Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon

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Der BGH hat jüngst über die Haftung eines Onlinehändlers für Bewertungen seines bei Amazon angebotenen Produkts entschieden und sich dabei händlerfreundlich gezeigt.

Dem Fall lag die Abmahnung eines Wettbewerbsvereins gegenüber einem Amazon-Händler zugrunde, der daraufhin eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung hinsichtlich bestimmter werblicher Aussagen abgab. 

Zu dem relevanten Produkt hatten Kunden bereits Rezensionen abgegeben, die unter anderem die Hinweise „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“ enthielten. 

Folge der ASIN: Identische Bewertung trotz unterschiedlicher Händler

Die Besonderheit bei Amazon-Rezensionen liegt allerdings darin, dass Amazon Bewertungen ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zuweist. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem – unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen – Produkt abgegeben wurden. 

Im Klartext: Die Bewertungen zu einem identischen Produkt müssen nicht zwingend auch vom gleichen Händler angeboten oder geliefert worden sein.

Wettbewerbsverein verlangt Unterlassung, Zahlung einer Vertragsstrafe und Ersatz von Abmahnkosten

Der Wettbewerbsverein sah in den Kundenrezensionen eine Verletzung des Unterlassungsversprechen des abgemahnten Händlers und forderte von diesem nun Unterlassung dieser „Werbung“ und Zahlung einer Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Falls dies nicht möglich sei, dürfe er die Produkte bei Amazon nicht anbieten. Amazon selbst lehnte die Löschung der Rezensionen ab.

Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte und die Berufung hiergegen ebenfalls erfolglos verlief, musste nun der Bundesgerichtshof über die Sache entscheiden.

Bundesgerichtshof stellt sich auf die Seite der Onlinehändler

Der BGH hat die Berufung zurückgewiesen und eine wettbewerbsrechtliche Haftung des Onlinehändlers für Kundenbewertungen der von ihm bei Amazon angebotenen Produkte abgelehnt: 

„Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die Werbung für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen Dritter verbietet. Die Kundenbewertungen sind zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben.“

(BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18)

Das Gericht stellte darauf ab, dass der Händler weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch sie sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht hat, indem er die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hätte. 

Kundenbewertungen seien vielmehr als solche gekennzeichnet, fänden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Onlinehändler und würden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre des Händlers zugerechnet.

Keine Garantenstellung der Onlinehändler

Eine sog. Garantenstellung des Onlinehändlers durch das Anbieten der Produkte bei Amazon lehnte der BGH ebenfalls ab. Von ausschlaggebender Bedeutung sei dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht seien und verfassungsrechtlichen Schutz genießen: 

„Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.“

(BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18)

Händlerfreundliche Rechtsprechung des BGH

Der BGH hat sich damit mit nachvollziehbaren Argumenten auf die Seite von Onlinehändlern gestellt. Produkte und Dienstleistungen werden in der heutigen Zeit von Kunden (und auch anderen Personen) nahezu überall bewertet und kommentiert. 

Für solche Bewertungen pauschal eine wettbewerbsrechtliche Haftung des Händlers anzunehmen, hätte für diesen unkalkulierbare (finanzielle) Folgen. Das Urteil ist daher aus Händlersicht zu begrüßen.

Händler können sich gegen Bewertungen wehren

Das Urteil hat keine Auswirkungen auf die grundsätzliche Möglichkeit, dass sich (Online-)Händler und Dienstleister gegen falsche oder herabsetzende Bewertungen bei Google, Amazon und Co wehren können. Hierzu finden Sie Details in unseren Beiträgen „Entfernung negativer Bewertungen bei Google bzw. Google Maps“ und „Online-Bewertungen: Was darf ich schreiben? Was muss ich dulden?“.

Sie haben noch Fragen im Zusammenhang mit negativen Bewertungen bei Amazon, Google oder an anderer Stelle? Melden Sie sich gerne bei uns und wir besprechen mit Ihnen die für Sie im Einzelnen erforderlichen und sinnvollen Schritte. Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme.

Rechtsanwalt Dennis Tölle 

Tölle Wagenknecht Rechtsanwälte Partnerschaft mbB



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