LAG Köln zu „leitenden Angestellten“ im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG und von § 14 Abs. 2 KSchG

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In einer aktuellen Entscheidung setzte sich die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln (6 TaBV 6/19 vom 10.10.2019, BeckRS 2019, 32397) mit dem jeweiligen Anwendungsbereich und der Abgrenzung des Begriffs des leitenden Angestellten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne (§ 5 Abs. 3 BetrVG) und im kündigungsschutzrechtlichen Sinne (§ 14 Abs. 2 KSchG) bezogen auf die Einstellungs- bzw. Entlassungsbefugnis auseinander. Es ging um ein Verfahren des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber (konkret insbesondere um § 99 BetrVG) und damit unmittelbar um die betriebsverfassungsrechtliche Definition. Allerdings machte das Landesarbeitsgericht Köln in dieser Entscheidung auch zur weiteren Abgrenzung deutliche Ausführungen bezogen auf § 14 Abs. 2 KSchG.

Der Grund für die notwendige Abgrenzung besteht darin, dass sowohl § 5 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 1 BetrVG als auch § 14 Abs. 2 KSchG an die Einstellungs- bzw. Entlassungsbefugnis des Arbeitnehmers anknüpfen, ansonsten aber mehrere Unterschiede bzgl. der gesetzlichen Formulierungen aufweisen, beginnend mit den abweichenden gesetzlichen Formulierungen Berechtigung zur „selbständigen Einstellung und Entlassung“ in § 5 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 1 BetrVG gegenüber Befugnis zur „selbstständigen Einstellung oder Entlassung“ in § 14 Abs. 2 KSchG.

Sowohl § 5 Abs. 3 BetrVG als auch § 14 Abs. 2 KSchG sind für die rechtliche Vertretungs- und Prozesspraxis von erheblicher Bedeutung. Ob ein Arbeitnehmer Leitender im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne (§ 5 Abs. 3, 4 BetrVG) ist, hat diverse Auswirkungen auf unmittelbare Rechtspositionen, bspw. bzgl. der Anwendbarkeit von Betriebsvereinbarungen oder der Frage, ob der Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung ordnungsgemäß im Sinne von § 102 BetrVG anzuhören bzw. das Verfahren nach § 99 BetrVG für andere personelle Einzelmaßnahmen durchzuführen war/ist. Ob ein Arbeitnehmer leitend im kündigungsschutzrechtlichen Sinne (§ 14 Abs. 2 KSchG) ist, ist letztlich dafür entscheidend (die entsprechenden prozessualen Schritte des Arbeitgebers vorausgesetzt), ob echter Bestands-Kündigungsschutz oder letztlich eine Art Abfindungs-Kündigungsschutz besteht. Bekanntlich kann im Kündigungsschutzverfahren auf (hilfsweisen) arbeitgeberseitigen prozessualen Antrag ohne weitere Begründung die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen eine nach richterlichem Ermessen angemessene Abfindung erfolgen (§§ 9, 10 KSchG), wenn das Gericht im Rahmen der arbeitnehmerseitigen Kündigungsschutzklage zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung gelangt ist. Im Falle des kündigungsschutzrechtlichen Leitenden besteht somit für den Arbeitgeber die Privilegierung, dass er – anders als bei nicht leitenden Arbeitnehmern im kündigungsschutzrechtlichen Sinne – einen etwaigen Auflösungsantrag ohne weitere Begründung stellen kann, d. h. dass er im Rahmen eines etwaigen (hilfsweisen) Auflösungsantrags nicht darlegen und ggf. nachweisen muss, dass tatsächlich Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

In der Entscheidung vom 10.10.2019 führte das Landesarbeitsgericht Köln zur Abgrenzung sinngemäß und unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (namentlich bspw. BAG vom 14.04.2011 – 2 AZR 167/10) folgendes aus:

Im Unterschied zu § 5 Abs. 3 BetrVG bediene sich der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 KSchG der typologischen Methode, indem er als Beispiel den Geschäftsführer und den Betriebsleiter nenne und sodann den Bezug zu diesen rechtsstaatlichen Prototypen des leitenden Angestellten durch das Merkmal der „Ähnlichkeit“ herstelle. Nur diejenigen Personen, die eine ähnlich leitende Funktion wie ein Geschäftsführer oder ein Betriebsleiter haben, seien demnach leitende Angestellte im Sinne dieser Bestimmung. Als definitorisches Element komme in § 14 Abs. 2 KSchG noch das Erfordernis hinzu, dass die Geschäftsführer, die Betriebsleiter und die diesen ähnlichen leitenden Angestellten die Berechtigung zur selbstständigen Einstellung oder Entlastung haben müssen. Eine solche Terminologie fehle demgegenüber in § 5 Abs. 3 BetrVG. Der Unterschied zwischen § 14 Abs. 2 KSchG und § 5 Abs. 3 BetrVG werde auch dadurch ersichtlich, dass in § 5 Abs. 3 BetrVG nicht nur von Einstellungs- und Entlastungsbefugnis im Unternehmen oder im Betrieb die Rede sei, sondern auch von einer solchen in einer Betriebsabteilung. Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis des Leitenden Angestellten in einer Betriebsabteilung konkurrieren begriffsnotwendig mit der entsprechenden Befugnis des Betriebsleiters oder der des Geschäftsführers. Eine solche konkurrierende Befugnis möge die Annahme eines leitenden Angestellten nach § 14 Abs. 2 KSchG ausschließen, wie es der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts auch bereits entschieden habe. Der entsprechenden Annahme nach § 5 Abs. 3 BetrVG stehe sie hingegen nicht entgegen.

Aufgrund der Bedeutung von § 14 Abs. 2 KSchG und von § 5 Abs. 3 (Satz 2 Ziff. 1) BetrVG ist es für die Praxis hilfreich, dass das Landesarbeitsgericht Köln in dieser Entscheidung nochmals die unterschiedlichen Anwendungsbereiche und Definitionsmerkmale herausarbeitete. Diese Definitionen und Grundsätze sind im Rahmen der prozessualen und beratenden Praxis für beide Normen zur Vermeidung erheblicher Beratungs- und Prognosefehler heranzuziehen.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da die Entscheidung auf den Umständen des entschiedenen Einzelfalls beruhe.


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