Kampf gegen das Coronavirus: So kann der Staat die Grundrechte einschränken
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- Der Staat verfügt bereits über Möglichkeiten, um wesentliche Grundrechte einzuschränken.
- Gesetzliche Grundlagen sind insbesondere das Infektionsschutzgesetz und die Katastrophenschutzgesetze.
- Im Katastrophenfall sind zudem die Notstandsartikel im Grundgesetz anwendbar.
Nahezu täglich wird das öffentliche Leben weiter eingeschränkt, damit die Corona-Pandemie nicht außer Kontrolle gerät. Die Bundesländer erlassen drastische Verordnungen. Der Katastrophenfall wurde bereits ausgerufen. Ist zudem die erstmalige Anwendung der Notstandsgesetze möglich?
Infektionsschutzgesetz ermöglicht weitreichende Einschränkungen
Bundesregierung und Länder haben sich auf drastische Maßnahmen zur Eindämmung geeinigt. Soziale Kontakte sollen, nachdem viele Menschen dies nicht freiwillig tun, reduziert werden.
Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen nach § 28 Infektionsschutzgesetz bis § 31 Infektionsschutzgesetz. Zum Ergreifen notwendiger Schutzmaßnahmen, wie insbesondere Beobachtungen und Quarantäne, ermöglichen sie die Einschränkung wesentlicher Grundrechte. Die Bundesländer können davon über § 32 Infektionsschutzgesetz Gebrauch machen. Mittels Verordnungen können sie Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen. Zudem ermöglichen weitere Infektionsschutzgesetz-Paragrafen allgemeine Maßnahmen, Ermittlungen, Impfmaßnahmen oder Maßnahmen zur Beseitigung offenbar infektiöser Gegenstände und können zu diesem ebenfalls Grundrechte einschränken.
Folgende Grundrechte und damit folgende Schutzbereiche können aufgrund des Infektionsschutzgesetzes von Einschränkungen betroffen sein:
Betroffenes Grundrecht | Schutzbereich |
Körperliche Unversehrtheit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz | Körperliche wie geistige Gesundheit Nicht geschützt ist das soziale Wohlbefinden |
Freiheit der Person Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz | Freie Bewegung innerhalb Deutschlands und das Verlassen Deutschlands |
Versammlungsfreiheit Art. 8 Grundgesetz | Ungehinderte Zusammenkunft mit anderen Menschen in der Öffentlichkeit |
Brief- und Postgeheimnis Art. 10 Grundgesetz | Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation, insbesondere auch der Telekommunikation |
Freizügigkeit Art. 11 Abs. 1 Grundgesetz | Ungehindertes freies Umziehen deutscher Staatsbürger innerhalb Deutschlands |
Unverletzlichkeit der Wohnung Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz | Gewährt eine besondere Freiheitssphäre in Privatwohnungen, Hotelzimmern und anderen Räumlichkeiten bis hin zu Geschäftsräumen |
Möglichkeiten im Katastrophenfall
Bayern hat am 16. März den Katastrophenfall ausgerufen. Am folgenden Tag hat ihn auch die Katastrophenschutzbehörde der Stadt Halle an der Saale zusätzlich zur Verordnung es Landes Sachsen-Anhalts festgestellt. Auslöser war ein starker Anstieg der Infektionen, darunter die einer Mitarbeiterin des Martha-Maria-Krankenhauses in Halle-Dölau. Die Station wurde daraufhin unter Quarantäne gestellt. In Halle sollen zudem Schutzausrüstungen und Blutkonserven nicht ausreichend vorhanden sein.
Voraussetzung für einen Katastrophenfall ist im Grunde eine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit oder der lebenswichtigen Versorgung einer Vielzahl von Personen, die die Behörden mit den üblichen Mitteln voraussichtlich nicht mehr beherrschen. Der Katastrophenfall ermöglicht die Anwendung der Landeskatastrophenschutzgesetze. Verfügbare Kräfte und Mittel lassen sich dadurch einfacher koordinieren.
Zu den möglichen Einschränkungen zählen Verbote das Katastrophengebiet zu betreten – kurz Sperrgebiete ausweisen. Außerdem können Personen zur Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen verpflichtet werden.
Katastrophenschutzgesetze können zudem weitere Grundrechte einschränken. In Bayern gilt das etwa für das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit, die Freizügigkeit und die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Auf diesen Grundlagen wurden bereits drastische Maßnahmen beschlossen.
Über die Einzelheiten der jeweils aktuell geltenden Einschränkungen informieren insbesondere die Websites der Bundesländer. Diese sind Informationen in sozialen Netzwerken in jedem Fall vorzuziehen. Einen Überblick über die Beschränkungen und Bußgelder gibt zudem der umfassende Ratgeber: Corona-Beschränkungen - Strafen und Bußgelder bei Verstößen |
Neue Infektionsschutzgesetze erweitern die Möglichkeiten
Das Infektionsschutzgesetz wurde stark um zusätzliche Befugnisse für das Bundesgesundheitsministerium erweitert. Es kann Rechtsverordnungen erlassen.
Dazu zählen Mitwirkungspflichten von Ärzten und anderen Heilberufsträgern, Auskunftspflichten von Reisen und Beschlagnahmemöglichkeiten für medizinische Behandlungsmittel.
Die Anwendbarkeit gilt nur für den Fall der neugeschaffenen epidemischen Lage nationaler Tragweite. Diese kann die Bundesregierung ausrufen, wenn diese mehrere Bundesländer betrifft. Durch Allgemeinverfügung und Rechtsverordnung kann das Bundesgesundheitsministerium folgende Maßnahmen treffen:
Vorschriften für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr, etwa Meldepflichten im Bahn- und Busverkehr
Melde- und Untersuchungspflichten
Regelungen, die im Normalfall durch die Selbstverwaltungspartner getroffen werden,
Maßnahmen zur Sicherstellung der Grundversorgung mit Arzneimitteln, Schutzausrüstung und Labordiagnostik
Flexibilisierung von Vorschriften in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen
Bayern hat am 25. März als bisher einziges Bundesland ein eigenes Infektionsschutzgesetz beschlossen. Es gilt zusätzlich zum bereits bestehenden Landeskatastrophenschutzgesetz. Das bayerische Infektionsschutzgesetz sieht nun einen Gesundheitsnotstand vor, der weitere und vergleichbare Eingriffe wie im Landeskatastrophenschutzgesetz rechtfertigen soll. Es ermöglicht insbesondere:
- Die Beschlagnahme medizinischen, pflegerischen und sanitären Materials wie etwa Beatmungsgeräten und Schutzkleidung.
- Den erleichterten Zugriff auf medizinisches Personal wie Ärzte und Pfleger.
- Von jeder geeigneten Person die Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen zu verlangen.
Das bayerische Infektionsschutzgesetz soll nur bis zum Jahresende gelten.
Möglich sind weitere Gesetzesänderungen und neue Gesetze.
Nationaler Notstand in Deutschland
Noch nie wurden die Notstandsgesetze seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1968 angewendet. Pandemien gelten als Naturkatastrophen und insofern als innerer Notstand, der dies ermöglicht. Verfassungsrechtliche Grundlage für Maßnahmen sind Art. 35 Grundgesetz, Art. 87a Grundgesetz und Art. 91 Grundgesetz. Sie ermöglichen insbesondere:
- Den Austausch von Polizeikräften zwischen den Ländern
- Das Erteilen von Weisungen an die Polizei und die Landesregierungen durch die Bundesregierung
- Den Einsatz der Bundeswehr zur Unterstützung im Inland zum Schutze ziviler Objekte und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen
Sie unterscheiden sich von den Möglichkeiten bei einem äußeren Notstand, den insbesondere ein bewaffneter Angriff darstellt. Für diesen gilt insbesondere Art. 115a Grundgesetz. Die Kriegsgefahr war schließlich Anlass für die aus Zeiten des Kalten Krieges stammenden Notstandsgesetze. Somit steht ein innerer Notstand nicht im Zentrum der Notstandsgesetze.
Einen Notstandsparagrafen wie in der Weimarer Verfassung, der der Regierung weitreichende Einschränkungen ermöglichte, gibt es aufgrund der Erfahrungen in der deutschen Geschichte mit dem daraus folgenden Machtmissbrauch nicht. Die Notstandsregeln verteilen sich stattdessen auf verschiedene Bestimmungen. Auch Bundestag und Bundesrat bleiben deshalb an Entscheidungen beteiligt. Die Bundesregierung kann aufgrund der Notstandsgesetze nicht alleine handeln.
(GUE)
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