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Gesundheitsreform 2007: Was kommt auf Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen zu?

  • 4 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Wohl kaum ein anderes Thema hat die Öffentlichkeit in den letzten Monaten mehr beschäftigt als die Gesundheitsreform. Dass der Bevölkerung dieses Thema besonders am Herzen liegt, ist nur allzu verständlich. Schließlich sind die meisten von der Gesetzesänderung in zweifacher Hinsicht betroffen - als Beitragszahler und als Patient. Welche Auswirkungen hat die Reform für die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse?

[image]Entwicklung der Beiträge und Gesundheitsfonds

Mancher wird sich noch erinnern: Schon mit Einführung der 10-Euro-Praxisgebühr wurden den gesetzlich Versicherten Beitragssenkungen in Aussicht gestellt. Doch bisher warten die Beitragszahler darauf vergeblich. Bereits vor der Reform haben zahlreiche gesetzliche Krankenversicherungsträger die Beitragssätze um durchschnittlich 0,6 oder mehr Prozentpunkte erhöht. Ob sich die finanzielle Belastung für die Beitragszahler durch die Gesundheitsreform verbessert, ist fraglich.  

Bis zur Einführung des Gesundheitsfonds 2009 muss mit weiteren Beitragserhöhungen gerechnet werden. Denn im Zuge der Reform wurden die Krankenkassen verpflichtet, ihre Schulden bis spätestens Ende 2008 komplett abzubauen. Die Kosten hierfür werden die meisten Kassen vermutlich über weitere Beitragserhöhungen kompensieren.

Ab 2009 müssen bundesweit alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung einen einheitlichen Beitragssatz leisten, der zusammen mit den staatlichen Mitteln in einen gemeinsamen Topf fließt, den Gesundheitsfonds. Welche Auswirkungen dies auf den Geldbeutel des Beitragszahlers haben wird, ist noch offen. Denn die konkrete Höhe des allgemeinen Beitragssatzes wird die Bundesregierung erst Ende 2008 anhand der aktuellen Ausgaben der Krankenkassen festlegen. Fest steht allerdings schon heute: Reichen die Mittel der Krankenkasse zur Kostendeckung nicht aus, kann sie ohne Angabe von Gründen vom Versicherten zusätzlich zum Grundbeitrag einen monatlichen Zuschlag in Höhe von bis zu einem Prozent des beitragspflichtigen Einkommens bzw. ohne Einkommensüberprüfung bis zu acht Euro verlangen. Kann die Kasse nachweisen, warum sie ihre Kosten nicht decken kann, ist eine Erhöhung des Zuschlags auf 35 Euro möglich.  

Neu: Wahltarife, Selbstbeteiligung und Kostenerstattung

Zukünftig bieten die Träger der gesetzlichen Krankenkassen eine Vielzahl von Wahltarifen an: Neben dem Hausarztmodell gibt es Selbstbehalttarife, Kostenerstattungstarife und die integrierte Versorgung (regionale Netzwerke von Ärzten). Wahltarife bringen für die Versicherten einerseits mehr Freiheit. Andererseits solle man sich gut überlegen, ob und welchen Wahltarif man abschließt, denn an diesen ist man für drei Jahre gebunden. Das Sonderkündigungsrecht, das Versicherte grundsätzlich bei Beitragserhöhung haben, entfällt im Wahltarif. Ausnahmen hat der Gesetzgeber nur für den Wahltarif der „besonderen Versorgungsformen“ und einige Härtefälle vorgesehen. Ist man sich unsicher, sollte man sich vorher fachkundig und unabhängig von einem Sachverständigen beraten lassen.

Selbstbeteiligung und Beitragsrückzahlung, die bisher nur Mitgliedern der privaten Krankenkassen vorbehalten waren, sind nur für denjenigen rentabel, der in den nächsten Jahren nicht mit einer Erkrankung rechnet. Chronisch kranken und alten Menschen bringt dies keine Vorteile. Jede Krankenkasse wird ihre eigenen Modelle entwickeln, meistens einhergehend mit einem Rechtsverzicht des Versicherten. Zum Beispiel verzichtet das Mitglied im Hausarzttarif auf das Recht der freien Arztwahl und verpflichtet sich, im Krankheitsfall immer erst den Hausarzt aufzusuchen, der bei Bedarf an den Spezialisten überweist. Zwischen den von der Krankenkasse empfohlenen Ärzten kann der Versicherte seinen Hausarzt wiederum frei wählen.  

Weiter haben gesetzlich Krankenversicherte die Möglichkeit, durch Zahlung eines zusätzlichen Beitrags, sich höhere Behandlungskosten oder alternative Heilmittel (homöopathische, anthroposophische Arzneien u.a.) von der Kasse erstatten zu lassen.  Ob und in welchem Umfang die Kasse höhere Behandlungskosten ersetzt, ist jedoch allein die Entscheidung des jeweiligen Trägers. Hinweis: Den Kassen obliegt in diesem Bereich nicht die ansonsten geltenden Informations- und Beratungspflicht über die Risiken der Kostenerstattung.

Schutz der Krankenkasse für alle

Eine wesentliche Verbesserung hat die Gesundheitsreform mit der generellen Pflicht zur Krankenversicherung gebracht. Bis spätestens 2009 sind alle vormals Nichtversicherten verpflichtet, sich in einer Krankenkasse zu versichern. Seit 1. April müssen die gesetzlichen Kassen jeden, der früher schon gesetzlich versichert war, mit einem Basistarif aufnehmen. Er darf maximal 500 Euro betragen, bei Bedürftigkeit ist er auf 250 Euro begrenzt und in Härtefällen übernimmt das Sozialamt die Zahlung. Ab dem 1. Juni 2007 sind auch die privaten Krankenversicherungen verpflichtet, ihre ehemaligen Mitglieder gegen Zahlung eines Standardtarifs wieder aufzunehmen, ohne Risikozuschlag.  

Katalog für Pflichtleistungen erweitert

Der Katalog der Pflichtleistungen wurde erweitert. Hinweis: Pflichtleistungen sind gesetzlich vorgeschriebene Leistungen, die von allen Krankenkassen angeboten werden müssen. Unter Satzungsleistungen versteht man Leistungen, die darüber hinausgehen und in der Satzung der jeweiligen Krankenkasse verankert sind.

So ist nun die geriatrische Rehabilitation ebenso als Pflichtleistung ausgestaltet wie einige Leistungen im Bereich der Palliativ-Versorgung, beispielsweise bei besonderen Schmerztherapien oder aufwendiger Pflege. Als Pflichtleistungen gelten außerdem die vom Robert-Koch-Institut empfohlenen Impfungen und Mutter-/Vater-Kind-Kuren. Zukünftig muss die Krankenkasse Kosten für die häusliche Krankenpflege in neuen Wohnformen erstatten, wie etwa „Betreutes Wohnen“ oder Senioren-Wohngemeinschaften. 

Auch die Bereiche Vorsorge und Rehabilitation verbessern sich für den Versicherten. Bisher war es der Krankenkasse überlassen, entsprechende Einrichtungen auszuwählen, jetzt steht dieses Wahlrecht zwischen zertifizierten Vorsorge- und Reha-Zentren dem Mitglied zu.

Für einige Versichertengruppen gilt ab dem 1. Januar 2008 eine Pflicht zu Vorsorgeuntersuchungen. Lassen sich chronisch Kranke nicht vorsorglich untersuchen, wird ihre Kassenleistung gekürzt. Ähnliches gilt für jeden, der vor dem 1. April 1972 geboren wurde. Bei einer späteren einschlägigen Erkrankung muss er eine Zuzahlung in Höhe von bis zu zwei Prozent des Haushaltseinkommens leisten.

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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