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Gerichte müssen Angeklagte vor dem Deal belehren

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Wiederholt kritisiert das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das zu sorglose Vorgehen eines Gerichts beim sogenannten Deal im Strafprozess. Angeklagte sind bereits vor einer solchen Absprache über deren Verbindlichkeit zu belehren. Eine Belehrung erst vor einem daraufhin abgegebenen Geständnis reiche regelmäßig nicht aus. Gleichzeitig wies das Verfassungsgericht den Bundesgerichtshof (BGH) auf einen schweren Fehler bei seiner Revisionsentscheidung zu diesem Fall hin.

Geständnis aufgrund Absprache

Anlass der Entscheidung war die Verfassungsbeschwerde eines Mannes. Wegen Betäubungsmitteldelikten hatte ihn das Landgericht (LG) Berlin zu sechs Jahren Freiheitstrafe verurteilt. Diesem Urteil ging wiederum eine vom Anwalt des Angeklagten angeregte Absprache mit Gericht und Staatsanwaltschaft voraus. Bei einem Geständnis, einer Rücknahme bereits gestellter und einem Verzicht auf neue Beweisanträge stellte ihm das Landgericht Berlin darin zwischen sechs und sechseinhalb Jahren Haft in Aussicht – allerdings ohne ihn vor dem Deal über Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung davon zu belehren. Eine solche Belehrung durch das Gericht erfolgte erst vor dem nachfolgenden Geständnis. Das legte der Angeklagte eine Woche nach der Absprache ab. Das Urteil basierte wesentlich darauf.

Revision mangels Auswirkung abgelehnt

Bevor die Entscheidung jedoch Rechtskraft erlangte, legte der Mann Revision ein. Das Urteil sei mangels Belehrung vor dem Deal über Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung von der getroffenen Absprache rechtswidrig. So gelangte der Fall in letzter Instanz zum Bundesgerichtshof. Dieser teilte die Meinung zwar hinsichtlich eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht. Dennoch sei das Urteil nicht rechtswidrig, weil sich der Verstoß nicht auf die Entscheidung ausgewirkt habe (BGH, Urteil v. 07.08.2013, Az.: 5 StR 253/13).

Zu diesem Ergebnis gelangt das oberste Gericht mit einer Begründung, die die kritische Einstellung des Bundesverfassungsgerichts zum Deal weiter erhärtet hat. Denn das Geständnis hätte der Angeklagte nach Meinung der BGH-Richter auch so abgegeben. Schließlich sei er zumindest vor diesem belehrt worden. Zudem habe er für das Geständnis eine Woche Zeit zum Überlegen gehabt. Und nicht zuletzt sei da ja auch noch sein Verteidiger gewesen. Der habe ihn als seinen Mandanten mit ziemlicher Sicherheit so informiert, dass sich keine Drucksituation hinsichtlich des Geständnisses ergeben habe. Infolge dieser allerdings vor allem auf Mutmaßungen als auf Feststellungen basierenden Entscheidung folgte die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.

Belehrung ist Sache des Gerichts

Diese nahmen die Verfassungsrichter zum Anlass, nochmals auf die Einhaltung der Regeln bei solchen Absprachen zu pochen. Die Belehrung sei immer noch primär Aufgabe des Gerichts und nicht des Verteidigers. Für den Angeklagten stelle es einen erheblichen Unterschied dar, wer ihn belehre. Schließlich leite das Gericht das Verfahren und entscheide über die Bestrafung und nicht der Anwalt. Das Gericht müsse dabei stets den Eindruck eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens vermitteln. Und zu diesem gehört gerade der deutliche Hinweis auf die Aussagefreiheit von Beschuldigten und der verbotene Zwang zu einer Selbstbelastung. Es dürfe daher nicht der Eindruck entstehen, dass ein Angeklagter sich nach seiner Zustimmung zwingend an die Absprache halten müsse.

Es sei einem Angeklagten im Rahmen einer Absprache daher stets klar zu machen, dass diese weder ihn noch das Gericht absolut binde. Bereits vor der Zustimmung zu einer Absprache sei deshalb über die eine Bindung entfallen lassenden Umstände zu belehren. Die Bindung entfällt etwa, wenn das Gericht rechtliche oder tatsächlich bedeutende Umstände übersehen hat oder sich solche nach der Absprache neu ergeben haben. Nicht zuletzt erinnerte das Bundesverfassungsgericht den Bundesgerichtshof daran, dass für die für eine Revisionsprüfung entscheidende Frage, ob ein Urteil auf dem Fehler beruht, konkrete Feststellungen notwendig sind. Sonst ließen sich mit der Vermutung, ein anwaltlich vertretener Angeklagter sei ausreichend informiert, Verstöße gegen die Belehrungspflicht leicht vom Tisch wischen.

(BVerfG, Beschluss v. 25.08.2014, Az.: 2 BvR 2048/13)

(GUE)

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