Kindergeldrückforderung wegen Wohnsitz im Ausland

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Rechtstipp bei Wohnsitz im Ausland: Was tun, wenn die Familienkasse gezahltes Kindergeld zurückfordert?

Die Zahlung von Kindergeld ist in Deutschland an eine unbeschränkte Steuerpflicht und damit an einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gebunden. Bei einem Auslandswohnsitz kann die Familienkasse gezahltes Kindergeld möglicherweise zurückfordern.


Als langjährige Rechtsanwältin in Berlin und Fachanwältin für Steuerrecht vertrete ich bundesweit Mandanten im Steuerrecht. Im nachfolgend dargestellten Rechtsfall gelang es mir, die Kindergeldberechtigung eines Mandanten im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung mit der Familienkasse zu sichern.


Der vorliegende Fall: Familienkasse fordert wegen ausländischen Wohnsitzes Kindergeld zurück.

Einer meiner Mandanten, der über einen ausländischen Wohnsitz (in Spanien) verfügt, erhielt seit dem Jahr 2013 Kindergeld von der Familienkasse Bayern Nord.

• Die Familienkasse war nun der Meinung, dass aufgrund des ausländischen Wohnsitzes kein Kindergeldanspruch bestehe. Die Familienkasse verlangte daher Rückzahlung des gezahlten Kindergeldes.

Zwar ist die Familienkasse gemäß § 37 Absatz 2 der Abgabenordnung (AO) berechtigt, zu unrecht gezahltes Kindergeld zurückzufordern.


Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangte ich jedoch zu der Überzeugung, dass die Rückzahlungsforderung der Familienkasse nicht berechtigt war. Ich übernahm daher auf Wunsch meines Mandanten die Vertretung seiner Interessen gegenüber der Familienkasse.


Vorliegen eines Kindergeldanspruchs: Welche Rechtsvorschriften waren im vorliegenden Fall maßgeblich?

Grundsätzlich besteht ein Kindergeldanspruch nur bei unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland.


Gemäß § 62 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat Anspruch auf Kindergeld, „wer

• 1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“ (und damit unbeschränkt steuerpflichtig ist) oder

• „2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland

- nach § 1 Absatz 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder

- nach § 1 Absatz 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.“


Was bedeutet unbeschränkte Steuerpflicht?

Unbeschränkte Steuerpflicht bedeutet, dass alle inländischen und ausländischen Einkünfte eines Steuerpflichtigen (also das sogenannte „Welteinkommen“) der Steuerpflicht in Deutschland unterliegen.


Wer nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, der unterliegt der beschränkten Einkommensteuerpflicht, die sich nur auf die inländischen Einkünfte bezieht.


Wer ist unbeschränkt steuerpflichtig?

Unbeschränkt steuerpflichtig sind alle natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Absatz 1 EStG)

Unbeschränkt steuerpflichtig sind zudem diejenigen deutschen Staatsangehörigen, die

im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und

in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen.

(§ 1 Absatz 2 EStG)

Darüber hinaus werden natürliche Personen auf Antrag „als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt“,

- die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

- aber über inländische Einkünfte verfügen,

falls ihre Einkünfte zu mindestens 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

(§ 1 Absatz 3 EStG)

Meine rechtliche Bewertung im vorliegenden Fall: unbeschränkte Steuerpflicht liegt vor, daher Rückzahlungsbescheid rechtswidrig

Nach meiner rechtlichen Bewertung erfüllte mein Mandat jedenfalls die Voraussetzungen des § 1 Absatz 3 EStG, so dass er als unbeschränkt Steuerpflichtiger zu behandeln war. Dann aber stand meinem Mandanten ein Kindergeldanspruch zu. Der Bescheid der Familienkasse auf Rückzahlung des Kindergeldes war somit rechtswidrig.


Deshalb legte ich im Auftrag meines Mandanten Einspruch gegen den Rückzahlungsbescheid der Familienkasse ein.


Auf welche Rechtsgrundlagen stützte sich die Familienkasse bei der Rückforderung des Kindergeldes?

Die Familienkasse ging davon aus, dass das Finanzamt eine unbeschränkte Steuerpflicht des Steuerpflichtigen nach § 1 Absatz 1 EStG (und nicht nach § 1 Absatz 3 EStG) angenommen hat.


An eine solche Entscheidung eines Finanzamts (nach § 1 Absatz 1 EStG) sind die Familienkassen nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aber rechtlich nicht gebunden (BFH-Urteil vom 24.05.2012, Aktenzeichen III R 14/10).


Die fehlende Bindungswirkung der Finanzamtsentscheidung für die Familienkasse begründete der BFH seinerzeit damit, dass

• die einkommensteuerrechtliche Frage der unbeschränkten Steuerpflicht (nach § 1 Absatz 1 EStG) einerseits und

• die Kindergeldfestsetzung (nach § 62 Absatz 1 Nummer 1 EStG) andererseits

in separaten Rechtsnormen geregelt worden seien. Der Gesetzgeber habe also offensichtlich eine Trennung der beiden Rechtsfragen (unbeschränkte Steuerpflicht / Kindergeldfestsetzung) beabsichtigt.


Günstigere Rechtslage für meinen Mandanten: bei Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger nach § 1 Absatz 3 EStG


Hätte die Familienkasse meinen Mandanten als unbeschränkt Steuerpflichtigen nach § 1 Absatz 3 EStG behandelt, so wäre nach meiner Rechtsüberzeugung eine Rückforderung des Kindergelds nicht in Betracht gekommen.

Rechtstipp:Ich empfehle meinen Mandanten mit Auslandswohnsitz und möglicher Kindergeldberechtigung daher, bei ihrem deutschen Finanzamt einen Antrag gemäß § 1 Absatz 3 EStG auf unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland zu stellen.


Sichtweise des Finanzamts: unerheblich, ob unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Absatz 1 oder Absatz 3 EStG

Das Finanzamt hatte meinem Mandanten folgendes Wahlrecht angeboten:

• entweder unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland oder

• getrennte Steuerpflicht in Spanien und Deutschland (unter Anwendung des zwischen beiden Staaten geltenden Doppelbesteuerungskommens).


Mein Mandant hatte sich für die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland entschieden.


Für das Finanzamt war es völlig unerheblich, ob sich die unbeschränkte Steuerpflicht meines Mandanten aus § 1 Absatz 1 EStG oder aus § 1 Absatz 3 EStG ergab.


Ablehnung unseres Einspruchs gegen den Rückzahlungsbescheid durch die Familienkasse

Die Familienkasse lehnte gleichwohl den von mir eingelegten Einspruch gegen den Rückzahlungsbescheid ab. Als Begründung führte die Behörde an, es sei nicht ausreichend belegt, dass das Finanzamt meinen Mandanten nach § 1 Absatz 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandele.


Die durch die Familienkasse vorgenommene Ablehnung unseres Einspruchs gegen den Rückzahlungsbescheid erschien mir vor dem geschilderten Hintergrund nicht sachgerecht.


Mögliche rechtliche Schritte

Nachdem mein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Rückzahlungsbescheids abgelehnt worden war, besprach ich mit meinem Mandanten mögliche Verfahrensalternativen. In Betracht kamen insbesondere

• ein Einspruch gegen die Ablehnung unseres Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Familienkasse,

• ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht sowie

• eine Klage in der Hauptsache vor dem Finanzgericht.


Bei der Entscheidung über die weitere Vorgehensweise waren verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen.


Sorgfältige Beratung meines Mandanten zur Rechtslage und zur zweckmäßigen weiteren Vorgehensweise

Informationen zu Dauer und Kosten eines Verfahrens vor dem Finanzgericht

Ich informierte meinem Mandanten über die mögliche Dauer eines Verfahrens vor dem Finanzgericht und über die möglicherweise entstehenden Kosten.

• Die Dauer eines Verfahrens vor dem Finanzgericht war auf etwa zwei Jahre zu veranschlagen.

• Die Kosten einer Klage vor dem Finanzgericht trägt die im Prozess unterlegene Partei.

- Zu den von der unterlegenen Partei zu erstattenden Prozesskosten gehören gemäß § 139 Absatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) neben den Gerichtskosten die zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten der Vorverfahrens (Einspruchsverfahren beim Finanzamt).

- Die Aufwendungen der Finanzbehörden müssen jedoch nicht erstattet werden (§ 139 Absatz 2 FGO).

• Bei einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Absatz 3 FGO) beträgt der Streitwert nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Regelfall 10 Prozent des Streitwertes, der bei einem entsprechenden Klageverfahren angesetzt werden würde.


Anspruch auf Prozesszinsen

Ein Anspruch auf Prozesszinsen setzt gemäß § 236 Absatz 1 AO voraus, dass eine Steuerherabsetzung oder Steuervergütung aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung gewährt wird. Die Prozesszinsen beziehen sich auf den Zeitraum, für den ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht wurde, nicht aber auf möglicherweise bestehende weitere Ansprüche für einen anderen Zeitraum.


Erlässt die Familienkasse den von uns beantragten Kindergeldbescheid während der Verfahrens vor dem Finanzgericht, dann entsteht ein Anspruch auf Prozesszinsen ab diesem Zeitpunkt, zu dem sich der Rechtsstreit erledigt (§ 236 Absatz 2 Nummer 1 AO).


Daher habe ich beim Finanzgericht die Festsetzung von Zinsen nach § 236 AO beantragt

Keine Verzinsung von Kindergeld-Nachzahlungen

Ab Oktober 2019 hatte die Familienkasse die Kindergeldzahlungen an meinen Mandanten eingestellt. Eventuell – wie von uns beantragt – nachgezahlte Kindergeld-Beträge werden allerdings nicht verzinst (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.04.2006, Aktenzeichen III R 64/04).


Kindergeld ist rechtlich eine Einkommensteuer-Vergütung (§ 31 Absatz 3 EStG).

§ 233a AO sieht zwar eine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen vor. § 233a Absatz 1 AO bezieht sich aber ausdrücklich nur auf Steuern, die von der Steuerbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt werden (§ 155 Absatz 1 AO).


Kindergeld gehört nicht zu festgesetzten Steuern im Sinne von §§ 155 Absatz 1 und 233a AO. Daher erfolgt auch keine Verzinsung nachgezahlter Kindergeldbeträge.


Gilt ein Urteil des Finanzgerichts auch für zukünftige Sachverhalte?

Ein Urteil des Finanzgerichts bezieht sich direkt nur auf den Zeitraum oder den Zeitpunkt, der in dem Klageverfahren zugrunde liegt.


Wenn der Kläger allerdings einmal ein Urteil gegen die Familienkasse erstritten hat, so wird sich die Familienkasse - bei gleich liegenden weiteren Sachverhalten - in aller Regel auch hinsichtlich späterer Zeiträume entsprechend der im Urteil deutlich gewordenen Rechtsauffassung des Gerichts verhalten.


Bei Kindergeld-Antragstellung und bei Bezug von Kindergeld: Mitwirkungspflichten beachten!

Ich informierte meinen Mandanten auch über die gesetzlichen Mitwirkungspflichten, denen er als Kindergeld-Antragsteller oder als Empfänger von Kindergeld unterliegt.


§ 68 Absatz 1 EStG verpflichtet denjenigen, der Kindergeld beantragt oder erhält, zur unverzüglichen Mitteilung an die Familienkasse, wenn sich Änderungen in den Verhältnissen ergeben, die für die Kindergeld-Leistung erheblich sind. Eine Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn Änderungen gegenüber Erklärungen eingetreten sind, die im Zusammenhang mit der Kindergeldleistung abgegeben wurden.


Wer die Familienkasse verspätet oder gar nicht informiert, der muss zu Unrecht erhaltenes Kindergeld zurückzahlen. In schweren Fällen ist zudem mit einem strafrechtlichen Verfahren zu rechnen.


Könnte die Familienkasse den von ihr erhobenen Anspruch auf Kindergeld-Rückzahlung durch sofortige Vollstreckung durchsetzen?

Nein. Wenn die Familienkasse ihren Rückzahlungsanspruch durch Zwangsmittel (Vollstreckung) durchsetzen will, so muss sie den Einsatz von Zwangsmitteln zuvor androhen. Die Androhung von Zwangsmitteln ist ein rechtsstaatlich gebotener Verfahrensschritt, der dazu dient, dass sich ein betroffener Bürger auf das Zwangsmittel einstellen und gegebenenfalls rechtzeitig Maßnahmen zur Abwendung der Vollstreckung ergreifen kann.


Amtshaftungsanspruch gegen die Familienkasse?

Grundsätzlich denkbar wäre ein Amtshaftungsanspruch meines Mandanten gegen die Familienkasse. Im vorliegenden Fall wäre die Durchsetzung eines solchen Anspruchs aber kaum erfolgversprechend gewesen, da meinem Mandanten noch kein Schaden entstanden und auch ein Verschulden der Behörde nicht ersichtlich war.


Über einen geltend gemachten Amtshaftungsanspruch müsste ein Gericht entscheiden. Zu bedenken ist auch, das selbst bei Erfolg einer Amtshaftungsklage zumeist nicht der Sachbearbeiter haftet, der eine von unserer Auffassung abweichende rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts vorgenommen hat.


Einschätzung der Rechtslage 

Meiner Auffassung nach musste jedenfalls der von mir beim Finanzamt gestellte Antrag nach § 1 Absatz 3 EStG auf Behandlung wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger dazu führen, dass die Familienkasse meinem Mandanten zur Kindergeldzahlung verpflichtet war.


Klage vor dem Finanzgericht

Allerdings verlangte die Familienkasse nunmehr eine Bestätigung des Finanzamts, dass mein Mandant nach § 1 Absatz 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Einen solchen Nachweis stellte uns das Finanzamt aber nicht zur Verfügung.


Daher erhoben wir gegen den Rückzahlungsbescheid der Familienkasse Klage vor dem Finanzgericht.


Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge

Zudem stellte ich bei der Familienkasse einen Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge

Die Berechnung von Säumniszuschlägen durch die Behörde war grundsätzlich möglich, da mein Mandant (aufgrund unserer abweichenden Rechtsauffassung zur Kindergeldberechtigung) entgegen der Aufforderung durch die Familienkasse die erhaltenen Kindergeldbeträge noch nicht zurückgezahlt hatte.


Der Erlass von Säumniszuschlägen ist aus Billigkeitsgründen möglich, wenn nach erfolgreichem Klageverfahren vorgetragen werden kann, dass dem von einem Verwaltungsakt Betroffenen zu Unrecht keine Aussetzung der Vollziehung gewährt wurde und die Säumniszuschläge daher unbillig waren.


Säumniszuschläge werden ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit eines (hier: Rückzahlungs-) Anspruchs der Behörde bis zum Zeitpunkt der Aussetzung der Vollziehung oder dem erfolgreichen Abschluss eines Klageverfahrens berechnet.


Selbst bei vorläufiger Gewährung der Aussetzung der Vollziehung läuft jedoch die Berechnung der Säumniszuschläge vom Fälligkeitszeitpunkt bis zu einem für den Antragsteller erfolgreichen Verfahrensabschluss weiter. Dann allerdings erfolgt - als sachgerechte Lösung - regelmäßig ein Erlass der Säumniszuschläge.


Jedoch hat der Antragsteller keinen Rechtsanspruch auf eine solche Entscheidung der Behörde, da es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handelt. Deshalb habe ich gegenüber der Familienkasse ausdrücklich geltend gemacht, dass nach unserer Rechtsauffassung als einzige sachgerechte Entscheidung der Behörde ein Erlass der Säumniszuschläge in Betracht kommt („Ermessensreduzierung auf Null“

Ergänzender Hinweis:

Manche Gerichte verlangen als Voraussetzung für den Erlass der Säumniszuschläge ernsthafte Bemühungen des Steuerpflichtigen um eine Aussetzung der Vollziehung. Um diesem Fall Rechnung zu tragen, wäre ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vor dem Finanzgericht erforderlich.


Letztlich entscheidend: Wohnsitz in Deutschland

In Übereinstimmung mit der Einschätzung des Finanzamts konnten wir schließlich darlegen, dass sich der steuerrechtlich relevante Wohnsitz meines Mandanten unverändert in Deutschland befand.

Dabei kam es entscheidend darauf an, dass die rechtlichen Voraussetzungen an den Begriff der Wohnung und des Wohnungsinhabers im vorliegenden Fall erfüllt wurden.


Gemäß § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz „dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.“


Die in § 8 AO enthaltene Definition des Wohnsitzes knüpft an die tatsächlichen Umstände an. Eine Wohnungsanmeldung alleine reicht daher für die Begründung eines Wohnsitzes nicht aus. Die Anmeldung ist lediglich ein Indiz für das Vorliegen eines Wohnsitzes.


Der Begriff der Wohnung meint Räume, die zum dauerhaften Wohnen geeignet sind. So umfasst der Wohnungsbegriff neben Miet- bzw. Eigentumswohnungen auch Häuser oder möblierte Zimmer.

• Eine Wohnung muss objektiv auf Dauer zur Nutzung geeignet und auch tatsächlich jederzeit nutzbar sein.

• Tatsächliche Verfügungsmacht: der Wohnungsinhaber muss die alleinige Schlüsselherrschaft über die Wohnung besitzen. Sobald der Wohnungsinhaber seine Wohnung betreten möchte, kann er dies nach seinem Belieben tun.

• Die Wohnung darf während der Abwesenheit des Wohnungsinhabers nicht von anderen Personen genutzt werden.

• Der Wohnungsinhaber muss die Wohnung mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufsuchen. Dies kann auch in größeren Zeitabständen geschehen.

• Eine Mindestaufenthaltszeit im Jahr wird zwar nicht gefordert. Wird eine Wohnung aber nur gelegentlich aufgesucht, etwa zu besuchs- und Erholungszwecken, so ist dies nicht ausreichend.

• In Fällen von beruflichen Auslandsaufenthalten kann das Innehaben einer Wohnung vermutet werden, wenn die Wohnung im Inland beibehalten wird, die Benutzung jederzeit möglich ist und diese als Wohnung entsprechend ausgestattet ist.


Für den Fall, dass entgegen unserer Rechtsauffassung keine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Absatz 1 EStG (Voraussetzung: Wohnsitz in Deutschland) anzunehmen war, stellte mein Mandant bei seinem Finanzamt vorsorglich einen Antrag auf unbeschränkte Besteuerung nach § 1 Absatz 3 EStG. Für den Fall, dass ein inländischer Wohnsitz verneint werden würde, war dieser Antrag erfolgversprechend, da mein Mandant 100 Prozent seines Einkommens in Deutschland erzielte und damit die Voraussetzungen des § 1 Absatz 3 Satz 2 EStG (mindestens 90 Prozent inländische Einkünfte) erfüllte.


Das Verfahrensergebnis: Erfolg vor dem Finanzgericht

Angesichts der von uns vor Gericht schlüssig dargelegten Sach- und Rechtslage änderte die Familienkasse die Rückzahlungs- und Aufhebungsbescheide im Sinne meines Mandanten. Dadurch erledigte sich das Hauptsache-Verfahren. Wir haben uns der Erledigungserklärung angeschlossen.

Hinweis zur Erledigungserklärung:

Hätten wir die Klage nicht für erledigt erklärt, hätte das Gericht in der Hauptsache entscheiden müssen. Dann aber hätten wir den Prozess verloren, weil der Klage durch die nunmehr erfolgte Erledigung das Rechtsschutzbedürfnis fehlte.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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