Kommt es nach einem Einspruch gegen den Strafbefehl immer zur Hauptverhandlung?

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Das "Damoklesschwert der Hauptverhandlung"

Die Rechtsmittelbelehrung, die jedem Strafbefehl beigefügt ist, schreibt ganz klar: „Falls Sie wirksam Einspruch einlegen, kommt es zu einer Hauptverhandlung und Sie erhalten eine Vorladung zum Gericht.“ 

Aber ist das auch richtig? 

Kommt es immer zu einer Gerichtsverhandlung, wenn Sie Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen? Nein, tatsächlich lässt sich die Hauptverhandlung in vielen Fällen vermeiden:


Der gesetzliche Regelfall: Hauptverhandlung nach Einspruch

Die Rechtsmittelbelehrung, die Ihrem Strafbefehl beigefügt war, erläutert den gesetzlichen Regelfall – also das, was „normalerweise“ nach einem Einspruch passiert. Geregelt ist das in § 411 Abs. 1 StPO: Nach dieser Vorschrift wird der Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, wenn ein zulässiger Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird. Das bedeutet, wenn Sie einen unbeschränkten Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen („gegen den Strafbefehl lege ich Einspruch ein“), dann werden Sie einige Zeit später eine Ladung zum Gerichtstermin erhalten. Zu dem Termin müssen Sie erscheinen, es sei denn, Sie lassen sich vor Gericht von einem Rechtsanwalt vertreten (vgl. § 411 Abs. 2 StPO). Wenn Sie ohne hinreichende Entschuldigung nicht erscheinen, wird Ihr Einspruch verworfen. 

Wie lange es nach dem Einspruch dauert, bis die Ladung zum Termin kommt, lässt sich nicht allgemein sagen. Ebenso wenig kann man vorhersehen, wie viel Zeit zwischen der Ladung und der Hauptverhandlung liegen wird. Viele Amtsgerichte terminieren einige Monate im Voraus. Wird zum Beispiel Anfang Januar Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, dann könnte in der zweiten Januarhälfte die Ladung für einen Termin im März oder April kommen. Wie gesagt – das wäre ein gewöhnlicher Ablauf, der sich aber nicht verallgemeinern lässt.


Keine Hauptverhandlung bei Beschränkung auf Tagessatzhöhe

Das Gesetz kennt eine besondere Einspruchsart, bei der eine Gerichtsverhandlung nicht zwingend notwendig ist: Wenn Sie Ihren Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Höhe der Tagessätze beschränken, dann kann das Gericht durch einen Beschluss entscheiden (§ 411 Abs. 1 StPO). Im Unterschied zum Urteil werden Beschlüsse in einem schriftlichen Verfahren erlassen.

Was bedeutet „Beschränkung auf die Tagessatzhöhe“? Die Geldstrafe in Ihrem Strafbefehl setzt sich zusammen aus der Anzahl der Tagessätze (zum Beispiel 30) und der Höhe der Tagessätze (zum Beispiel 40 Euro). Beides zusammen ergibt dann die Geldstrafe (bei 30 Tagessätzen à 40 Euro zusammen 1.200 Euro). Die Höhe der Tagessätze richtet sich nur nach Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Ist die Tagessatzhöhe im Strafbefehl zu hoch, zum Beispiel weil Ihr Einkommen überschätzt wurde, dann können Sie die Tagessatzhöhe mit diesem beschränkten Einspruch korrigieren lassen. 


Hinweis:

Der beschränkte Einspruch gegen die Tagessatzhöhe ist nicht ganz so unkompliziert wie der unbeschränkte Einspruch, wenn Sie die Hauptverhandlung vermeiden wollen. Genauere Erläuterungen und ausführlich erklärte Muster für den beschränkten Einspruch finden Sie in meinem kostenlosen Ratgeber zum Strafbefehl. Der PDF-Ratgeber hat rund 140 Seiten und enthält alle wichtigen Muster.


Keine Hauptverhandlung bei Verfahrenseinstellung nach Einspruch

Anders als die Rechtsmittelbelehrung des Strafbefehls vermuten lässt, kann die Hauptverhandlung nach einem Einspruch auch auf anderem Weg vermieden werden: Das Gericht kann das Verfahren auch nach Erlass eines Strafbefehls noch nach den §§ 153 ff. StPO einstellen. Praktisch wichtig ist vor allem die Einstellung gegen Geldauflage gem. § 153a StPO. Wenn Staatsanwaltschaft, Gericht und Beschuldigter zustimmen, dann wird das Verfahren bei der Einstellung gegen Geldauflage eingestellt, wenn der Beschuldigte innerhalb einer vom Gericht festgesetzten Frist einen bestimmten Geldbetrag zahlt. Häufig – aber nicht immer – werden die Beträge einem gemeinnützigen Zweck zugesprochen.


Vorteile der Einstellung gem. § 153a StPO gegenüber dem Strafbefehl

Anders als die Verurteilung aus dem Strafbefehl wird eine Einstellung nicht im Bundeszentralregister eingetragen. Damit bleibt auch das Führungszeugnis „sauber“. Eine Schuldfeststellung ist mit der Einstellung nicht verbunden – Sie gelten deshalb wegen dieser Sache weiterhin als „unbestraft“. Auch die weiteren Nebenfolgen des Strafbefehls fallen weg, wenn solche angeordnet waren (z. B. ein Fahrverbot). Ein weiterer Vorteil: Häufig wird das Verfahren gegen eine Auflage eingestellt, die niedriger ausfällt als die Geldstrafe.


Nachteile der Einstellung

Es gibt auch Nachteile: Eine Auflage gem. § 153a StPO muss zügiger gezahlt werden als eine Geldstrafe. Während Sie bei der Geldstrafe spätestens im Vollstreckungsverfahren eine Ratenzahlung beantragen können, sieht das Gesetz für die Geldauflage gem. § 153a StPO grundsätzlich eine Frist von maximal 6 Monaten vor. Das Gericht kann eine kürzere Frist anordnen. Weiterer Nachteil: Nicht immer lassen sich alle Nebenfolgen vermeiden: Im Verfahren wegen Verkehrsunfallflucht kann die Versicherung z. B. trotz der Einstellung grundsätzlich Regressansprüche geltend machen (hier lesen Sie mehr zum drohenden Regress nach einer Einstellung). Allerdings sind die Chancen, solche Ansprüche erfolgreich abzuwehren, erheblich besser als nach einem Strafbefehl.


Wie lässt sich die Einstellung ohne Hauptverhandlung erreichen?

Dass das Gericht nach einem Einspruch gegen den Strafbefehl „von selbst“ eine Einstellung der Sache anbietet, ist zwar möglich, aber selten. Sinnvoll ist es deshalb, die Einstellung gegenüber dem Gericht anzuregen. 

Diese Anregung muss das Gericht und vor allem die Staatsanwaltschaft überzeugen, denn Voraussetzung einer Einstellung ist, dass alle Verfahrensbeteiligten – also Gericht, Staatsanwaltschaft und Beschuldigter – dieser Verfahrensweise zustimmen. Die Einstellungsanregung sollte deshalb sorgfältig begründet werden. Deshalb ist es sinnvoll, einen Fachanwalt für Strafrecht hinzuzuziehen. Ihr Anwalt wird anhand der Ermittlungsakte die Sach- und Rechtslage prüfen und die entsprechenden Argumente herausarbeiten, um Staatsanwaltschaft und Gericht zu überzeugen, einer Einstellung zuzustimmen. 


Einstellung nicht in allen Verfahren realistisches Ziel

Ein erfahrener Fachanwalt kann anhand der Ermittlungsakte einschätzen, ob in dem jeweiligen Verfahren überhaupt eine Einstellung in Betracht kommt. In manchen Verfahren ist von vornherein klar, dass die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen wird, sodass eine Einstellung ausscheidet und kein realistisches Verteidigungsziel ist. In diesen Fällen kann man sich die Mühe (und Kosten) sparen.


Mehr Informationen zum Strafbefehl

Wenn Sie mehr Informationen zum Strafbefehl und zur Möglichkeit der Vermeidung einer Hauptverhandlung suchen, dann sollten Sie meinen kostenlosen Ratgeber zum Strafbefehl anfordern. Der Ratgeber hat rund 140 Seiten, alle wichtigen Muster zum Strafbefehl sind enthalten. 

Foto(s): RA Albrecht Popken

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