Kündigung wegen Verweigerung von Corona Schnelltests?

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Jeder kennt ihn, keiner liebt in – der Corona Schnelltests gehört sicherlich nicht zum angenehmsten Zeitvertreib, ist jedoch im Kampf gegen den Virus ein notwendiges und effektives Mittel. Auch am Arbeitsplatz. Aber kann der Arbeitgeber tatsächlich eine Testpflicht einführen? Und in Konsequenz kann eine Verweigerung der Durchführung von bereitgestellten Schnelltest einen Kündigungsgrund darstellen?

Mit dieser hoch relevanten Frage beschäftigte sich kürzlich das Arbeitsgericht Hamburg (vgl. ArbG Hamburg, Urteil v. 24.11.2021 – 27 Ca 208/21).

Im zu beurteilenden Fall handelte es sich um einen als Fahrer angestellten Arbeitnehmer in einem Personenbeförderungsunternehmen. Im Zuge der steigenden Infektionsraten ordnete der Arbeitgeber neben anderen Schutzmaßnahmen (Mundschutz während der Fahrt und Trennscheibe zwischen Fahrer- und Fahrgastkabine) zwei Mal in der Woche eine Testpflicht für alle Mitarbeiter:innen an. Diese sollte einmalig zur Einweisung und Sicherstellung des korrekten Gebrauchs der Selbsttests auf dem Betriebsgelände und im Anschluss selbstständig durch die Mitarbeiter:innen zu Hause durchgeführt werden. Diese Regelungen wurden auch in das sog. Fahrer Handbuch aufgenommen, welchem nach Inhalt des Arbeitsvertrags des Arbeitnehmers zwingend Folge zu leisten war.

Der klagende Arbeitnehmer verweigerte an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen die Durchführung eines Schnelltests vor Ort sowie die Mitnahme von weiteren Test-Kits nach Hause. Als Begründung führte er an, dass die Tests zu invasiv (also eindringend, wobei hier im diagnostischen Sinn gewebsverletzende medizinische Eingriffe zu verstehen sind) seien. Der Arbeitgeber wies ihn wiederholt darauf hin, dass er so seinen Dienst nicht antreten könne und stellte ihn jeweils für den Tag unbezahlt frei. Schließlich kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich.

Das Arbeitsgericht Hamburg stellte nun fest, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt und somit unwirksam sei.

Zu diesem Ergebnis kam das Gericht jedoch nicht aufgrund der Rechtswidrigkeit der vom Arbeitgeber eingeführten Testpflicht. Das Gericht führte aus, dass obgleich keine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitnehmer:innen existiere, die Anordnung einer Testpflicht durchaus von dem Weisungsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 GewO gedeckt sei.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers bestehe in den Grenzen des billigen Ermessens. Dafür müssten die wesentlichen Umstände des Falles miteinander abgewogen und in ein angemessenes Verhältnis gebrachten werden. Vorliegend hatte der Arbeitnehmer eine Verletzung seines Rechts auf körperliche Integrität gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sowie seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geltend gemacht.

Kein erheblicher Eingriff in Grundrechte durch Schnelltests

Das Gericht beurteilte die Intensität des Eingriffs in die körperliche Integrität des Testanwenders als äußerst gering. Der vom Arbeitgeber angebotene Schnelltest setze lediglich einen Abstrich im vorderen Nasenbereich voraus, welcher sogar vom Anwender selbst durchgeführt werden und so ein schmerzfreier Verlauf sichergestellt werden könne. Die Beeinträchtigung sei von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität. Dies sei streng zu trennen von Tests die einen Abstrich aus dem hinteren Nasen- und/oder Rachenbereich erfordern. Der Arbeitnehmer sei auch nicht berechtigte gewesen einen Spuck- oder Gurgeltest zu verlangen, da der bereitgestellte Schnelltest durch Nasenabstrich vergleichbar wenig eingreifend sei.

Auch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers werde nicht übermäßig eingegriffen. Dieses schütze allgemein vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des/der Arbeitnehmer:in. Insofern müsse vorliegend zwischen der Durchführung der Tests zu Hause und der auf dem Betriebsgelände differenziert werden. Bezüglich der Durchführung der Tests zu Hause bestehe nur ein (mittelbarer) Eingriff von ausgesprochen niedriger Intensität. Der Testanwender habe zu jeder Zeit alleinigen Zugriff auf seine gebrauchten Tests und deren Ergebnisse. Zwar solle das Ergebnis in eine durch den Arbeitgeber genutzte App eingetragen werden, jedoch geschehe dies auf Vertrauensbasis. Der Arbeitgeber habe keine Möglichkeit zu kontrollieren, ob und mit welchem Ergebnis der Test tatsächlich durchgeführt wurde. Bei der Abfrage per App handle es sich somit weniger um eine Datenabfrage als eine Erinnerung verbunden mit der Hoffnung, dass der/die Arbeitnehmer:in den Test tatsächlich durchgeführt und das wahre Ergebnis mitgeteilt habe. Auch in der Durchführung des Tests auf dem Betriebsgelände liege kein übermäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer:innen. Zum einen handle es sich um ein einmaliges Vorkommen. Zum anderen sei die gesammelte Datenmenge überschaubar. Es handle sich bei dem Testergebnis jeweils nur um eine Momentaufnahme des Infektionsstatus des/der Getesteten. Darüber hinaus werden keine Daten über den Impfstatus sowie wo die Infektion stattgefunden hat erhoben. Auch die abstrakte Zugriffsmöglichkeit des Arbeitgebers auf DNA der Arbeitnehmer:innen stehe dieser Wertung nicht entgegen. Zumal bei jedem gesellschaftlichen Zusammenkommen die Möglichkeit des Zugriffs auf DNA-Material anderer bestehe (entfallene Haare, abgefallene Hautschuppen etc.), liege eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erst bei begründeter Annahme, dass die Zugriffsmöglichkeit auch genutzt werde, vor.

Verhältnismäßigkeit gewahrt

Diesen wenig intensiven Eingriffen in die Rechte des Arbeitnehmers stünden schließlich gewichtige Interessen des Arbeitgebers, insbesondere der Schutz dessen Kunden und Mitarbeiter:innen vor dem Infektionsrisiko entgegen. Die Gefährdungslage durch die Corona-Pandemie stehe außer Frage.

  • Im Verhältnis seien die Folgen einer Infektion selbst in milderen Fällen um ein Vielfaches unangenehmer und insbesondere abstrakt gefährlicher als ein Selbsttest mit einem Wattestäbchen im vorderen Nasenbereich

Der Arbeitgeber habe somit ein berechtigtes, eindeutig überwiegendes Interesse die regelmäßige Durchführung von Corona-Schnelltests gegenüber seinen Arbeitnehmer:innen anzuordnen. Bereits im Rahmen der Führsorgepflicht gem. § 618 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 ArbSchuG sei der Arbeitgeber verpflichtet sicherzustellen, dass andere Mitarbeiter:innen einem geringen bis gar keinem Infektionsrisiko ausgesetzt werden. Im gleichen Maße dient die Anordnung dem Gesundheitsschutz der Kund:innen. Darüber hinaus überwiege aber auch das wirtschaftliche und durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitgebers, sich in einer Zeit, in der strenge Infektionsschutzmaßnahmen für Fahrgäste wichtig seien, als möglichst maßnahmenintensives Unternehmen am Markt zu positionieren.

  • Kurzgesagt: Auch das Image des Arbeitgebers stellt ein berechtigtes Interesse dar

Letztlich überwiege aber nach Auffassung der Kammer bereits der Schutz von Leben und Gesundheit i.S.d. Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG im Hinblick auf Arbeitnehmer:innen und Fahrgäste.

Erforderlichkeit der Schnelltests je nach Risiko schwerer Krankheitsverläufe

Die Schnelltests seinen im Lichte des Infektionsgeschehens (Stand Juni 2021) auch erforderlich gewesen. Zwar waren auch weitere Schutzmaßnahmen in den Fahrzeugen installiert worden, diese könnten jedoch keinen lückenlosen Schutz sicherstellen. Insbesondere wenn sich in einem Fahrzeug, d.h. einem engen, geschlossenen Raum, bis zu sechs, regelmäßig wechselnde Fahrgäste gleichzeitig aufhielten sei eine Vielfalt an Schutzmaßnahmen von Nöten.

  • Eine solche Bewertung könne jedoch anders ausfallen, sobald das abstrakte Risiko von gefährlichen Krankheitsverläufen mittels flächendeckender Immunisierung stark verringert sei!

Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund fehlender Abmahnung

Der Arbeitnehmer habe somit schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Allerdings komme eine verhaltensbedingte Kündigung nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gäbe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzten, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar seien. Eine solche mildere Reaktion stelle insbesondere die Abmahnung dar. Diese könnte zwar entbehrlich sein, wenn der/die Arbeitnehmer:in von vorneherein erkennen lasse, dass er/sie nicht gewillt sei sich vertragsgemäß zu verhalten, die Kammer sah dies jedoch vorliegend nicht gegeben. Zwar habe der Arbeitnehmer sich wiederholt geweigert die Selbsttests durchzuführen, jedoch habe er dies in der Annahme getan, dass sein Verhalten rechtmäßig sei. Vor dem Hintergrund, dass es weder höchstrichterliche Rechtsprechung noch eine gesetzliche Regelung gibt, könne hiervon auch ausgegangen werden. Insbesondere sei dem Arbeitnehmer nicht klar gewesen, dass er mit diesem Verhalten seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze. In dem Verhalten des Arbeitgebers könne keine Abmahnung gesehen werden. Diese sei zwar formfrei und könne somit durchaus auch mündlich erfolgen, jedoch müsse der Arbeitgeber den/die Arbeitnehmer:in ernsthaft ermahnt und aufgefordert haben, ein genau bezeichnetes Fehlverhalte zu unterlassen und damit den Hinweis verbunden haben, dass im Wiederholungsfalle das Arbeitsverhältnis gefährdet sei. Dies ist vorliegend insbesondere im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen nicht geschehen.

Folglich ist die Kündigung nichtig.

Was bedeutet das für Sie?

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg hat enorme Relevanz für Arbeitnehmer:innen. Wichtig ist festzuhalten, dass die Kündigung im zu beurteilenden Fall „nur“ an der fehlenden Abmahnung gescheitert ist. Hätte der Arbeitgeber diese ausgesprochen und den Arbeitnehmer nicht immer nur lose ermahnt, wäre die Kündigung rechtmäßig und der Arbeitnehmer seinen Job los gewesen. Ihr Arbeitgeber kann von Ihnen dementsprechend durchaus verlangen sich vor Antritt der Arbeit testen zu lassen. Verweigern Sie dies könnte es zu einer Kündigung kommen.

Achten Sie bitte auch darauf, dass unterdessen - und sich ständig ändernd - weitere Verpflichtungen zur Testpflicht am Arbeitsplatz vorgeschrieben werden. Während die Testpfllicht zum Zeitpunkt des Streits im Juni 2021 noch nicht bestand, gelten heute schon wieder andere Regelungen. Das Ergebnis jedoch, dass eine Weigerung von Tests zu einer Kündigung führen können, bleibt bestehen.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Die Frage, ob der Betriebsrat zur Einführung einer Testpflicht angehört werden müsste, wird leider nicht eindeutig beantwortet, da es im vorliegenden Fall (noch) keinen Betriebsrat gab. Die Ausführungen der Kammer lassen jedoch die Annahme zu, dass ein solches grundsätzlich bestehen könnte. Hier sind aber die Regelungen des § 87 Abs. 1 BetrVG zu beachten.

Sollten Sie noch Frage zu Arbeitsrecht und Corona oder sonstigen arbeitsrechtlichen Themen haben, dann zögern Sie nicht und kontaktieren uns! Nutzen Sie dafür gerne auch die Online-Terminvergabe auf unserer Webseite.

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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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