Kein Fahrverbot aufgrund Unfallflucht bei einer Meldung bei der Polizei 1 1/2 Std. nach dem Unfall

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Bei einem Beschuldigten, der sich etwa 1 1/2 Stunden nach einem Unfallereignis freiwillig bei der Polizei meldet und dort einen von ihm (mit)verursachten Unfall zu Protokoll gibt, liegen besondere Umstände vor, die ein Absehen von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB rechtfertigen. Das hat das AG Bielefeld entschieden.

Der Beschuldigte sei zwar aufgrund des dringenden Tatverdachts einer Katalogtat gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Die gesetzliche Vermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist jedoch widerlegbar, so dass zu prüfen ist, ob besondere Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters vorliegen, die die Eignung nach der Tat günstig beeinflusst haben oder die den seiner generellen Natur nach schweren Verstoß in einem weniger gefährlichen Licht als den Regelfall erscheinen lassen (vgl. Leipziger Kommentar, Geppert, 12. Auflage, 2008, StPO, § 69, Rdn. 87).

Nach Auffassung des AG Bielefeld liegen bei einem Beschuldigten, der etwa 1 1/2 Stunden nach dem Unfallereignis freiwillig zur Polizei fuhr und den Unfall meldete, solche besonderen Umstände vor. Eine Ausnahme kommt insbesondere in Betracht, wenn im Hinblick auf einen - die Feststellungen nachträglich ermöglichenden - Täter die Anwendung der Vorschrift bzgl. der tätigen Reue gemäß § 142 Abs. 4 StGB daran scheitert, dass der Sachschaden nicht unerheblich war oder es sich um einen Unfall im fließenden Verkehr gehandelt hat. Tätige Reue scheidet in diesen Fällen aus und auch im konkret entschiedenen Fall, da dort ein über der Grenze von 1.300,00 Euro liegender erheblicher Sachschaden entstanden ist. Das Verhalten des Beschuldigten nach der Tat kann mithin nicht den dringenden Tatverdacht für eine vollendete Verkehrsunfallflucht entfallen lassen.

Die freiwillige nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen lasse aber aus Sicht des AG Bielefeld den seiner generellen Natur nach schweren Verstoß in einem weniger gefährlichen Licht erscheinen, mit der Folge, dass die gesetzliche Vermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB widerlegt ist. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat das Gericht auch berücksichtigt, dass von einem einmaligen Augenblicksversagen auszugehen sein dürfte, da der Bundeszentralregisterauszug des Beschuldigten keine Eintragungen aufwies und auch der Verkehrszentralregisterauszug keine ähnlich gelagerten Verstöße enthält. Damit sei die Regelwirkung der Katalogtat durch die besonderen Umstände widerlegt.

(AG Bielefeld, Urteil vom 09.10.2013 - 9 Gs-402 Js 3422/13-5435/13)


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