Gewerbemietvertrag: Anspruch auf Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage?

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Gewerbemieter hat die Corona-Krise oft „kalt erwischt“. Wegen Ausgangsbeschränkungen und Schließungsanordnungen im April und Mai 2020 blieben Kunden teilweise ganz weg, der Umsatz sank teils bis auf Null. Und auch später im Sommer des Jahres 2020 kämpfen viele Gewerbetreibenden mit schwachen Umsätzen und zugleich hohen Kosten. 

Dabei drückt finanziell oft vor allem die Miete. Denn der Gewerbemietvertrag läuft inkl. Mietzahlungen normal weiter. Die gesetzlich eingeführten Stundungen für Mietzahlungen sind dabei zwar ein guter Anfang. Da die Mieten aber grundsätzlich in vollem Umfang nachgezahlt werden müssen, sind die Stundungen oft nur ein schwacher Trost. Denn auch eine Mietminderung wegen „Mietmangel Corona“ scheidet für Mieter aus. 

Eine andere Lösung für Gewerbemieter scheint aber denkbar: ein Anspruch auf Anpassung des Gewerbemietvertrages im Hinblick auf die Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage. Und um das Ergebnis vorwegzunehmen: ein Anspruch des Gewerbemieters auf Anpassung des Gewerbemietvertrages „wegen Corona“ ist gem. § 313 I BGB möglich. 

Corona ist kein Mietmangel – keine Mietminderung möglich  

Viele Juristen diskutieren seit Beginn der Pandemie, ob Mieter von Gewerbeflächen ihre Miete mindern können, weil die Einschränkungen durch Corona – ob unmittelbar durch Schließungsanordnungen oder indirekt über ausbleibende Kundschaft – ein Mietmangel sind. 

Diese Einordnung der Auswirkung der Corona-Pandemie überzeugt allerdings nicht. Denn die rechtliche Idee des Mietmangels geht davon aus, dass eine Vertragspartei – der Vermieter – das Risiko für eine Beeinträchtigung der Gewerbefläche zu tragen hat. Aus diesem Grund darf ein Mieter unter bestimmten Umständen die Miete mindern. 

Im Falle einer solch unvorhersehbaren Pandemie erscheint es aber schlichtweg „ungerecht“, allein dem Vermieter das rechtliche und finanzielle Risiko zuzuschreiben. Eine Mietminderung wegen Mietmangels scheidet also im Falle der Corona-Auswirkungen aus. 

§ 313 BGB „Störung der Geschäftsgrundlage“ - Lösung für außergewöhnliche Situationen

Mit § 313 I BGB hat das Zivilrecht allerdings ein Rechtsinstrument an der Hand, das dafür geschaffen wurde, Änderungen in an sich statischen Verträgen („pacta sunt servanda“ – „Verträge sind einzuhalten“) in außergewöhnlichen Situationen zu ermöglichen.

§313 I BGB 

„Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“

Liegt also eine Situation vor, die beide Vertragsparteien nicht vorhersehen konnten und benachteiligt diese Situation eine Vertragspartei unzumutbar, kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertrages verlangen. 

Störung der Geschäftsgrundlage - § 313 I BGB auf Gewerbemietverträge anwendbar  

Liest man § 313 I BGB genau, wird schnell deutlich, dass dieser Paragraf eine Situation wie die Corona-Pandemie und damit verbundene Maßnahmen und Folgen erfasst: 

Geschäftsgrundlage eines Mietvertrages über Gewerbeflächen – ob Einzelhandel oder Frisör etc. – ist, dass eine Geschäftstätigkeit möglich bzw. generell erlaubt ist. Auch wenn sich Mieter und Vermieter darüber nicht „aktiv“ Gedanken machen, ist das die Basis für den Gewerbemietvertrag wie er geschlossen wurde. Über eine Situation, in der Geschäfte vollkommen geschlossen werden müssen oder Menschen Geschäfte nicht besuchen dürfen, wurden bisher keine Regelungen in Mietverträgen getroffen, weil das bisher schlichtweg nicht vorstellbar war. 

Unzumutbare Situation für Mieter - Anspruch auf Vertragsanpassung  

Weil eine Mietminderung nicht möglich ist, wälzen aktuelle Gewerbemietverträge in der aktuellen Situation das Risiko der Pandemie rechtlich und wirtschaftlich allein auf den Gewerbemieter ab: er muss die Miete weiterzahlen, eine Minderung ist nicht möglich, eine Stundung verschafft nur zeitlichen Aufschub. 

Diese für den Mieter nicht zumutbare Situation ist nach § 313 I BGB Grundlage für den Anspruch des Gewerbemieters gegen den Gewerbevermieter, den Mietvertrag im Hinblick auf die Mietzahlung in einer Situation wie der im Frühsommer und Sommer 2020 anzupassen. Der Mieter kann vom Vermieter verlangen, dass die Mietzahlungs-Pflicht der bis dato unvorhersehbaren Situation angepasst wird. Denn hätten die Vertragsparteien eine solche Lage vorausgesehen, hätten sie mit Sicherheit eine Art Pandemie-Klausel im Mietvertrag aufgenommen. Und exakt das setzt § 313 I BGB zusätzlich voraus: 

„…. und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des verlangt werden“

Wie stark die Anpassung ausfallen kann, ist dann abhängig vom Ausmaß der Betroffenheit in jedem einzelnen Fall.  

„Pandemie-Klausel“ in Gewerbemietvertrag aufnehmen  

Das alles hat aber auch zur Folge, dass gewerbliche Mieter und Pächter z.B. von Gastronomie ihren aktuell bestehenden Mietvertrag bzw. Pachtvertrag zusammen mit dem Vermieter / Verpächter für die Zukunft anpassen sollten. 

Finden sich bei einer „zweiten Welle“ und damit verbundenen Maßnahmen in einem alten Gewerbemietvertrag bzw. Pachtvertrag keine „Pandemie- Klauseln“ und werden in neue Mietverträge solche Klauseln nicht AKTIV aufgenommen, können sich Mieter künftig NICHT auf § 313 I BGB berufen. Denn ab sofort sind derartige Einschränkungen nicht mehr unvorstellbar… 

Kann sich ein Mieter dann nicht auf § 313 I BGB berufen, gilt der Mietvertrag unverändert auch in einer Pandemie mit harten Lockdown-Maßnahmen künftig unverändert, auch wenn Umsätze komplett ausfallen. 

Ich helfe bei der Anpassung Ihres Gewerbemietvertrages! Sie wollen Ihren Gewerbemietvertrag anpassen lassen? Ich kümmere mich darum! Sie erreichen mich in Köln telefonisch unter 0221 1680 65 60 oder über das anwalt.de-Kontaktformular.  


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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