Ist die Hardware-Nachrüstung Ihres Dieselfahrzeugs empfehlenswert?

  • 10 Minuten Lesezeit

Abgasskandal: Was soll ich jetzt machen?

Diese Frage treibt die meisten Dieselfahrer seit geraumer Zeit um. Dabei haben sich die Optionen durch das neue Konzept der Bundesregierung noch einmal erweitert. Bisher hatte der Verbraucher die Wahl zwischen einer Einzelklage und dem Anschluss an die Musterfeststellungsklage. 

Das neue Konzept der Bundesregierung sieht zwei weitere Möglichkeiten vor. Der Verbraucher soll nun die Möglichkeit haben, sich mithilfe einer Umtauschprämie ein neues „sauberes” Dieselfahrzeug zu kaufen oder im Wege einer Hardware-Nachrüstung sein jetziges Fahrzeug behalten zu können. Diese Möglichkeiten sollen vor allem die drohenden Fahrverbote verhindern und so den betroffenen Dieselfahrzeugen wieder einen Wert verleihen. 

Dabei klingt das Konzept der Bundesregierung erst einmal hilfreich. Wenn man es sich jedoch genauer anschaut, werden die zahlreichen und teilweise gravierenden Schwachstellen sichtbar. Dementsprechend wird die Kritik an dem ausgehandelten Konzept, welches am 02. Oktober vorgestellt wurde, immer lauter. Beachtenswert ist, dass die Kritik nicht nur aus dem gegnerischen Lager kommt, sondern auch aus den eigenen Reihen der Bundesregierung. 

Im Folgenden informieren wir Sie genauer über die Vor- und Nachteile des neuen Diesel-Planes der Bundesregierung und zeigen Ihnen, welches Vorgehen für Sie das Beste ist. 

I. Lohnt sich die Umtauschprämie für mich? 

Die Frage lässt sich leider sehr schwer beantworten, da die Einzelheiten der Umtauschprämie noch ungewiss sind. Nach dem aktuellen Stand können wir Ihnen nur von einer Inanspruchnahme der Umtauschprämie abraten. Als einzigen Vorteil sehen wir, dass Sie einen etwas billigeren Neuwagen bekommen. Demgegenüber stehen jedoch zu viele Nachteile, als dass sich es lohnen würde. Die für uns größten Nachteile sind: 

1. Die Höhe der Umtauschprämie steht nicht fest

Es bestand die leise Hoffnung, dass die Politik mit dem Dieselgipfel vergangenes Wochenende (29./30. September 2018) ernst macht und den Autokonzernen endlich die Stirn bietet. Nachdem sogar Verkehrsminister Andreas Scheuer sich erstmals für eine Hardware-Nachrüstung und eine Kostentragungspflicht der Autohersteller ausgesprochen hatte stand einer effektiven Lösung des Abgasskandals eigentlich nichts mehr entgegen. 

Der entstandene Plan bringt jedoch eher Enttäuschung mit sich. Einer der größten Schwachpunkte ist, dass die Hersteller die Höhe der Prämie selbst bestimmen können. Auf der Website des Bundesministeriums für Verkehr heißt es dazu:

„Die deutschen Automobilhersteller haben dem Bund zugesagt, den Fahrzeughaltern von Euro-4- und Euro-5-Diesel-Fahrzeugen ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten anzubieten”.

Da kann man sich nur fragen, ob der Verkehrsminister ernsthaft an einer Lösung zugunsten der Verbraucher interessiert ist. Nicht nur, dass die Umtauschprämie an sich schon ein Geschäft zugunsten der Autokonzerne ist, mit dem sie ihren Gewinn noch weiter steigern können. Die Autokonzerne können sogar selbst entscheiden, welchen Gewinn sie weiter auf dem Rücken der Verbraucher machen wollen. 

Bei dieser Absprache kommt es einem so vor, als hätten die zuständigen Minister vergessen, dass die Autokonzerne über Jahre hinweg die Verbraucher betrogen haben und nun dafür angemessen einstehen sollten. Stattdessen wird den Autokonzernen ermöglicht, aus einer „Lösung” des Abgasskandals noch mehr Profit zu schlagen. 

Als einziger Autohersteller hat sich bisher Renault zu einer konkreten Prämie geäußert. Der Konzern bietet den Verbrauchern eine Umtauschprämie von bis zu 10.000 Euro an. 

Darüber hinaus hat Andreas Scheuer gesagt, dass es von BWM eine Prämie bis zu 6.000 Euro und von Daimler bis 5.000 Euro geben wird. Eine Stellungnahme der Konzerne gibt es dazu nicht. Seitens VW gibt es eine schwammige Aussage, wonach die Prämie für Euro 1-4 Fahrzeuge im Durchschnitt bei 4.000 Euro und für Euro 5 Fahrzeuge im Durchschnitt bei 5.000 Euro liegen wird. 

Letztendlich kann die Inanspruchnahme einer Umtauschprämie schon deshalb nicht empfohlen werden, weil noch gar nicht fest, was es für eine Prämie geben wird. 

2. Der Umtausch schützt Sie nicht vor einem Fahrverbot

Eines der größten Anliegen des Dieseltreffens war es, zu verhindern, dass es zu weiteren Fahrverboten kommt. Bisher gibt es Fahrverbote in Hamburg und Stuttgart, wobei auch Frankfurt gerichtlich dazu verurteilt wurde, Fahrverbote zu erlassen. Die drohenden Fahrverbote sind wohl eine der größten Sorgen der Verbraucher und tragen einen großen Anteil zu dem erheblichen Wertverlust von Dieselfahrzeugen bei. 

Die Umtauschprämie schützt Sie nicht vor diesen Fahrverboten. Selbst, wenn Sie ihr altes Fahrzeug in einen Neuwagen der Euroklasse 6 umtauschen, können Sie immer noch von neuen Fahrverboten getroffen werden, da auch diese Fahrzeuge vermutlich die Grenzwerte nicht einhalten. 

Der ADAC rät momentan allen Dieselfahrern, sich entweder eine Alternative zum Dieselfahrzeug zu suchen oder aber mit dem Kauf abzuwarten, bis die neuen Fahrzeuge mit den Euroklassen 6d Temp bzw. 6d verfügbar sind. Dafür hat der ADAC eine Liste mit den zukünftig kaufbaren Dieselfahrzeugen veröffentlicht. Dass der Umtausch wegen der damit verbundenen Kosten ohnehin für viele Menschen nicht in Betracht kommt, sieht auch der ADAC. Der Geschäftsführer Alexander Möller sagt dazu:

„Deswegen bleibt es dabei, dass wir auch technische Nachrüstungen an Diesel-Pkw brauchen, wo das technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist.“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat schon 2017 in einer Testreihe festgestellt, dass viele Fahrzeuge mit Euro 6 nicht einmal die Grenzwerte der Euro-4-Fahrzeuge einhalten. Dabei gab es sogar vier Fahrzeuge, die den seit 1992 bestehenden Euro-1-Grenzwert nicht einhalten. 

Paradoxerweise sollen die Umtauschprämien zeitlich begrenzt werden, sodass es Ihnen gar nicht möglich ist mit Hilfe der Umtauschprämie einen sauberen Diesel der Klasse Euro 6d Temp bzw. Euro 6d zu kaufen. 

Angesichts dessen kann man niemanden empfehlen, sich im Wege einer Umtauschprämie ein Fahrzeug mit Euro 6 zu kaufen. Im schlimmsten Fall haben Sie nach dem Umtausch ein Fahrzeug mit einem höheren Stickoxidausstoß als bisher und haben den Autokonzern dafür auch noch bezahlt. 

3. Die Umtauschprämie ist nicht für alle 

Der Diesel-Plan sollte eine Lösung für alle betroffenen Dieselfahrer werden. Aus welchem Grund die Bundesregierung die Umtauschprämie trotzdem auf bestimmte Gebiete begrenzt, bleibt schleierhaft. Fakt ist, dass die Umtauschprämie nur für insgesamt 14 Städte gelten soll. 

Die laut Bundesministerium für Verkehr besonders belasteten Städte sind München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg an der Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg. Städte wie Berlin oder Frankfurt Oder, wovon zumindest Frankfurt schon gerichtlich zur Einführung von Fahrverboten verurteilt wurde, fehlen auf der Liste. 

Dass genau diese Städte ausgewählt wurden, mag wohl an der besonders hohen Grenzwertüberschreitung liegen. Trotzdem ist die Begrenzung auf 14 Städte unverständlich, wenn man beachtet, dass die Grenzwerte derzeit in 65 deutschen Städten überschritten werden. Außerdem macht es für die Betroffenheit des einzelnen Dieselfahrers keinen Unterschied, in welcher Stadt er wohnt. Jeder Einzelne wurde betrogen und hat ein Recht darauf, von den Autoherstellern entschädigt zu werden. 

4. Fazit zur Umtauschprämie 

Die beschlossene Umtauschprämie bringt, sofern sie denn überhaupt konkret festgestellt wurde, den Verbraucher nicht weiter. Im schlimmsten Fall kaufen Sie ein Fahrzeug mit Euro 6, welches mehr Stickoxid ausstößt als eines mit Euro 4. Der Kauf eines sauberen Euro 6d Temp. bzw. Euro 6d ist aufgrund der zeitlichen Beschränkung der Prämie nicht möglich. 

II. Sollte ich eine Hardware-Nachrüstung vornehmen lassen?

Die Einführung von Hardware-Nachrüstungen sollte die stark kritisierten Software-Updates ablösen und so endlich für eine zufrieden stellende Lösung sorgen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei die generelle Frage, ob es überhaupt zu Hardware-Nachrüstungen kommen wird und die wohl genauso wichtige Frage, wer diese Nachrüstungen finanziert. 

Nachdem sich schlussendlich auch Verkehrsminister Andreas Scheuer, bisher strikter Gegner von Hardware-Nachrüstungen, dafür ausgesprochen hatte, bestand wieder Hoffnung auf eine Lösung. Umso ernüchternder ist die entsprechende Veröffentlichung des Bundesministerium für Verkehr. Darin heißt es: 

„Will ein betroffener Fahrzeughalter die Hardware-Nachrüstung seines Euro 5-Diesel-Fahrzeugs mit einem SCR-System (Harnstoff-Einspritzung/AdBlue®) und ist dieses verfügbar und geeignet, den Stickoxidausstoß auf weniger als 270 mg/km zu reduzieren, erwartet der Bund vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt.”

Indem der Bund erwartet, dass die Autohersteller die Kosten übernehmen, ist eine reale Finanzierung der Nachrüstungen leider noch weit entfernt. Die Konzerne BMW und Opel haben schon erklärt, dass sie an einer derartigen Finanzierung nicht teilnehmen werden. 

Die VW AG hat in einer Stellungnahme erklärt, dass sie die Anstrengungen der Bundesregierung unterstützt, mögliche Fahrverbote zu verhindern. In den letzten drei Sätzen der Stellungnahme wird klar, dass der Konzern nichts von etwaigen Hardware-Nachrüstungen hält. Der Konzern weist selbst darauf hin, dass es mit einer Nachrüstung zu einem Mehrverbrauch und Komforteinbußen kommen wird. 

Wenn man bedenkt, dass die VW AG derartige Folgen beim Software-Update stets bestritten hat, obwohl dies zahlreich anders gesehen wurde, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass VW wohl kein effektives Hardware-Update anbieten will. 

Damit scheidet die Hardware-Nachrüstung als Option aus. Die gilt unabhängig davon, ob es eine technische Möglichkeit für derartige Nachrüstungen gibt. Die technische Möglichkeit nützt den Verbraucher nämlich nichts, wenn der jeweilige Konzern sich weigert, die Nachrüstungen anzubieten oder sie zumindest zu finanzieren. 

Zusätzlich dazu beinhaltet der Diesel-Plan keine Regelung über eine Garantie bezüglich einer Hardware-Nachrüstung und die Hersteller zeigen sich nicht gewillt, eine solche zu übernehmen. Zu einer Übernahme wird es wohl nie kommen. Die Hersteller haben sich schon bei dem reinen Software-Update geweigert, eine umfassende Garantie zu übernehmen. Ohne eine umfassende Garantie für die Hardware-Nachrüstung sollte niemand eine solche vornehmen. In Anbetracht der Tatsache, dass VW selbst vor den Komplikationen warnt, kann eine Nachrüstung Ihres Fahrzeuges nicht gut ausgehen. 

Bei einem Hardware-Update ohne Garantieübernahme durch den Hersteller stehen Sie bei Komplikationen alleine da und haben so vielleicht Ihre Ansprüche gegenüber dem Hersteller verspielt. 

Fazit: Wir können Ihnen, jedenfalls so lange die Hersteller keine Garantie übernehmen, von einer Hardware-Nachrüstung nur abraten. 

III. Es bleibt die Wahl zwischen Einzelklage und Musterfeststellungsklage 

Nachdem die neuen Optionen der Bundesregierung für Sie nicht empfehlenswert sind, bleibt die Wahl zwischen der Einzelklage und der neuen Musterfeststellungsklage. 

Die Klage ist für Sie der sichere Weg, gegenüber der Autoindustrie Ihr Recht zu bekommen. Nach der anfänglich noch zögerlichen Klagewelle haben inzwischen hunderte Landgerichte insbesondere VW zur Rücknahme des Fahrzeuges und Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt. Wir sehen Ihre Erfolgschancen vor Gericht daher zwischen 80 und 90 Prozent. 

1. Einzelklage risikolos mit Rechtsschutzversicherung 

Sofern Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, raten wir Ihnen zu einer Einzelklage. Eine Verkehrsrechtsschutzversicherung ist hierfür ausreichend. Die Vorteile gegenüber der Musterfeststellungsklage bestehen unter anderem darin, dass

  • Sie nur einen anstatt zwei Prozesse führen 
  • Sie Ihren Anspruch in der Hälfte der Zeit durchsetzen können
  • Sie eine individuelle Beratung und damit individuelle Klage erhalten 
  • die Verjährung Ihrer Ansprüche sicher verhindert wird 

Ihr Anspruch umfasst dabei eine Rückgabe des Fahrzeuges gegen die Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Ihre Klage keinen Erfolg hat, ist Ihr Risiko bzw. ihr Verlust auf die Selbstbeteiligung bei Ihrer Rechtsschutzversicherung beschränkt. Diese liegt üblicherweise zwischen 150 und 250 Euro. 

Sie können die Einzelklage selbstverständlich auch ohne Rechtsschutzversicherung erheben, sofern Sie gewillt sind, das Prozessrisiko zu tragen. Lassen Sie sich dafür von einem unserer Anwälte in einem kostenlosen Erstgespräch beraten. 

2. Musterfeststellungsklage als Option 

Die Musterfeststellungsklage ist trotz mancher Nachteile zumindest für die Verbraucher ohne Rechtsschutzversicherung eine effektive Lösung, um ohne eigenes Prozessrisiko zu ihrem Recht zu kommen. Der Vorteil dabei ist, dass in einem Musterprozess bestimmte Fragen für alle teilnehmenden Verbraucher verbindlich geklärt werden. Im nachfolgenden Einzelprozess muss sich das Gericht an diese Feststellungen halten, sodass der Ausgang des Verfahren berechenbar ist. 

Damit ist die Musterfeststellungsklage für alle Verbraucher ohne Rechtsschutzversicherung und solche, die ein Prozessrisiko nicht eingehen wollen, gemacht. Zusätzlich muss der Verbraucher aber auch ein bisschen mehr Zeit mitbringen, wenn er sich für diesen Weg entscheidet. 

3. Fazit zur Wahl 

Unsere Empfehlung ist eindeutig. Streben Sie in jedem Fall eine Einzelklage an, sofern Sie rechtsschutzversichert sind. Die Einzelklage ist Ihnen auch ohne Rechtsschutzversicherung zu empfehlen, da die Erfolgschancen sehr hoch sind. Sollten Sie ein Prozessrisiko dennoch scheuen, ist die Musterfeststellungsklage für Sie die beste Lösung. 

IV. Und was genau mache ich jetzt?

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf. Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns. Stellen Sie in einem kostenlosen Erstgespräch alle noch offenen Fragen und wir helfen Ihnen dabei, den für Sie richtigen Weg zu finden. Unabhängig davon, für welchen Weg Sie sich entscheiden ist es wichtig, dass Sie sich überhaupt entscheiden. Zum einen droht die Verjährung der Ansprüche und zum anderen die Verhängung von Fahrverboten. Dabei sind Sie nicht wehrlos. Ihnen stehen die entsprechenden Ansprüche zu, um ohne Schaden aus dem Abgasskandal herauszukommen. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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