Lediglich € 15,00 Schadensersatz pro Lied bei unerlaubtem Filesharing - statt der geforderten € 300,00

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Das LG Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 08.10.2010, Az.: 308 O 710/09; http://openjur.de/u/59561.html) hat einen zum Tatzeitpunkt 16-jährigen, der zwei Musikaufnahmen in eine Internettauschbörse eingestellt und damit gegen das Urheberrecht verstoßen hatte, nur zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von € 15,00 pro Musiktitel an die klagenden Musikverlage verurteilt. Die weitergehende Schadensersatzforderung wurde genauso wie die Schadensersatzklage gegen den Vater des Beklagten abgewiesen. Abmahnkosten waren ebenfalls von den Beklagten nicht zu zahlen. Insoweit ist die Entscheidung aber nicht zu verallgemeinern, da keine wirksame Abmahnung vorgelegen hatte. Dennoch ist die Entscheidung für alle Abgemahnten erfreulich, da der Schadensersatz von € 15,00 pro Lied deutlich geringer ist, als die etwa vom AG Frankfurt als angemessen angesehenen € 150,00.

I. Zum Sachverhalt

Die erste streitgegenständliche Aufnahme stammte aus dem Jahre 1998 und das Album wird derzeit noch für € 14,42 bei Amazon gehandelt. Die zweite Aufnahme stammt aus dem Jahre 1992. Die „digitally remastered" Version des Albums wird derzeit noch für € 13,99 bei Amazon gehandelt.

Der 1990 geborene Beklagte zu 2. (= Sohn) machte im Juni 2006 über den Internetanschluss des Beklagten zu 1 (= Vater), in einem P2P- Netzwerk mittels der auf dem „Gnutella"-Protokoll basierenden Software „BearShare" 4.120 Audio-Dateien im Wege des Filesharing für andere Teilnehmer aufrufbar und downloadbar. Darunter befanden sich zwei Dateien mit den oben genannten Musikaufnahmen.

Die Klägerinnen machten für die Nutzung jeder Musikaufnahme Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe von € 300,00 geltend. Sie verwiesen auf die fortdauernde Popularität und den Erfolg der Künstler und den Erfolg der Aufnahmen. Als Anknüpfungspunkt für eine Schätzung zogen sie einen bestimmten GEMA-Tarif heran (VR-W I Ziff. IV.). Danach ist für eine öffentliche Zugänglichmachung im Internet im Wege des Streaming (ohne Download) eine Mindestvergütung von € 100,00 für bis zu 10.000 Aufrufe vorgesehen. Die beim Filesharing angebotene Downloadmöglichkeit rechtfertigten nach Auffassung der Klägerinnen eine dreifach höhere Lizenz, also € 300,00.

Die Klägerinnen verlangten ferner Ersatz der Anwaltskosten für die Abmahnung, die sie nach einem Streitwert von € 9.600,00 mit einer 1,3-Geschäftsgebühr (€ 631,80), einer 0,3- Erhöhungsgebühr (€ 145,80) und einer Pauschale (€ 20,00) in Höhe von € 797,60 berechnen.

II. Die Entscheidung des LG Hamburg

Das Landgericht Hamburg sprach den Klägerinnen statt den geforderten € 300,00 pro Lied nur € 15,00 zu und wies die Klage auf Abmahnkostenersatz ganz ab.

Die Entscheidung des LG Hamburg ist für alle Abgemahnten sehr erfreulich, da etwa das AG Frankfurt am Main für die streitgegenständliche Nutzung, allerdings ohne nähere Begründung, eine Lizenz von € 150,00 für eine Musikaufnahme annimmt (BeckRS 2010, 00906), also das 10-fache der Summe, die das LG Hamburg für angemessen hält.

1. Nur € 15,00 anstatt € 300,00 Schadensersatz pro Lied

Der Kammer sei bekannt, dass ein Musikdownload eines Werks den Endnutzer in der Regel etwa € 1,00 koste. In einer Pressemitteilung des BITKOM wird der Preis mit € 1,08 angegeben (siehe http://www.bitkom.org/presse/30739_62526.aspx).

In einem Schiedsstellenverfahren zwischen dem BITKOM und der GEMA hat die Schiedsstelle beim DPMA in einem Einigungsvorschlag vom 5. Mai 2010 (Az. Sch-Urh 57/08) für den Download eines Einzeltitels eine Regelvergütung in Höhe von 11 % des Endverkaufspreises und eine Mindestvergütung von € 0,091 für angemessenen erachtet.

Die Vergütung beim Streaming ist mit 2/3 der Downloadvergütung bewertet worden.

Der von den Klägerinnen angenommene „Mindesttarif" (GEMA-Tarif VR-W I) passe, so das LG Hamburg, nur auf den ersten Blick am besten. Denn die Zahl der Downloads oder Streams, die von dem Computer des Beklagten zu 2. abgerufen wurden, sei nicht bekannt, und der Tarif weise eine Vergütung aus, die nicht an die Zahl der tatsächlichen Aufrufe anknüpft. Zu schätzen wäre dann nur der Mehrwert eines Downloads gegenüber einem Stream. Wird die Auffassung der Schiedsstelle zugrunde gelegt, wonach ein Stream 2/3 eines Downloads wert ist, ergäbe sich bei der Streamvergütung von € 100,00 eine Vergütung von € 150,00 für einen Titel, nach Auffassung der Klägerinnen, die den Mehrwert mit dem Faktor 3 bemessen, wären es die eingeklagten € 300,00. Trotz dieser zunächst eingängigen Bewertung vermochte die Kammer diesem Ansatz NICHT zu folgen. Denn der GEMA-Tarif geht von bis zu 10.000 Downloads aus. Das erschien dem LG Hamburg in Anbetracht der konkreten Nutzung durch den Beklagten zu 2. überzogen. Denn es handelte sich trotz der Bekanntheit der Künstler um Aufnahmen, die 12 bzw. 18 Jahre sind und bei denen deshalb nur noch von einer begrenzten Nachfrage ausgegangen werden kann. Bereits deshalb hätte sich nach Auffassung der Kammer ein vernünftiger Nutzer nicht auf eine solche Mindestlizenz eingelassen, sondern um eine am Ertrag orientierten Vergütung. Dieser Einwand ist dem Beklagten zu 2. im Rahmen der Schadensbemessung nach der Lizenzanalogie nicht verwehrt. Denn nur weil kein anderer Tarif vorhanden ist, der sich ohne Kenntnis von der konkreten Zahl der Aufrufe gut bei der Schadensbemessung verwerten lässt, muss man sich nicht auf einen Tarif verweisen lassen, mit dem sich gut rechnen lässt.

Die Vergütungssätze aus den GEMA-Tarifen VR-OD und der Einigungsvorschlag der Schiedsstelle geben Anhaltspunkte für die Wertigkeit eines Stream- bzw. Downloadangebots, so das LG Hamburg. Da die Zahl der Downloads, die von dem Computer des Beklagten zu 2. abgerufen wurden, nicht bekannt sind, muss geschätzt werden. Hier spielen wieder die Bekanntheit der Künstler und das Alter der Aufnahmen eine Rolle, wobei die Kammer trotz der Bekanntheit in Anbetracht der 12 bzw. 18 Jahre alten Aufnahme nur von einer begrenzten Nachfrage ausging. Ein weiteres Moment der Schätzung war der Zeitraum, in dem der Beklagte zu 2. die Aufnahmen öffentlich zugänglich machte. Dazu fehlte jeder Vortrag, so dass in Anbetracht der Darlegungslast der Klägerinnen nur ein sehr begrenzter Zeitraum zugrunde zu legen war. Wenn ausgehend davon 100 Downloads zugrunde gelegt werden, erscheint das bereits hoch. Wird der GEMA-Tarif VR-OD 5 von € 0,175 für einen Download zugrunde gelegt, dann wäre für 100 Downloads ein Betrag in Höhe von € 17,50 zu zahlen. Wird der von der Schiedsstelle für angemessen erachtet Wert von € 0,091 für einen Download in Ansatz gebracht, beliefe sich die Lizenz bei 100 Downloads auf € 9,10. Wird weiter berücksichtigt, dass bei einer Verletzung von Nutzungsrechten bereits der Eingriff in die allein dem Rechtsinhaber zugewiesene Nutzungsmöglichkeit als solche zu einem Schaden im Sinne des Schadensersatzrechts führt (BGH, Urt. v. 14.5.2009, GRUR 2009, 856, 863 Rn. 69 - Tripp-Trapp-Stuhl; so auch BT-Drucksache 16/5048, Seite 37), erachtete die Kammer bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Lizenz von €15,00 für das Downloadangebot einer Aufnahme für angemessen.

2. Keine Schadensersatzzahlung durch den Vater

Der Beklagte zu 1., also der Vater des Täters, schuldet den Klägerinnen KEINEN Schadensersatz, so das LG Hamburg. Denn er habe für die Rechtsverletzungen nicht als Täter oder Teilnehmer, sondern nur als Störer einzustehen, weil er seinem Sohn unter Verletzung von Prüfpflichten seinen Internetanschluss zur Verfügung gestellt habe, über den dieser die Rechtsverletzungen beging. Das schließt eine Schadensersatzpflicht aus (BGH GRUR 2010, 633, 634 Rdn. 17 - Sommer unseres Lebens, insoweit unter Bestätigung der Vorinstanz OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2008, 279 - Ungesichertes WLAN), so das Landgericht richtig. Eine Übertragung seiner eine Täterschaft begründenden Wertungen in den Entscheidungen „Jugendgefährdende Schriften bei eBay" (BGH GRUR 2007, 890) und „Halzband" (BGH GRUR 2009, 597) auf einen Sachverhalt wie den vorliegenden lehnt der BGH ausdrücklich ab (BGH GRUR 2010, 633, 634 Rdn. 13 und 15 - Sommer unseres Lebens).

3. Keine Zahlung von Abmahnkosten durch die Beklagten

Die Klägerinnen hatten in dem vom LG Hamburg entschiedenen Fall zudem keinen Anspruch auf die Zahlung von Abmahnkosten. Zwar bestand beiden Beklagten gegenüber ein Unterlassungsanspruch. Die Beklagten sind aber nicht wirksam abgemahnt worden. Insoweit ist die Entscheidung nicht zu verallgemeinern.

III. Ergebnis

Die Entscheidung ist für alle Abgemahnten erfreulich, da der Schadensersatz von € 15,00 pro Lied deutlich geringer ist, als die etwa vom AG Frankfurt als angemessen angesehenen € 150,00. Insoweit kann die Entscheidung in vergleichbaren Fällen nicht nur in Hamburg fruchtbar gemacht werden.



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