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Hass und Hetze im Netz per Gesetz verhindern: Geht das?

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Große soziale Netzwerkbetreiber wie Facebook, Twitter und YouTube sollen strafbare Äußerungen innerhalb von 24 Stunden löschen. Dazu verpflichtet sie voraussichtlich ab Oktober das Netzwerkdurchsetzungsgesetz – kurz NetzDG –, nachdem es nun auch der Bundesrat billigte. Facebook & Co. sollen danach künftig über die Meinungsfreiheit mitbestimmen.

Soziale Netzwerke tun zu wenig

„Den Worten müssen endlich Taten folgen, Hass und Hetze müssen raus aus dem Netz“, verlangt Justizminister Heiko Maas. Facebook reagiere beim Löschen solcher Postings bisher zu langsam und lehne die Löschung sogar zum Teil ab. Bei zu viel nackter Haut und Urheberrechtsverletzungen lösche Facebook dagegen sofort. Das Unternehmen könne also durchaus schnell vorgehen. Damit das auch bei Hass-Posts und Fake-News geschehe, brauche es daher eine gesetzliche Pflicht.

Strafbar oder (noch) nicht strafbar?

Die hat der Gesetzgeber mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz geschaffen bzw. er hofft es. Das NetzDG gilt jedoch erst für Betreiber sozialer Netzwerke ab einer Zahl von zwei Millionen registrierten Nutzern im Inland, wozu Facebook, Twitter, YouTube und Google+ gehören. Sie müssen künftig offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach einem Hinweis löschen. Ansonsten gilt in nicht offensichtlich rechtswidrigen Fällen eine Frist von 7 Tagen. Die Unterscheidung – offensichtlich rechtswidrig und nicht offensichtlich rechtswidrig – müssen die Betreiber treffen. Das NetzDG lässt sie aber im Unklaren. Aber wäre es nicht ohnehin vorrangig die Aufgabe der Justiz über „erlaubte oder nicht mehr erlaubte“ Äußerungen zu entscheiden? Selbst Juristen fällt das jedoch bekanntlich immer alles andere als leicht.

Dass strafbare Äußerungen keinen Schutz durch die Meinungsfreiheit genießen, ist jedem klar. Für Klarheit, wann etwas strafbar ist oder nicht bzw. noch nicht, sorgt dieser Fakt jedoch nicht. Denn Fakt ist auch, dass eine noch so dumme Aussage dennoch Schutz durch die Meinungsfreiheit genießt. Das gilt auch für das, was im Netz als Trolle bekannte Provokateure von sich geben, deren Spielwiesen insbesondere soziale Netzwerke sind. Und dass die Meinungsfreiheit erst recht gilt, auch wenn die Meinung Betroffenen nicht gefällt, ist selbstverständlich.

Wie weit Meinungsfreiheit gehen darf, darüber lässt sich trefflich streiten. Anschauliches Beispiel ist die Auseinandersetzung um das Böhmermann-Gedicht. Ist das noch Kunstfreiheit, die eine spezielle Form der Meinungsfreiheit darstellt, oder nicht? Wir wissen es nicht, denn die Justiz blieb eine Antwort schuldig. Im vergangenen Jah stellte die Staatsanwaltschaft Mainz das Verfahren gegen den TV-Moderator ein, weil strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen waren.

Sicherheitshalber Inhalte löschen

Bei mehr als 23 Millionen aktuell täglich allein in Deutschland bei Facebook aktiven Nutzern wird eine manuelle Prüfung vermutlich schwer werden. Algorithmen dürften die Betreiber beim Entfernen strafbarer Inhalte deshalb unterstützen. Zur eigenen Sicherheit dürften sei Inhalte dabei eher löschen, als dass sie sie auf ihrer Plattform stehen lassen. Schließlich droht das NetzDG ihnen Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro an. Den Umgang mit Beschwerden muss die Leitung des sozialen Netzwerks zudem monatlich kontrollieren. Organisatorische Unzulänglichkeiten im Umgang mit eingegangenen Beschwerden müssen laut NetzDG unverzüglich beseitigt werden. Mit dem Beschwerdemanagement betraute Mitarbeiter sozialer Netzwerke müssen zudem mindestens halbjährlich Schulungs- und Betreuungsangebote erhalten.

Zum wirksamen Beschwerdemanagement gehört außerdem die Pflicht der Betreiber, vierteljährlich einen Bericht über den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte auf ihren Plattformen und im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Das NetzDG verpflichtet sie zudem zur Auskunft gegenüber Betroffenen bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Sie sollen die Bestandsdaten der Verletzer erhalten können. Außerdem müssen die Betreiber einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland für Zustellungen von Bußgeldbescheiden, staatsanwaltlichen und gerichtlicher Schreiben benennen.

Auch die Verursacher vermehrt verfolgen

All das berührt in erster Linie die sozialen Netzwerke, die es möglich machen, die strafbaren Inhalte zu verbreiten. Sie erzeugen sie aber nicht. Löschen hilft jedoch wenig, wenn gleichzeitig neue Aussagen derselben Art auf den Plattformen sprießen. Mit einem „wir wollen das nicht sehen“ ist es nicht getan. Denn beleidigende, verhetzende und andere strafbare Aussagen lassen sich nur effektiv vermeiden, wenn auch ihre Urheber Konsequenzen befürchten müssen. Eindeutig strafbare Aussagen müssen deshalb jenen, die sie äußern, Geld kosten – in schweren Fällen auch den Arbeitsplatz – oder sie gar ins Gefängnis führen. Das geschieht zwar bereits, aber offensichtlich noch nicht genug.

Das und die offene Auseinandersetzung hilft der Meinungsfreiheit weitaus mehr als Verbote. Es ist übrigens die Meinungsfreiheit, die das Bundesverfassungsgericht als eines der vornehmsten Menschenrechte bezeichnet. Sie bildet als Grundrecht das Fundament, auf dem die freiheitliche demokratische Grundordnung steht oder fällt.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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