Kann die überhöhte Rechnung eines Schlüsseldienstes den Straftatbestand des Wuchers erfüllen?

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Gemäß § 291 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe u. a. bestraft, wer die Zwangslage eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich für eine Leistung Vermögensvorteile gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Das OLG Köln (Az. 1 RVs 210/16) hatte die Frage zu klären, ob diese Voraussetzungen vorliegen können, wenn ein Schlüsseldienst eine objektiv überhöhte Rechnung stellt.

Der Fall

An einem Samstagnachmittag ließ der Bewohner einer Wohnung beim kurzfristigen Verlassen selbiger versehentlich die Tür zuschlagen. Unter Zuhilfenahme eines Nachbarn verständigte er einen Schlüsseldienst. Dieser benötigte weniger als 1 Minute, um mittels einer Kunststoffkarte die Tür zu öffnen. Für diese Leistung stellte er stolze 319,51 € in Rechnung. Der tatsächliche Wert der Leistung habe, so die Anklage, inklusive Wochenendzuschlag und Fahrtkostenpauschale bei höchstens 130 € gelegen.

Das Urteil

Sowohl Amts-, Land- als auch Oberlandesgericht sprachen den angeklagten Inhaber des Schlüsseldienstes frei.

Das allgemeine Rechtsgut des § 291 StGB sei, so das OLG, u. a. der Schutz einer Einzelperson vor krasser wirtschaftlicher Übervorteilung, wobei das Wesen des Wuchers darin liegen soll, dass der Täter eine individuelle Schwächesituation seines Opfers ausbeute, um für eine eigene Leistung eine deren Wert weit übersteigende Gegenleistung zu gewinnen. Das Ausgesperrtsein aus der eigenen Wohnung stelle in diesem allgemeinen Sinne sicherlich eine individuelle Schwächesituation dar. So weit, so gut.

Darüber hinaus müsse jedoch eine gewisse Erheblichkeit der Schwächesituation im Sinne einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der (wirtschaftlichen) Entscheidungsfreiheit vorliegen. Dies sei an einem Samstagnachmittag in Gegenwart eines hilfsbereiten Nachbarn nicht der Fall gewesen, da der Wohnungsinhaber durchaus alternative Angebote hätte einholen können. Eine dringende Eilbedürftigkeit lag demnach nicht vor, so das OLG.

Anders hätte die Situation ausgesehen, wenn für den Wohnungsinhaber eine akute Notsituation vorgelegen hätte, beispielsweise ein Kleinkind in der Wohnung zurückgeblieben wäre oder durch elektrische Geräte (z. B. eingeschalteter Herd) eine Brandgefahr bestanden hätte. Auch die Tageszeit und Wetterlage kann die Situation maßgeblich ändern (allein nachts bei Minusgraden ausgesperrt sein).

Es kommt also im Ergebnis darauf an, ob dem Auftraggeber objektiv zuzumuten gewesen wäre, weitere Angebote einzuholen, oder ob aufgrund der Eilbedürftigkeit das erstbeste angenommen werden musste.

Hinweis

Losgelöst von der Strafbarkeit stellt sich die Frage, ob ein überhöhtes Entgelt überhaupt zu bezahlen ist. Das OLG weist zu Recht darauf hin, dass ein Werkvertrag mit dem Schlüsseldienst regelmäßig bereits telefonisch bei der Auftragserteilung geschlossen wird. Wenn zu diesem Zeitpunkt eine Vergütung nicht ausdrücklich vereinbart wurde, gilt die übliche Vergütung (§ 632 Abs. 2 2. Alt. BGB). Das ist der Betrag, der nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise für eine nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistung bezahlt zu werden pflegt (im vorliegenden Fall offenbar 130 €). Eine später dann einseitig verlangte höhere Vergütung ist nicht geschuldet.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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