Krankheitsfall - Ihre Rechte und Pflichten

  • 7 Minuten Lesezeit

Rund um den Krankheitsfall und die damit verbundene Krankschreibung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) kursieren viele Mythen und viele glauben zu wissen, was rechtlich die richtige Vorgehensweise ist. Aber was man glaubt zu wissen, entspricht nicht immer der rechtlichen Realität. Damit Sie sich im nächsten Krankheitsfall auf der sicheren Seite bewegen, wollen wir Sie mit diesem Beitrag über die rechtlichen Hintergründe aufklären und Antworten auf die häufigsten Fragen geben.

Wann brauchen Sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Ihrem Arzt?

Nicht selten gehen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber davon aus, dass es keiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) vom Arzt bedarf, wenn sie weniger als drei Tage krank sind und diese Zeit wird häufig als „Karenztage“ bezeichnet. Bei einer bis zu drei Tagen dauernden Erkrankung besteht nach den gesetzlichen Regelungen keine Attestpflicht. Somit muss die AUB dem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugegangen sein.

Wichtig ist hierbei, dass das Gesetz nicht von Arbeitstagen sondern von Kalendertagen spricht. Beginnt die Arbeitsunfähigkeit an einem Freitag, so ist die Bescheinigung am nächsten Montag abzugeben, es sei denn hierbei handelt es sich in dem Betrieb nicht um einen Arbeitstag. Der Arbeitgeber ist aber trotzdem berechtigt die AUB bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu verlangen. Es ist zu empfehlen, die AUB persönlich oder durch Freunde, Verwandte oder Kollegen beim Arbeitgeber abzugeben. Damit stellt der Arbeitnehmer sicher, dass die AUB rechtzeitig zugeht. Das Risiko einer verzögerten Zustellung durch die Post trägt der Arbeitnehmer.

Unabhängig von der AUB hat sich der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber unverzüglich krank zu melden und ihn über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Dies bedeutet, dass die Anzeige der Erkrankung grds. am ersten Tag der Erkrankung, und zwar zu Arbeitsbeginn bzw. in den ersten Arbeitsstunden, zu erfolgen hat. Dem Arbeitgeber soll hierdurch die Möglichkeit gegeben werden, auf den Ausfall zu reagieren und Vorkehrungen zu treffen, um diesen auszugleichen. Den Grund für die Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber allerdings nicht mitzuteilen.

Welche Tätigkeiten dürfen Sie während der Arbeitsunfähigkeit vornehmen?

Ein sehr weit verbreiteter Irrtum betrifft auch die Tätigkeiten während der Arbeitsunfähigkeit. Es ist ein Irrglaube, dass Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit „das Bett zu hüten“ hätten. Dies entspricht nur dann der Wahrheit, wenn es sich um eine Krankheit handelt, die zur völligen Genesung absolute Bettruhe erfordert oder wenn dies vom Arzt so angeordnet wurde. Es wäre zum Beispiel wenig sinnvoll, wenn der Arbeitnehmer, der auf Grund eines gebrochenen Arms nicht arbeiten kann, aus diesem Grund nicht das Haus verlassen dürfte. Demnach muss von Krankheit zu Krankheit differenziert werden, was erlaubt ist und was zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen kann. Es ist grundsätzlich alles erlaubt, was einer schnellen Genesung förderlich ist. So kann sogar Sport in manchen Fällen gestattet sein. Umgekehrt ist dem Arbeitnehmer jedes genesungswidrige Verhalten verboten.

Sofern der arbeitsunfähige Arbeitnehmer der einzige ist, der Kenntnis über bestimmte betriebliche Informationen hat, so kann es in besonders dringenden Fällen auch zulässig sein, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit kontaktiert und dieser „arbeiten“ muss.

In keinem Fall ist es gestattet, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nutzt, um anderweitig tätig zu werden.

Dürfen Sie vor Ablauf der AUB wieder auf der Arbeit erscheinen?

Es gibt keinen Grund, wonach es dem Arbeitnehmer verboten sein sollte, vor Ablauf der AUB wieder zu arbeiten. Hierdurch entfällt nicht, wie oftmals irrig angenommen, der Versicherungsschutz des Arbeitnehmers. Die AUB gibt lediglich eine Prognose darüber ab, wie lange die Arbeitsunfähigkeit vermutlich andauern wird. Fühlt sich der Arbeitnehmer jedoch schon vor Ablauf dieser Zeit in der Lage zu arbeiten, so kann er dies auch tun. Dies gilt jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer auch wieder voll einsatzfähig ist. So etwas wie eine teilweise Arbeitsfähigkeit wird von der Rechtsprechung nicht anerkannt. Ist der Arbeitgeber vom Leistungsvermögen des Arbeitnehmers nicht überzeugt, kann er den Arbeitnehmer auf Grund seiner Fürsorgepflicht gegebenenfalls wieder nach Hause schicken. Wobei hier die Einschätzung des Arbeitnehmers über sein Leistungsvermögen vorrangig ist, sofern er nicht offensichtlich außerstande ist, seiner Arbeitspflicht nachzugehen.

Mit Arbeitsantritt erlischt dann aber auch die AUB und im Falle eines Rückfalls muss sich der Arbeitnehmer eine neue ausstellen lassen.

Was passiert, wenn Sie im Urlaub krank werden?

Häufig erlebt man, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber nicht darüber informieren, wenn sie im Urlaub erkranken. Hierzu ist der Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, er benachteiligt sich allerdings selbst. Urlaub soll der Erholung dienen und von Erholung kann nicht gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub auf Grund von Krankheit nicht genießen kann. Somit verliert der Arbeitnehmer bei einer Erkrankung im Urlaub nicht seine Urlaubstage. Dies gilt auch, wenn sich der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt im Ausland befindet. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Arbeitnehmer einen Mediziner aufsucht, der ihm nicht nur eine Krankheit sondern vor allem seine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Auch bei einer Erkrankung im Urlaub hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer zu unterrichten. Im Ausland hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch die Adresse seines Aufenthaltsortes mitzuteilen.

Kann man während der Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden?

Arbeitsunfähigkeit ist kein Hinderungsgrund für eine Kündigung. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer während einer Krankheitsdauer und sogar auf Grund der Krankheit kündigen. Hieran sind jedoch die allgemeinen Anforderungen einer sozial gerechtfertigten Kündigung geknüpft. So muss die Erkrankung des Arbeitnehmers eine wesentliche Störung des betrieblichen Ablaufs darstellen und dies auch in Zukunft tun. Der Arbeitgeber muss eine Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Entwicklung des Gesundheitszustandes anstellen. Eine einmalige kurze Erkrankung kann daher noch keinen Kündigungsgrund darstellen.

Gibt es Sportarten, durch welche der Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall entfällt?

Es besteht die landläufige Meinung, wer sich beim Sport verletzt und aufgrund dessen krankheitsbedingt ausfällt, sei „selbst schuld“ und habe keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Vor allem bezüglich Extremsportarten wird diese Meinung vertreten. Dies gilt jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer gegen alle Regeln der Sportart verstößt und sich wider einen vernünftig denkenden und handelnden Menschen großen Gefahren aussetzt. Die Grenze wird hier aber sehr hoch angesetzt und wird in den wenigsten Fällen tatsächlich erreicht. Die Grenze wäre überschritten, wenn sich der Arbeitnehmer in Situationen begibt, die seine tatsächlichen Fähigkeiten und seinen Ausbildungsstand in der jeweiligen Sportart übersteigen.

Haben Teilzeitkräfte und sog. Minijobber Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?

Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Auch wenn ein weitverbreiteter Mythos hiervon Teilzeitkräfte und sog. Minijobber ausnehmen will, steht auch diesen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu, wenn sie an diesen Tagen hätten arbeiten müssen. Alles andere würde gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen und die Teilzeitkräfte und Minijobber ungerechtfertigt benachteiligen. Das Gesetz differenziert nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften oder Minijobbern.

Dürfen Sie von Ihrem Arbeitgeber kontrolliert werden, ob Sie tatsächlich krank sind?

Solange der Arbeitgeber die allgemeine Privatsphäre des Arbeitnehmers respektiert, steht dem nichts entgegen. Es ist dem Arbeitgeber also nicht verboten, den Arbeitnehmer anzurufen oder ihm einen Hausbesuch abzustatten. Allerdings ist der Arbeitnehmer auch nicht verpflichtet, den Anruf anzunehmen oder den Arbeitgeber einzulassen. Bei Zweifeln über die tatsächliche Erkrankung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber den medizinischen Dienst der Krankenkassen einschalten, um sich Klarheit zu verschaffen.

Wonach bemisst sich die Höhe des Anspruchs und wer zahlt?

Bis zu einer Dauer von 6 Wochen hat der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber. Ein weiterer Anspruch gegen den Arbeitgeber infolge derselben Krankheit kann bestehen, wenn der Arbeitnehmer seither 6 Monate arbeitsfähig war oder wenn seit Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit 12 Monate vergangen sind.

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf die Vergütung, welche er auf der Grundlage der für ihn maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit ohne Arbeitsunfähigkeit erhalten hätte. Die Höhe des Anspruchs beläuft sich auf das Grundgehalt aber auch auf zusätzliche ergebnisorientierte Vergütungsbestandteile und Erschwerniszulagen, Gefahrenzulagen und Leistungszulagen. Einen Ausgleich für einen Mehraufwand, den der Arbeitnehmer für gewöhnlich hätte, wenn er seiner Arbeit nachginge, kann er hingegen nicht geltend machen.

Wenn die Arbeitsunfähigkeit über den Zeitraum hinausgeht, in dem der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist, so erhält der Arbeitnehmer Krankengeld von seiner Krankenkasse.

Steht dem Arbeitgeber während des Einstellungsgesprächs ein Fragerecht bezüglich vorliegender oder zurückliegender Erkrankungen zu?

Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber kein Fragerecht bezüglich vorliegender oder zurückliegender Krankheiten zu bzw. muss der Bewerber hierauf nicht wahrheitsgemäß antworten. Allerdings bestehen auch hier Ausnahmen. Dem Arbeitgeber steht nämlich dann ein Fragerecht zu, wenn es für den Arbeitsplatz auf den sich der Bewerber beworben hat, relevant ist. So kann der Arbeitgeber zum Beispiel nach Rückenerkrankungen fragen, wenn es sich um eine Arbeitsstelle handelt, die besonders rückenbelastend ist und ein potenzieller Arbeitnehmer diese auf Grund seiner Rückenprobleme nicht ausführen könnte. Zumal in diesem Fall höchstwahrscheinlich auch eine krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt wäre.

Wie Sie sehen, gibt es im Krankheitsfall sowohl für den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer viel zu beachten. Darüber hinaus kursieren viele Mythen, die nicht immer der rechtlichen Realität entsprechen. Haben Sie rechtliche Fragen, so wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihre erfahrenen Fachanwälte für Arbeitsrecht bei BSKP. Besuchen Sie uns in unserer Kanzlei oder auf unserer Homepage – Sie finden bei uns Spezialisten für nahezu alle Rechtsgebiete.

Christian Rothfuß, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Rothfuß

Beiträge zum Thema