Kein Nutzungsersatz im Abgasskandal – Anspruch auf Zinsen ab Kaufpreiszahlung

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Bundesweit haben Landgerichte und Oberlandesgerichte VW im Abgasskandal inzwischen zu Schadensersatz verurteilt. Die Frage nach der Schadensersatzpflicht von Volkswagen ist also so gut wie beantwortet. Jetzt drängen bei Verfahren gegen VW die Aspekte Nutzungsentschädigung und Zinsen in den Mittelpunkt.

Viele Gerichte haben VW im Abgasskandal zwar zum Schadensersatz verurteilt, haben dem Autobauer allerdings auch eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer zugesprochen. Doch diese Rechtsauffassung wird inzwischen auch von einigen Gerichten angezweifelt. Das OLG Hamburg machte kürzlich klar, dass es ab Geltendmachung der Rückabwicklung des Kaufvertrags einen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung nicht mehr für gerechtfertigt hält.

Auch der renommierte Jura-Professor Michael Heese von der Universität Regensburg stellt den Anspruch auf einen Nutzungsersatz in Frage. Denn dadurch würde VW als Verursacher des Abgasskandals unbillig entlastet. „Der Nutzungsersatz bringt VW einen entscheidenden Vorteil. Je länger ein Verfahren dauert und je mehr Kilometer das manipulierte Fahrzeug deshalb am Ende auf dem Tacho hat, desto höher fällt die Nutzungsentschädigung für VW aus und umso weniger muss der Autobauer an den Verbraucher zahlen. Dadurch wird der Verbraucher, der durch die Abgasmanipulationen schon betrogen wurde, noch einmal in unzumutbarer Weise belastet“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.

Professor Michael Heese hat die juristische Aufarbeitung des Dieselskandals stark vorangetrieben. In der Zeitschrift „Verbraucher und Recht“ schreibt er, dass eine Nutzungsentschädigung den Reiz erhöhe, eine Rechtsverletzung dennoch zu begehen und die Erfüllung des Anspruchs zu verzögern. VW würde durch eine Nutzungsentschädigung unbillig entlastet. Daher sei sie nach Meinung Heeses nicht geboten.

Diese Auffassung wird auch von Jura-Professor Dr. Ansgar Staudinger von der Universität Bielefeld geteilt. Er vertritt auch in einem weiteren strittigen Punkt, den Anspruch des geschädigten Verbrauchers auf Deliktzinsen auf den Kaufpreis, eine verbraucherfreundliche Haltung. Er vertritt in seinem Beitrag in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ die Auffassung, dass den Käufer im Abgasskandal ein Anspruch auf Verzinsung ab Kaufpreiszahlung zusteht.

Dies begründet er damit, dass VW durch die Abgasmanipulationen eine unerlaubte Handlung begangen habe, die den Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung beeinflusst und ihm zum Kauf gedrängt habe. Dadurch sei ihm mit der Zahlung des Kaufpreises Geld entzogen worden. Daher könne er nach § 849 BGB Zinsen auf den zu ersetzenden Betrag verlangen. Der Argumentation, dass der Verbraucher durch die Überlassung des Fahrzeugs bereits eine Kompensation erhalten habe, erteilte der Jurist eine Absage.

„Nutzungsentschädigung und Zinsen ab Kaufpreiszahlung beeinflussen die Höhe des Schadensersatzes für den Verbraucher maßgeblich. Ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung und mit einer Verzinsung ab Kaufpreiszahlung ist für die Verbraucher natürlich mehr drin. Mit diesen Punkten werden sich auch der BGH bzw. EuGH noch befassen. Vor diesem Hintergrund können auch die Teilnehmer am VW-Musterfahren überlegen, ob sie das Vergleichsangebot für angemessen halten“, so Rechtsanwalt Dr. Hartung, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal.

Mehr Informationen finden Sie auf der Kanzleihomepage.



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