ilex Prozesserfolg: Keine Vermittlerhaftung vor dem OLG Naumburg

  • 6 Minuten Lesezeit

Wenn eine Renditeerwartung bei einer riskanten Kapitalanlage sich nicht erfüllt, kann dies oft drei unterschiedliche Gründe haben: a) Der Kapitalanleger hat riskant gepokert und das bewusst eingegangene Risiko hat sich verwirklicht. Oder aber die Emittentin der Kapitalanlage hat b) „schlecht gewirtschaftet“. „Schlecht gewirtschaftet“ reicht dann im Einzelfall auch bis zum handfesten Kapitalanlagenbetrug, bei der die Protagonisten auf der Emittentenseite mit Fug und Recht in das Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Fällt auf diese Weise eine Emittentin aus bzw. in die Insolvenz, ist für den Kapitalanleger oft kein wirtschaftlich tragfähiger Haftungsträger mehr vorhanden. Nicht selten stellt sich gerade in dieser Konstellation noch die Frage, ob nicht noch ein dritter Haftungsträger vorhanden ist, nämlich der c) Kapitalanlagenvermittler, der der sogenannten Vermittlerhaftung unterliegt. Am Beispiel eines gewonnen Prozesses vor dem Oberlandesgericht Naumburg, bei dem die Schadensersatzklage des von uns vertretenen Kapitalanlagenvermittler abgewiesen wurde und mit dessen Berufungsurteil ein zuvor noch anders lautendes Urteil des Landgerichtes Magdeburg aufgehoben wurde, zeigen wir die Problematik der schwierigen Prozessführung bei der Vermittlerhaftung beispielhaft auf.

Worum ging es in dem Fall vor dem OLG Naumburg?

Die in der ersten Instanz vor dem Landgericht Magdeburg anhängig gewordene Schadensersatzklage betraf den Fall eines Kapitalanlagenvermittlers, der seinen Vermittler knapp 10 Jahre nach der Zeichnung dafür in Haftung nehmen wollte, dass sich die Renditechance bei der Beteiligung an einem der sogenannten SHB-Fonds nicht verwirklicht hat und sogar ein Totalverlustrisiko zu besorgen war.

Die SHB Innovative Fondskonzepte AG wurden 2001 gegründet. Unter ihrem Dach versammelten sich eine Reihe an unterschiedlichen SHB Gesellschaften, die dann jeweils als Immobilienfonds ausgestaltet waren. Anleger wurden dabei beginnend ab 2001 mit verschiedenen Beteiligungsarten als stille Gesellschafter oder mittelbar als Kommanditist mit einer Einmaleinlage oder einer in Raten zu zahlenden Einlage – sog. „Renditemaxx“, „Clevere Kombi“, „Immorente“ oder „Immorente Plus“ – beteiligen konnten und dessen Beteiligung ganz erhebliche Risiken enthielt. Diese Fonds beteiligen sich ihrerseits an einer entsprechenden Objekt KG. Das bedeutet, dass der Anleger sich nicht direkt an der Immobilie beteiligte, sondern nur an einer weiteren Gesellschaft, die ihrerseits bestimmte Immobilienobjekte besaßen.

Die SHB gerieten im Jahre 2012 in den Strudel der inzwischen strafrechtlich verurteilten Angeklagten rund um Stephan Schäfer und Jonas Köller (S&K-Skandal). Die geschädigten Kapitalanleger zeichneten Ihre Kapitalanlage jedoch regelmäßig Jahre vorher. Als die SHB-Fonds dann in den Strudel betrügerischer Machenschaften gerieten, entstand den Kapitalanlegern ein erheblicher Schaden. Da bei den eigentlichen Tätern kaum etwas zu holen ist, wurden gerade in den letzten Monaten/Jahren mehrere Klagen gegen die Vermittler erhoben, die diese Art der Kapitalanlage viele Jahre vorher an die Kapitalanleger vermittelt hatten. Die Frage ist aber, ob Kapitalanlagenvermittler nun für das Handeln anderer Personen viele Jahre nach der Zeichnung in Haftung genommen werden können?

Was hat das OLG Naumburg entschieden?

Das Oberlandesgericht Naumburg hat per Urteil vom 12.09.2018 in einem solchen SHB-Fall entschieden, dass die gegen den Vermittler der Kapitalanlage gerichtete Klage abgewiesen wird (Aktenzeichen 5 U 38/18). Das dem Vermittler zuvor noch zum Schadenersatz verpflichtende Urteil des Landgerichtes Magdeburg wurde aufgehoben. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Naumburg war der geltend gemachte Anspruch verjährt. Die dagegen vom Kapitalanleger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof nicht zur Entscheidung angenommen.

Bereits am 2017 formulierten wir auf dem Portal anwalt.de, dass die Inanspruchnahme von Vermittlern in Bezug auf Immobilienfonds der SHB deutliche Fragezeichen aufwerfen würde.

Worin liegt die besondere Problematik bei der Vermittlerhaftung?

Möchte ein geschädigter Kapitalanleger gegen seinen Vermittler einen etwaigen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen, kann dieser Anspruch denknotwendig nur dann bestehen, wenn das Beratungsgespräch zur Vermittlung der Kapitalanlage nicht anlage- und nicht anlegergerecht war. Dies setzt schon per se eine sehr genaue Darstellung des damaligen Beratungsgespräches voraus. Es muss dann in allen Einzelheiten vom Kapitalanleger exakt dargelegt werden, welche Zusagen der Kapitalanlagenvermittler konkret anhand dieses Einzelfalles gemacht hat und dies müsste im Zweifel auch bewiesen werden. Schon an dieser Stelle stehen viele geschädigte Kapitalanleger vor der Schwierigkeit, dass zum Teil Jahre zurückliegende Gespräche detailliert mit Datum, exaktem Gesprächsinhalt und Ort geschildert werden müssen und der damalige Gesprächsinhalt im Zweifel auch bewiesen werden muss.

Warum helfen gewonnene Prozesse in anderen Verfahren nicht weiter?

Jede Frage der Vermittlerhaftung ist denknotwendige immer eine Frage des Einzelfalles. Dies deshalb, da jedes Beratungsgespräch anders verlaufen sein kann. Die Frage, ob ein Vermittler haftet, kann deshalb auch bei der exakt gleichen Kapitalanlage einmal so und einmal anders beantwortet werden; je nachdem wie in jedem Einzelfall das Beratungsgespräch vor der Zeichnung der Kapitalanlage verlief.

Welche Fragen der Verjährung stellen sich?

Da die Fälle der ursprünglichen Vermittlung oft jahrelang zurückliegen, stellen sich auch Verjährungsfragen. Für die Frage der Verjährung ist es regelmäßig entscheidend, ob die dreijährige kenntnisabhängige Regelverjährung bereits läuft? Ist diese noch nicht abgelaufen, stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen der Vermittlerhaftung die zehnjährige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist alternativ greift? Das Oberlandesgericht Naumburg hat sich nun, insbesondere bei den SHB-Fällen, für die Annahme der dreijährigen kenntnisabhängigen Verjährung entschieden. Dies deshalb, da in nahezu allen Fällen ein sogenannter Kapitalanlagenprospekt überreicht wurde. In diesem Kapitalanlagenprospekt finden sich erhebliche Risikohinweise, wonach die Kapitalanlagen der SHB-Fonds einem Totalverlustrisiko unterliegen.

Welche sonstigen Besonderheiten stellen sich?

Ist im Einzelfall streitig, ob dem Kapitalanleger der Prospekt übergeben wurde oder nicht, ergibt sich unter den Besonderheiten der SHB-Fälle ganz regelmäßig, dass die Kapitalanleger Zugriff hatten auf ein sogenanntes Online-Portal. Auch dort waren die Kapitalanlagenprospekte und sämtliche Geschäftsberichte der nachfolgenden Jahre jeweils hinterlegt. Auch aus dem Inhalt dieser Unterlagen konnte man entnehmen, dass die Kapitalanlage einem Totalverlustrisiko unterliegt.

Hat der Anleger jedoch Kenntnis von dem Beratungsgespräch und dem Totalverlustrisiko, so kann er sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe keine Kenntnis von der ggf. fehlerhaften Beratung gehabt. Spätestens jedoch, als die SHB im Jahre 2013 in den Strudel von Straftätern geriet und zu diesem Zeitpunkt erneut diverse Schreiben an die Anleger gerichtet wurden, in denen von den Problemen der SHB geschildert wurde, hätte dem Anleger auffallen müssen, dass mit seinem Fonds etwas nicht stimmt. Sieht er sich jetzt im Hinblick auf die Vermittlung der Kapitalanlage als schlecht beraten an, hätte er spätestens im Jahre 2013 hellhörig werden müssen. Da jedenfalls spätestens am 01.04.2014 die dreijährige, kenntnisabhängig Regelverjährung lief, können heute Ansprüche gegen den Vermittler in dieser Konstellation ggf. nicht mehr erfolgversprechend geltend gemacht werden. Wurde die Klage erst nach dem 31.12.2016 erhoben, sollte ein Kapitalanlagenvermittler prüfen, ob die Einrede der Verjährung erfolgversprechend erhoben wurde?

Nunmehr liegt mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg eine auch vom Bundesgerichtshof bestätigte obergerichtliche Entscheidung zu den Fragen der Verjährung und der Vermittlerhaftung am Beispiel der SHB-Fälle vor. Hier hat sich die Linie, die ilex Rechtsanwälte bereits seit 2014 vertritt, auf ganzer Linie bestätigt. Bereits 2012 hatte das Landgericht Magdeburg nämlich eine ähnlich gelagerte Klage als verjährt angesehen (Aktenzeichen 9 O 2210/10 (562)). Auch das Landgericht Potsdam entschied per Urteil – 12 O 122/15 – gegen den klagenden Anleger, dass der Anspruch auf Schadenersatz wegen eines behaupteten angeblichen Anlageberatungsverschuldens bei Zeichnung im Jahre 2007 verjährt sei und die Verjährung auch schon abgelaufen war, als der Anleger erstmals im Jahre 2015 Klage erhob.

Ausblick

ilex Rechtsanwälte war erst in der zweiten Instanz mit dem vorliegenden Fall befasst, konnte aber in der Berufungsinstanz für den von uns vertretenen Beklagten die alles entscheidende Wende herbeiführen, die schließlich auch in der Revision vor dem Bundesgerichtshof standhielt. Viele auch heute existente Fälle mit Fragen zur Vermittlerhaftung sind ähnlich gelagerter Natur. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Vermittler sehr viele Jahre nach der Zeichnung urplötzlich vom Kapitalanleger in Anspruch genommen wird und für etwas haften soll, was Jahre zurückreicht. Um die Einrede der Verjährung erfolgversprechend geltend zu machen, ist es jedoch im Einzelfall nötig, sehr detailliert über die Hintergründe der Kapitalanlage und über das Vermittlungsgespräch vorzutragen.







Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Ulrich Schulte am Hülse

Beiträge zum Thema