Home Office und Arbeitsunfall – Risiko auf Arbeitnehmer verlagert

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Es ist anerkannt, dass der Weg von einem Büro zur Kantine unter dem Schutz der Unfallversicherung steht, weil die Nahrungsaufnahme der Erhaltung der Arbeitskraft dient. Diese Grundsätze wurden für die Wege innerhalb der Arbeitsstätte und für die Hin- und Rückwege zur Arbeit entwickelt, so auch Landessozialgericht Stuttgart (Az: L 8 U 1506/13).

Was gilt aber, wenn der Arbeitnehmer im Home Office arbeitet?

Eine Arbeitnehmerin arbeitete aufgrund einer Dienstvereinbarung mit ihrem Arbeitgeber in einem gesonderten Raum im Dachgeschoss ihrer Wohnung an einem Telearbeitsplatz. Sie verließ den Arbeitsraum, um sich in der Küche Wasser zu holen. Dabei rutschte sie auf der Treppe aus und verletzte sich. Die beklagte Unfallkasse hat das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneint.

Bundessozialgericht verneint Arbeitsunfall

Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 05.07.2016) hat entschieden, dass kein Arbeitsunfall vorlag. Die Arbeitnehmerin befand sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf einem Betriebsweg. Sie ist auf dem Weg von der Arbeitsstätte zur Küche und damit in den persönlichen Lebensbereich ausgerutscht. Diesen Weg hat sie nicht zurückgelegt, um ihre versicherte Beschäftigung auszuüben, sondern um Wasser zum Trinken zu holen. Damit ist sie einer typischen eigenwirtschaftlichen, nicht versicherten Tätigkeit nachgegangen.

Arbeitnehmerin unterliegt im Home Office keinen betrieblichen Zwängen

Anders als Beschäftigte in Betriebsstätten außerhalb der eigenen Wohnung unterlag die Klägerin dabei keinen betrieblichen Vorgaben oder Zwängen. Zwar führt die arbeitsrechtliche Vereinbarung von Arbeit in einem sogenannten Home Office zu einer Verlagerung von den Unternehmen dienenden Verrichtungen in den häuslichen Bereich. Eine betrieblichen Interessen dienende Arbeit im Home Office nimmt einer Wohnung aber nicht den Charakter der privaten, nicht versicherten Lebenssphäre.

Unfallrisiko in Privatwohnung trägt Arbeitnehmer

Die der privaten Wohnung innewohnenden Risiken hat auch nicht der Arbeitgeber, sondern der Versicherte selbst zu verantworten, so das BSG. Den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung ist es außerhalb der Betriebsstätten ihrer Mitglieder (der Arbeitgeber) kaum möglich, präventive, gefahrenreduzierende Maßnahmen zu ergreifen. Daher ist es sachgerecht, das vom häuslichen und damit persönlichen Lebensbereich ausgehende Unfallrisiko den Versicherten und nicht der gesetzlichen Unfallversicherung, mit der die Unternehmerhaftung abgelöst werden soll, zuzurechnen.

Die Argumentation des BSG scheint zunächst nachvollziehbar, weil es der gesetzlichen Unfallversicherung tatsächlich nicht möglich ist, jeden Heimarbeitsplatz gefahrreduziert auszustatten. Tatsächlich hinkt die Argumentation jedoch, weil es ausschlaggebend darauf ankommt, dass auch im Home Office-Bereich der Gang zur Nahrungsaufnahme unmittelbar der Erhaltung der Arbeitskraft dient und damit – zumindest in der Mittagspause – der Weg in die Küche der versicherten Tätigkeit diente. Auch ist das Urteil des BSG zu kritisieren, weil die klagende Arbeitnehmerin ihr Büro nur über die heimische Treppe erreichen konnte und somit ein Wegeunfall anzunehmen war.

Rechtsanwalt Philip Keller, Köln


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