem nicht, dass Sie sich nicht erinnern können, wann und wie viel Sie an einem bestimmten Tag gearbeitet haben. 

Wie lange können Überstunden geltend gemacht werden? 

Ist das Arbeitsverhältnis beendet, können naturgemäß Überstunden nicht in Freizeit abgegolten werden, auch wenn das z. B. nach dem Arbeitsvertrag zulässig wäre. Es bleibt nur der finanzielle Ausgleich. Oftmals scheuen sich Arbeitnehmer, in einem laufenden Arbeitsverhältnis Überstunden geltend zu machen. Vielleicht sprechen sie das Thema gegenüber ihrem Arbeitgeber an, wenn der Arbeitgeber aber nur verspricht, sich darum zu kümmern und nichts weiter passiert, lassen die Arbeitnehmer oftmals das Thema ruhen, in der Hoffnung, der Arbeitgeber wird schon früher oder später zu dem Thema zurückkehren. Eine schriftliche Geltendmachung oder gar die gerichtliche Geltendmachung der Überstunden wollen Arbeitnehmer dann doch nicht anstrengen, um möglichen Konflikten mit dem Arbeitgeber aus dem Weg zu gehen. 

Ist das Arbeitsverhältnis einmal beendet, wollen Arbeitnehmer nachvollziehbarer Weise dem ehemaligen Arbeitgeber natürlich nichts schenken und verlangen dann doch die Bezahlung der Überstunden. Unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nun die Überstunden wie oben beschrieben aufstellen kann, steht er dann vor einem weiteren Problem. Der Arbeitgeber wird sich darauf berufen, dass die Geltendmachung der Ansprüche ohnehin ausgeschlossen ist. Die meisten Arbeitsverträge enthalten nämlich eine Ausschlussklausel. Hiernach müssen gegenseitige Ansprüche innerhalb einer bestimmten Frist ab Fälligkeit – in der Regel drei Monate – geltend gemacht werden, andernfalls verfallen sie. Macht der Arbeitnehmer nun nach mehreren Monaten oder gar Jahren die Ansprüche geltend, wären diese ausgeschlossen. Hier kann helfen, dass die Klauseln gar nicht selten unwirksam sind. Arbeitsverträge sind in den meisten Fällen sog. allgemeine Geschäftsbedingungen. Verwendet der Arbeitgeber solche, muss er darauf achten, dass sie transparent sind und den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen. Oft werden in Ausschlussklauseln nicht die Ansprüche auf Zahlung des Mindestlohnes ausdrücklich herausgenommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind solche Klauseln unwirksam. Die Unwirksamkeit dieser Klausel bedeutet nicht etwa nur, dass die Geltendmachung der Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn auch noch nach Ablauf der Ausschlussfrist geltend gemacht werden können. Vielmehr ist es so, dass die gesamte Klausel unwirksam ist, sodass jegliche finanzielle Ansprüche, also z. B. Überstundenvergütung, auch dann noch geltend gemacht werden können, wenn die Ausschlussfrist abgelaufen ist.

Enthalten Arbeitsverträge ausnahmsweise keine Ausschlussfrist oder ist diese aufgrund der obigen Ausführungen unwirksam, können Überstunden grundsätzlich innerhalb der Verjährungsfrist geltend gemacht werden. Diese beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch auf Zahlung der Vergütung aus geleisteten Überstunden entstanden ist.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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