Green Claims: Der schmale Grat zwischen zulässiger Werbung und Greenwashing

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Rechtsanwalt Andreas Kempcke

Die Themen Umweltschutz, Klimaverträglichkeit und Nachhaltigkeit sind im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass Sie sich den entsprechenden Erwartungen stellen müssen. Kein Wunder also, dass sogenannte Green Claims wie „umweltschonend“, „klimafreundlich“ oder „nachhaltig“ immer häufiger in der Werbung auftauchen. Doch der Grat zwischen einer zulässigen Werbung und einem irreführenden Greenwashing ist schmal. Das zeigen verschiedene gerichtliche Entscheidungen. Im nachfolgenden Beitrag erläutere ich die Problematik am Beispiel des Begriffes "klimaneutral":

Tue Gutes und rede darüber …


Natürlich reagieren Unternehmen auf die Nachfrage nach umweltfreundlichen, klimaverträglichen und nachhaltigen Produkten. Und natürlich sollen entsprechend vorbildliche Produkte auch als solche erkennbar sein. Also eine klassische Frage für das Marketing: Wie hebe ich die Vorzüge des eigenen Produktes möglichst verkaufswirksam hervor? Die Antwort liegt für viele auf der Hand: Die Kunden wollen „grüne“ Produkte, also wird mit „grünen“ Werbeaussagen geworben. Und in der Tat springen immer mehr Werbende auf den Zug auf, einige aus innerer Überzeugung, andere aus rein wirtschaftlichen Erwägungen.


aber immer schön bei der Wahrheit bleiben


Green Claims beeinflussen Kaufentscheidungen. Da verwundert es kaum, dass entsprechende Begriffe immer häufiger und in unterschiedlichen Abstufungen in der Werbung auftauchen. Aus rechtlicher Sicht stellen sich allerdings verschiedene Fragen: z.B. wie die Werbeaussagen zu verstehen sind und ob die Werbeaussagen auch der Wahrheit entsprechen. In rechtlicher Hinsicht gilt nämlich: irreführende grüne Werbeaussagen sind als sogenanntes Greenwashing unzulässig.


Was ist schon „klimaneutral“?


Zugegeben, die Frage ist zugespitzt. Aber mal ganz im Ernst: Was ist unter dem Begriff „klimaneutral“ zu verstehen?


Umfangreiche Informationen erforderlich


Das OLG Frankfurt am Main führte zu einer Werbung mit einem „Klimaneutral“-Logo im Urteil vom 10.11.2022, Az. 6 U 104/22 Folgendes aus:


„Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben (…). Der Begriff "klimaneutral" ist für den verständigen Durchschnittsverbraucher einerseits schon aus sich heraus verständlich und hat - anders als etwa der Begriff "umweltfreundlich" - einen bestimmten Inhalt. Die gegenteilige Ansicht, wonach der Begriff überhaupt keine klaren Konturen hat oder mit der Angabe "emissionsfrei" verwechselt werden könnte (…), teilt der Senat nicht. Maßgeblich ist das Verkehrsverständnis. Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann (…). Gleichwohl besteht ein Interesse an einer Aufklärung, über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verkehr geht z.B. nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich als "klimaneutral" bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter bzw. auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen - jedenfalls aus Verbrauchersicht - in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. "Greenwashing", ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert wird (…). Dieses Verkehrsverständnis kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen. Der Verbraucher hat daher ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten bzw. durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter.


(…)


Im Ergebnis ist daher eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden. Ferner müssen Informationen bereitgestellt werden, anhand welcher Kriterien die Prüfung für das Gütesiegel erfolgt ist.“


Man könnte also sagen: alles nicht so einfach. Wer mit dem Begriff „klimaneutral“ werben möchte, muss Informationen zu den Kriterien, Herangehensweise und Bewertungsmaßstäben zur Ermittlung der Klimabilanz zur Verfügung stellen.


Werbung ganz ohne Erläuterungen unzulässig


Das OLG Düsseldorf bestätigte mit Urteil vom 06.07.2023, Az. I-20 U 72/22 (nicht rechtskräftig; Revision zugelassen) zugunsten der Wettbewerbszentrale eine vorangegangene Entscheidung des LG Mönchengladbach, nach der die Werbung „klimaneutrales Produkt“ für eine Marmelade ohne weitere Angaben unzulässig ist. Begründung: Die Werbung sei intransparent, da die Angabe klimaneutral in der Werbung und auf der Verpackung nicht erläutert werde und auch nicht auf eine weiterführende Internetseite verwiesen werde.


Verweis auf weiterführende Informationen könnte ausreichen


In einem weiteren Verfahren bestätigte das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 06.07.2023, Az. I-20 U 152/22 (nicht rechtskräftig; Revision zugelassen) gegen die Wettbewerbszentrale eine vorangegangene Entscheidung des LG Kleve, nach der die Werbung für Süßigkeiten mit Klimaneutralität in einer Zeitungsanzeige aufgrund eines Verweises auf weiterführende Informationen zulässig war.


Wettbewerbszentrale hält stichwortartige Informationen bereits in der Werbung bzw. auf der Verpackung für erforderlich


Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V. (Wettbewerbszentrale) hatte in einer Pressemitteilung auf Ihrer Internetseite ihre Auffassung hinsichtlich einer transparenten Information wie folgt erläutert:


„Green Claims wie „klimaneutral“ stehen immer öfter im Mittelpunkt der Werbung. Ein lauterer Wettbewerb um die nachhaltigsten Leistungen kann aber nur entstehen, wenn der Verbraucher darüber aufgeklärt wird, was sich hinter diesen Schlagwörtern verbirgt. Die heutigen Entscheidungen (Anmerkung: gemeint sind die beiden Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 06.07.2023) bestätigen die Forderung der Wettbewerbszentrale nach mehr Transparenz und fordern eine weitgehende Aufklärung. Aus unserer Sicht muss jedoch bereits in der Werbung bzw. auf der Verpackung stichwortartig über die grundlegenden Punkte aufgeklärt werden, auch wenn eine detaillierte Erklärung erst auf der Internetseite erwartet werden kann.“


Tipps für die Praxis:


Wenn Sie mit dem Begriff „klimaneutral“ oder anderen Green Claims werben möchten, sollten Sie zunächst die folgenden Punkte prüfen:


  • Entspricht die Werbeaussage den Tatsachen?
  • Kann der Wahrheitsgehalt der Werbeaussage bewiesen werden?
  • Bezieht sich die Werbeaussage auf den Herstellungsprozess und das Produkt insgesamt oder lediglich auf Teile des Herstellungsprozesses und des Produktes?
  • Aus welchen Tatsachen ergibt sich die Werbeaussage und anhand welcher Kriterien, Herangehensweisen und Bewertungsmaßstäbe sind die entsprechenden Tatsachen ermittelt worden?

Was Sie vermeiden sollten:


  • Werbung mit selbst kreierten Gütesiegeln oder Zertifikaten,
  • Werbung mit Gütesiegeln oder Zertifikaten, die nach unklaren oder sachfremden Kriterien vergeben werden,
  • Werbung mit Angaben, die nicht bewiesen werden können,
  • irreführende Hervorhebung von Produkteigenschaften, die entweder überhaupt keinen oder nur einen sehr geringen Einfluss auf den beworbenen Umwelt-Effekt haben,
  • Werbung mit Angaben, die nur unter Einschränkungen gelten und
  • Werbung mit unvollständigen Angaben

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Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

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Foto(s): Andreas Kempcke

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