Geschwindigkeitsüberschreitung - Messung durch Nachfahren

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Bundesweit werden verschiedenste Messgeräte eingesetzt, um Geschwindigkeitsüberschreitungen festzustellen und Temposünder zu überführen. In der Regel handelt es sich dabei um standardisierte Messverfahren (z.B. PoliScan FM1, Traffipax TraffiPhot etc.)  


Standardisierte Messverfahren

Hierunter versteht man vereinheitlichte (technische) Verfahren, bei denen die Bedingungen ihrer Anwendbarkeit und ihr Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Liegt ein solches vor, muss sich das Gericht nur dann von der Zuverlässigkeit der Messung überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind. Der Betroffene muss in diesen Fällen also selbst konkrete Anhaltspunkt für eine Fehlmessung vortragen und entsprechende Beweisanträge stellen, damit eine weitergehende Überprüfung stattfindet.


Nicht-standardisierte Messverfahren

Die Polizei hat aber auch die Möglichkeit, Geschwindigkeitsmessungen ohne Einsatz geeichter Messgeräte durchzuführen, was in der Regel durch Nachfahren geschieht. In der Rechtsprechung  ist anerkannt, dass eine solche Geschwindigkeitsmessung als Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung ausreichen kann, selbst wenn der Tachometer des nachfahrenden Fahrzeugs ungeeicht und nicht justiert war. Da es sich hierbei aber nicht um ein standardisiertes Messverfahren handelt, muss sich das Gericht in jedem Einzelfall mit der Zuverlässigkeit der Messung und der Einhaltung der Voraussetzungen auseinandersetzen. Was zu diesen von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen gehört, hat zuletzt das Kammergericht Berlin in seiner Entscheidung vom 27.02.2023 zusammengefasst. Erforderlich ist z.B. eine ausreichend lange Messtrecke und ein gleichbleibender sowie ein nicht zu großer Abstand zwischen dem Messfahrzeug und dem Betroffenen. Dabei sind die Längen der Messstrecken und Abstände zwischen den beteiligten Fahrzeugen geschwindigkeitsabhängig. Je höher die gefahrene Geschwindigkeit, desto länger muss die Mindestmesstrecke sein und desto höher darf auch der Verfolgungsabstand sein. Bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h soll der Höchstverfolgungsabstand z.B. 50 m und die Mindestmesstrecke 250 m betragen, bei einer Geschwindigkeit bis 120 km/h ist ein Abstand von maximal 100 m erlaubt und eine Messstrecke von 500 m erforderlich. Hierbei handelt es sich nur um Richtwerte, weshalb Über- bzw. Unterschreitungen ggf. auch durch eine längere Messstrecke ausgeglichen werden können. Findet die Messung zur Nachtzeit statt, müssen außerdem Feststellungen dazu getroffen werden, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte. Darüber hinaus ist auszuführen, ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit erkennbare Orientierungspunkte vorhanden waren. Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren.


Verteidigungsmöglichkeiten

Da die Anforderungen an die Feststellungen in einem Urteil bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren somit insgesamt sehr hoch sind, haben Betroffene sehr gute Chancen, gegen den konkreten Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung vorzugehen. Dies zumal auch die Erfahrung des Nachfahrenden eine große Rolle spielt. Sollte dieser z.B. alleine im Fahrzeug gewesen sein und bisher nur selten Messungen durch Nachfahren durchgeführt haben, muss das Gericht dessen Beobachtungen und Feststellungen zu Geschwindigkeit, Abstand, Zeit und Strecke umso kritischer hinterfragen. Ebenso muss stets geprüft werden, ob ausreichende Toleranzen in Abzug gebracht wurden. Da die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tacho trotz Einhaltung dieser Voraussetzungen ungenau ist, legt man hier in der Regel einen Toleranzabzug von ca. 20% des Ablesewertes zugrunde.

Wird man im Rahmen einer Verkehrskontrolle damit konfrontiert, man habe durch Nachfahren eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt, sollte man unbedingt schweigen. Liegt nämlich ein vollumfängliches Geständnis vor, werden deutlich geringere Anforderungen an die zu treffenden tatsächlichen Feststellungen gestellt. Ebenso kann ein uneingeschränktes Geständnis dazu führen, dass andere Fehler nicht mehr von Bedeutung sind.

Also: Schweigen und Anwalt anrufen!

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