Kein Schonzeitverstoß mangels Altersbestimmung beim Abschuss von Wildtieren (Wildschweinen)

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Kein Schonzeitverstoß mangels Altersbestimmung beim Abschuss von Wildtieren

Das OLG Schleswig hat entschieden, dass kein schwerwiegender Verstoß gegen die Jagdgesetze vorliegt, wenn ein Jäger alle äußeren Merkmale zur Altersbestimmung eines Wildtieres sorgfältig beobachtet und erfasst, sich aber trotzdem über das Alter des Tieres irrt.

Was war passiert:

Ein 76-jähriger Jäger war im Mai 2015 auf Wildschweinjagd in Ostholstein. Zu dieser Zeit ist nur die Jagd auf Wildschweine im ersten Lebensjahr (Frischlinge) und auf solche im zweiten Lebensjahr (Überläufer) erlaubt. Für alle übrigen Wildschweine besteht Schonzeit. Nachdem der Jäger mit seinem Fernglas ein einzelnes Wildschwein beobachtet hatte und es auf Grund seiner Größe, Statur und anderer Merkmale für einen weiblichen Überläufer (Überläuferbache) hielt, erlegte er das Tier. Der herbeigerufene Förster untersuchte später das Gebiss des Wildschweins. Er meinte, dass das Schwein älter als zwei Jahre sein müsse und zeigte den Jäger bei der Jagdbehörde an. Diese ließ das Gebiss des Tieres vom Kreisjägermeister und dem Kreisveterinär untersuchen, die ebenfalls zum Ergebnis kamen, dass das Wildschwein mindestens zwei Jahre alt sein müsse. Daraufhin warf die Jagdbehörde dem Jäger vor, er hätte bei Zweifeln über das Alter nicht auf das Tier schießen dürfen. Sie verhängte gegen den Jäger ein Bußgeld i.H.v. 500 Euro. Der Jäger legte dagegen Einspruch ein, denn er war sich anhand der für ihn erkennbaren Merkmale sicher, eine Überläuferbache vor sich gehabt zu haben. Das Verfahren wurde vor dem Amtsgericht fortgesetzt. Dort traten der Förster und der Kreisjägermeister als Sachverständige auf und erläuterten, dass anhand der Ausformung der Schneidezähne des Tieres zu erkennen sei, dass dieses mindestens zwei Jahre alt sei. Die Sachverständigen waren sich jedoch nicht einig, woran der Jäger das Alter des Wildschweines von seinem Hochsitz aus hätte erkennen können.
Das Amtsgericht hatte den Jäger im Oktober 2015 wegen eines fahrlässigen Schonzeitverstoßes nach dem Bundesjagdgesetz zu einer Geldbuße i.H.v. 500 Euro verurteilt.

Ergebnis:

Das OLG Schleswig hat das Bußgeldverfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gegen den Jäger eingestellt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist nicht erwiesen, dass es sich bei dem Tier um ein mindestens zwei Jahre altes Wildschwein gehandelt hat. Die Methode der Altersermittlung anhand der Ausformung der Schneidezähne reiche zwar für jagdliche Zwecke aus, nicht aber für eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit, denn bei dieser Methode handele es sich lediglich um einen vereinfachten Bestimmungsschlüssel für jagdpraktische Zwecke. Um jedoch die für eine Verurteilung erforderliche Sicherheit über das Alter des Wildscheines zu erlangen, hätte eine präzisere Altersbestimmung durchgeführt werden müssen. Es hätten der Zahnabschliff und das Vorhandensein des dritten Backenzahns beurteilt werden müssen. Das sei nicht geschehen. Zwar liege der Unterkiefer des Wildschweins noch tiefgefroren bei der Jagdbehörde, so dass eine weitere Aufklärung möglich sei. Dieser Aufwand werde jedoch der Bedeutung des Falles nicht gerecht, denn der Jäger habe kein einziges Merkmal missachtet, das deutlich für ein zwei Jahre altes Wildschwein und gegen ein jüngeres Tier spreche. Er habe das Tier längere Zeit mit einem Fernglas beobachtet und die zutreffend erkannten äußerlichen Merkmale wie z.B. Fellfarbe, Gewicht, Körperbau und Gesamterscheinung des Tieres in seine Beurteilung einfließen lassen. Wenn er sich dann bei seiner Beurteilung irre, stelle dies keinen so schwerwiegenden Verstoß gegen die Jagdgesetze dar, dass dieser mit einer so hohen Geldbuße zu bestrafen sei. Dies auch vor dem Hintergrund, dass wegen der stark steigenden Schwarzwildbestände und der dadurch verursachten landwirtschaftlichen Schäden allgemein die Forderung nach einer „straffen Bejagung“ von Wildschweinen erhoben werde.

Die Verfahrenskosten trägt nun die Staatskasse.


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