Legaler Widerstand gegen rechte Demonstrationen?
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Am 19.02.2011 versuchten einige tausend Personen in Dresden mit friedlichen Sitzblockaden mehrere verwaltungsgerichtlich genehmigte Aufzüge rechter Demonstranten zu verhindern. Unter ihnen befanden sich mehrere Bundes- und Landtagsabgeordnete. Im Zuge der Konfrontation mit der Polizei, die für einen ordnungsgemäßen Ablauf der angemeldeten Veranstaltungen sorgen und deren Durchführbarkeit sicherstellen sollte, kam es zum Ende der Gegendemonstration zu einer Einkesselung der Blockierer und ihrer namentlichen Feststellung. Die Auseinandersetzung schlug hohe Wellen. Sie ist nunmehr seit Wochen Gegenstand der politischen Diskussion in Sachsen.
Es wurde eine Sonderkommission der Polizeidirektion Dresden („Soko 19/2") eingerichtet, die die Vorkommnisse untersuchen sollte. Gegenüber hundert Gegendemonstranten wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 21 VersG (Versammlungsgesetz) eingeleitet. In der Absicht, nichtverbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder ihre Durchführung zu vereiteln, seien absichtlich grobe Störungen verursacht worden - so der Vorwurf. Mit Schreiben vom 12.05.2011 kündigte nun die zuständige Staatsanwaltschaft Dresden an, den Erlass von Strafbefehlen wegen Störung einer Versammlung beantragen zu wollen. Es wurde den Beschuldigten abschließend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hier stellt sich nun die Frage, ob sich die Gegendemonstranten tatsächlich strafbar gemacht haben oder nicht.
Zunächst muss sich jeder Beschuldigte fragen, wann und wie er überhaupt zum Blockadeort gelangt ist und ob ab diesem Zeitpunkt überhaupt noch Aufrufe der Polizei erfolgten, den Ort zu verlassen. Sofern ohne solche Hinweise auf ein vermeintlich rechtswidriges Tun der freie Zugang zu der Kreuzung problemlos und ohne jede Einschränkung möglich war, könnte es hierdurch bereits am erforderlichen Vorsatz eines strafbaren Verhaltens fehlen.
Auch stellt sich die Frage, ob zu irgendeinem Zeitpunkt der Zweck der Vorschrift des § 21 VersG, nämlich die verhinderte Durchführung einer anderen Demonstration zu bestrafen, schon deswegen nicht mehr vorlag, weil die Demonstration aus anderen Gründen gar nicht oder nicht mehr stattfand oder auf anderer Strecke durchgeführt wurde.
Schließlich bestehen auch rechtliche Zweifel. Die bloße Anwesenheit eines Gegendemonstranten könnte deswegen nicht strafbar sein, weil es nach hiesiger Ansicht am Tatbestandsmerkmal der groben Störung im Sinne des § 21 VersG fehlt.
Das Gesetz stellt drei Tathandlungen unter Strafe: Das Vornehmen von Gewalttätigkeiten, das Androhen von Gewalttätigkeiten und das Verursachen einer groben Störung. Es ist rechtlich nicht mehr zweifelhaft, dass auch Sitzblockaden von Art. 8 Abs. 1 GG umfasst sind und als solche nicht als Nötigungsgewalt im Sinne des § 240 StGB anzusehen sind. Die Versammlungsfreiheit von Gegendemonstranten beinhaltet eben auch die reine körperliche Anwesenheit. Insoweit kann jedoch für den Gewaltbegriff des § 21 VersG nichts anderes gelten. Wer keine Gewalt i. S. des § 240 StGB (Nötigung im allgemeinen Strafrecht) ausübt, begeht mit derselben Handlung auch keine Gewalttätigkeit i. S. des § 21 VersG.
Der Umstand, dass § 21 VersG bei der Strafandrohung nicht zwischen der Gewalttätigkeit und der groben Störung unterscheidet, bedeutet aus rechtssystematischen Gründen, dass die grobe Störung ihrer Intensität und Gefährlichkeit nach der ersten Variante, also der Begehung oder zumindest der Androhung von Gewalttätigkeiten, entsprechen muss. Wenn eine friedliche Blockade jedoch keine Gewalttätigkeit darstellt, weil sie nicht schwerwiegend genug ist, kann sie dann auch keine grobe Störung i. S. des § 21 VersG darstellen.
Dass es auch Versammlungsstörungen unterhalb der Schwelle des § 21 VersG gibt bzw. geben kann, zeigt ein Blick auf § 29 Abs. 1 Nr. 4 VersG, der solche Fälle lediglich als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert. Voraussetzung ist jedoch auch dort, dass mit der Störung trotz wiederholter Zurechtweisung durch den Leiter oder einen Ordner fortgefahren wird. Wenn der Gegendemonstrant jedoch mangels „Erststörung" mit einer solchen weder fortgefahren hat noch zurechtgewiesen wurde, scheidet auch die Ahndung als Ordnungswidrigkeit aus. Ähnliches gilt auch im Hinblick auf die allgemeine Ordnungswidrigkeitsnorm des § 113 Abs. 1 OWiG (unerlaubte Ansammlung). Auch hier hätte es eine dreimalige Verlassensaufforderung an den Gegendemonstranten geben müssen.
Es zeigt sich, dass fernab einer notwendigen politischen Diskussion über das Für und Wider solcher Aktionen zumindest eine strafrechtliche Sanktionierung schwierig werden sollte.
RA Andrej Klein
Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel. 0351/47591070, andrej.klein@dresden-klein.de
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