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Haftungsausschluss in Motorradkolonne

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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Wer kennt das nicht – man ist auf einer Landstraße unterwegs und es wimmelt nur so von Motorrädern. Entweder sind es einzelne Fahrer oder unterschiedlich große Motorradgruppen. Leider kommt es immer wieder zu Unfällen. In einem aktuellen Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zu der Frage Stellung genommen, wie es sich mit der Haftung nach einem Unfall innerhalb einer solchen Gruppe verhält.

Unfall in Motorradgruppe

Im vorliegenden Fall fuhren vier Männer mit ihren Motorrädern in einer Gruppe auf einer Landstraße. Plötzlich stieß der vorausfahrende Motorradfahrer mit einem entgegenkommenden Pkw einer Frau zusammen und stürzte. Die beiden dahinter fahrenden Biker, der spätere Kläger an zweiter und ein Freund an dritter Position, konnten nicht mehr rechtzeitig bremsen und stürzten ebenfalls. Lediglich der vierte Fahrer konnte ausweichen und sein Motorrad unfallfrei zum Stehen bringen.

Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangt

Durch den Sturz erlitt der Kläger schwere Verletzungen und sein Motorrad einen Totalschaden. Schließlich klagte er gegen den an dritter Position fahrenden Freund auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er gab an, dass er durch den Sturz des Motorradfahrers vor ihm stark bremsen musste, sein Motorrad aber zum Stehen gebracht hatte. Dadurch, dass der hinter ihm fahrende Freund den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, habe dieser nicht mehr bremsen bzw. ausweichen können, sei auf das Heck seines Motorrades geprallt und habe ihn mitgeschleppt.

Haftungsverzicht vereinbart

Die Richter des OLG stellten fest, dass der beklagte Freund grundsätzlich nach § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) haften müsste. Allerdings ist diese Haftung aufgrund eines stillschweigend vereinbarten Haftungsverzichts für Gefährdungshaftung und leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen.
Die vier Männer fuhren nämlich, sowohl nach Aussage der Pkw-Fahrerin als auch nach Aussage des vierten Motorradfahrers, dicht beieinander in einer Gruppe ohne feste Reihenfolge. Daraus ergibt sich für die Richter, dass die gesamte Motorradgruppe den erforderlichen Sicherheitsabstand einvernehmlich nicht eingehalten und dadurch ein besonderes Risiko billigend in Kauf genommen hat.

Keine Inanspruchnahme des Mitfahrers

In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial ist die Inanspruchnahme eines Mitbewerbers wegen Schäden, die ohne grobe Fahrlässigkeit verursacht wurden, ausgeschlossen.
Im hier vorliegenden Fall ist es nicht zulässig, dass der Kläger den hinter ihm fahrenden Freund in Anspruch nimmt, denn er hätte bei getauschten Positionen selbst der Schädiger sein können. Die vier Männer haben die allgemeine Gefahr des Fahrens in einer Gruppe bewusst auf sich genommen. Daher kann dem einen Fahrer kein größerer Vorwurf gemacht werden als dem anderen.
Außerdem haben alle Beteiligten durch das Fahren im Pulk auf die in der Straßenverkehrsordnung (StVO)vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zum Vorder- und Hintermann verzichtet. Das bedeutet, dass das Sturzrisiko aufgrund veränderter Verkehrssituationen erhöht und nicht auszuschließen ist.

Ansprüche ausgeschlossen

Die Richter stellten fest, dass der dritte Fahrer nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Die fehlende Bremsung ist lediglich auf die Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes zurückzuführen, da keine Zeit mehr blieb, um zu reagieren.
Durch die stillschweigende Vereinbarung der vier Männer, den Sicherheitsabstand nicht einzuhalten, ergibt sich ein Verzicht sowohl auf Schadensersatzansprüche als auch auf Ansprüche aus Gefährdungshaftung gem. § 7 StVG. Aus diesem Grund kann der Kläger von seinem Freund weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld verlangen.

Fazit: Fahren in einer Gruppe ist bei Motorradfahrern beliebt – allerdings ist dies auch mit einer größeren Gefahr verbunden. Erfolgt das Fahren in einer Gruppe einvernehmlich, so sind Ansprüche gegen Gruppenmitglieder ausgeschlossen.

(OLG Frankfurt, Urteil v. 18.08.2015, Az.: 22 U 39/14)

(WEI)

Foto(s): @iStockphoto.com

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